Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 4. Die Gründung des Deutschen Reiches. Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbundenwerde 1). Es erhebt sich nun die Frage nach der juristischen Bedeu- Die Versailler November-Verträge finden ihre 1) Während die Contrahenten der Augustbündnisse lauter 1) Vgl. die Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages vom 5., 8. u. 9. De- zember 1870 S. 76. 150. 167. 2) Vgl. Auerbach S. 56. 59 fg. Meyer Erörterungen S. 61. Hä-
nel S. 82. v. Mohl S. 51. Anderer Ansicht ist nur Riedel S. 77. §. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches. Führung des Titels eines Deutſchen Kaiſers verbundenwerde 1). Es erhebt ſich nun die Frage nach der juriſtiſchen Bedeu- Die Verſailler November-Verträge finden ihre 1) Während die Contrahenten der Auguſtbündniſſe lauter 1) Vgl. die Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages vom 5., 8. u. 9. De- zember 1870 S. 76. 150. 167. 2) Vgl. Auerbach S. 56. 59 fg. Meyer Erörterungen S. 61. Hä-
nel S. 82. v. Mohl S. 51. Anderer Anſicht iſt nur Riedel S. 77. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="43"/><fw place="top" type="header">§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.</fw><lb/> Führung des Titels eines <hi rendition="#g">Deutſchen Kaiſers</hi> verbunden<lb/> werde <note place="foot" n="1)">Vgl. die Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages vom 5., 8. u. 9. De-<lb/> zember 1870 S. 76. 150. 167.</note>.</p><lb/> <p>Es erhebt ſich nun die Frage nach der <hi rendition="#g">juriſtiſchen Bedeu-<lb/> tung und Wirkung</hi> dieſer Vorgänge. Die Beantwortung<lb/> derſelben iſt durch die Ausführungen über die Gründung des<lb/> Norddeutſchen Bundes im Weſentlichen vorbereitet und erleichtert.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Verſailler November-Verträge finden ihre<lb/> Analogie in dem Berliner Auguſtbündniß von 1866</hi>.<lb/> Sie ſind durchaus völkerrechtlicher Natur; ſie begründen <hi rendition="#g">ver-<lb/> tragsmäßige</hi> Rechte und Pflichten. Der Inhalt derſelben<lb/> beſteht für den Norddeutſchen Bund in der Pflicht — und dem<lb/> dieſer Pflicht correſpondirenden Rechte — am 1. Januar 1871<lb/> die ſüddeutſchen Staaten unter den mit denſelben vereinbarten<lb/> Bedingungen in den Bund aufzunehmen, für jeden der Süddeut-<lb/> ſchen Staaten in der Pflicht — und dem dieſer Pflicht correſpon-<lb/> direnden Rechte — am 1. Januar 1871 dem Bunde beizutreten.<lb/> Verſchieden von den Auguſt-Verträgen von 1866 ſind die No-<lb/> vember-Verträge von 1870 nur in folgenden Beziehungen:</p><lb/> <p>1) Während die Contrahenten der Auguſtbündniſſe lauter<lb/> von einander völlig unabhängige Staaten waren, welche über-<lb/> einkamen, unter ſich einen Bund zu <hi rendition="#g">errichten</hi>, wurden die No-<lb/> vember-Verträge geſchloſſen auf der einen Seite von dem <hi rendition="#g">Nord-<lb/> deutſchen Bunde</hi> als Einheit und auf der anderen Seite von<lb/> den einzelnen ſüddeutſchen Staaten. Der unter den Norddeutſchen<lb/> Staaten bereits beſtehende Bund wird nicht beendigt und aufgelöſt,<lb/> um durch einen neuen Bund erſetzt zu werden, ſondern er wird<lb/> erweitert und modifizirt. <hi rendition="#g">Während zwiſchen dem alten<lb/> deutſchen Bunde und dem Norddeutſchen Bunde keine<lb/> Rechtscontinuität beſteht, iſt dieſelbe zwiſchen dem<lb/> Norddeutſchen Bunde und dem Reiche gewahrt</hi> <note place="foot" n="2)">Vgl. <hi rendition="#g">Auerbach</hi> S. 56. 59 fg. <hi rendition="#g">Meyer</hi> Erörterungen S. 61. <hi rendition="#g">Hä-<lb/> nel</hi> S. 82. v. <hi rendition="#g">Mohl</hi> S. 51. Anderer Anſicht iſt nur <hi rendition="#g">Riedel</hi> S. 77.</note>.<lb/> Die Reichsgründung war keine Neuſchöpfung ſondern eine Reform<lb/> des Norddeutſchen Bundes, eine in der Verfaſſung des letzteren<lb/> ſelbſt vorgeſehene Erweiterung und Umbildung deſſelben. Im<lb/> Württemberger Vertrage heißt es ausdrücklich, daß die Contra-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0063]
§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
Führung des Titels eines Deutſchen Kaiſers verbunden
werde 1).
Es erhebt ſich nun die Frage nach der juriſtiſchen Bedeu-
tung und Wirkung dieſer Vorgänge. Die Beantwortung
derſelben iſt durch die Ausführungen über die Gründung des
Norddeutſchen Bundes im Weſentlichen vorbereitet und erleichtert.
Die Verſailler November-Verträge finden ihre
Analogie in dem Berliner Auguſtbündniß von 1866.
Sie ſind durchaus völkerrechtlicher Natur; ſie begründen ver-
tragsmäßige Rechte und Pflichten. Der Inhalt derſelben
beſteht für den Norddeutſchen Bund in der Pflicht — und dem
dieſer Pflicht correſpondirenden Rechte — am 1. Januar 1871
die ſüddeutſchen Staaten unter den mit denſelben vereinbarten
Bedingungen in den Bund aufzunehmen, für jeden der Süddeut-
ſchen Staaten in der Pflicht — und dem dieſer Pflicht correſpon-
direnden Rechte — am 1. Januar 1871 dem Bunde beizutreten.
Verſchieden von den Auguſt-Verträgen von 1866 ſind die No-
vember-Verträge von 1870 nur in folgenden Beziehungen:
1) Während die Contrahenten der Auguſtbündniſſe lauter
von einander völlig unabhängige Staaten waren, welche über-
einkamen, unter ſich einen Bund zu errichten, wurden die No-
vember-Verträge geſchloſſen auf der einen Seite von dem Nord-
deutſchen Bunde als Einheit und auf der anderen Seite von
den einzelnen ſüddeutſchen Staaten. Der unter den Norddeutſchen
Staaten bereits beſtehende Bund wird nicht beendigt und aufgelöſt,
um durch einen neuen Bund erſetzt zu werden, ſondern er wird
erweitert und modifizirt. Während zwiſchen dem alten
deutſchen Bunde und dem Norddeutſchen Bunde keine
Rechtscontinuität beſteht, iſt dieſelbe zwiſchen dem
Norddeutſchen Bunde und dem Reiche gewahrt 2).
Die Reichsgründung war keine Neuſchöpfung ſondern eine Reform
des Norddeutſchen Bundes, eine in der Verfaſſung des letzteren
ſelbſt vorgeſehene Erweiterung und Umbildung deſſelben. Im
Württemberger Vertrage heißt es ausdrücklich, daß die Contra-
1) Vgl. die Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages vom 5., 8. u. 9. De-
zember 1870 S. 76. 150. 167.
2) Vgl. Auerbach S. 56. 59 fg. Meyer Erörterungen S. 61. Hä-
nel S. 82. v. Mohl S. 51. Anderer Anſicht iſt nur Riedel S. 77.
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