Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 7. Das Reich als Rechtssubject. vom Staate zu Liebe für die bisherigen Staaten diesen Ausdruckaußer Anwendung setzt 1). Und sie heißen nicht bloß Staaten, sie sind es auch; denn sie sind nicht zu bloßen Verwaltungs- Districten des Reiches herabgesunken, sondern selbstständig berechtigte Subjecte höchst umfassender und wichtiger öffentlicher Hoheitsrechte geblieben. Es ist mithin kein logischer Widerspruch, daß sowohl das Wenden wir uns nach dieser Widerlegung entgegenstehender 1. Das Reich hat zur Herstellung seines Willens eigene Or- 1) Auch die Frankfurter Reichsverf., die doch unzweifelhaft die Cen- tralgewalt mit der Souveränetät ausstatten wollte, spricht von den "einzelnen Deutschen Staaten" z. B. § 5. 12. 13. 17. 186 und oft. 2) Der Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 nennt im Art. 7 den
Bundesrath des Zollvereins "das gemeinschaftliche Organ der Regierungen" und das Zollparlament "die gemeinschaftliche Vertretung der Bevölkerungen." In dem entsprechenden Art. 5 der Nordd. Bundesverf. und der jetzigen Reichsverf. fehlen diese Charakterisirungen, welche den Zweck hatten, die vertragsmäßige Natur des Zollvereins im Gegensatz zu einem staatlichen Organismus her- vorzuheben. §. 7. Das Reich als Rechtsſubject. vom Staate zu Liebe für die bisherigen Staaten dieſen Ausdruckaußer Anwendung ſetzt 1). Und ſie heißen nicht bloß Staaten, ſie ſind es auch; denn ſie ſind nicht zu bloßen Verwaltungs- Diſtricten des Reiches herabgeſunken, ſondern ſelbſtſtändig berechtigte Subjecte höchſt umfaſſender und wichtiger öffentlicher Hoheitsrechte geblieben. Es iſt mithin kein logiſcher Widerſpruch, daß ſowohl das Wenden wir uns nach dieſer Widerlegung entgegenſtehender 1. Das Reich hat zur Herſtellung ſeines Willens eigene Or- 1) Auch die Frankfurter Reichsverf., die doch unzweifelhaft die Cen- tralgewalt mit der Souveränetät ausſtatten wollte, ſpricht von den „einzelnen Deutſchen Staaten“ z. B. § 5. 12. 13. 17. 186 und oft. 2) Der Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 nennt im Art. 7 den
Bundesrath des Zollvereins „das gemeinſchaftliche Organ der Regierungen“ und das Zollparlament „die gemeinſchaftliche Vertretung der Bevölkerungen.“ In dem entſprechenden Art. 5 der Nordd. Bundesverf. und der jetzigen Reichsverf. fehlen dieſe Charakteriſirungen, welche den Zweck hatten, die vertragsmäßige Natur des Zollvereins im Gegenſatz zu einem ſtaatlichen Organismus her- vorzuheben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0084" n="64"/><fw place="top" type="header">§. 7. Das Reich als Rechtsſubject.</fw><lb/> vom Staate zu Liebe für die bisherigen Staaten dieſen Ausdruck<lb/> außer Anwendung ſetzt <note place="foot" n="1)">Auch die <hi rendition="#g">Frankfurter</hi> Reichsverf., die doch unzweifelhaft die Cen-<lb/> tralgewalt mit der Souveränetät ausſtatten wollte, ſpricht von den „einzelnen<lb/> Deutſchen <hi rendition="#g">Staaten</hi>“ z. B. § 5. 12. 13. 17. 186 und oft.</note>. Und ſie heißen nicht bloß Staaten,<lb/> ſie <hi rendition="#g">ſind</hi> es auch; denn ſie ſind nicht zu bloßen Verwaltungs-<lb/> Diſtricten des Reiches herabgeſunken, ſondern ſelbſtſtändig berechtigte<lb/> Subjecte höchſt umfaſſender und wichtiger öffentlicher Hoheitsrechte<lb/> geblieben.</p><lb/> <p>Es iſt mithin kein logiſcher Widerſpruch, daß ſowohl das<lb/> Reich als auch ſeine Glieder <hi rendition="#g">ſtaatlichen</hi> Charakter haben, ſofern<lb/> man nur nicht den Sinn unterſchiebt, daß beide gleichzeitig <hi rendition="#g">ſou-<lb/> verän</hi> ſeien; man kann daher daraus, daß die Glieder des<lb/> Reiches Staaten ſind und verfaſſungsmäßig als ſolche bezeichnet<lb/> werden, nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß das Reich kein<lb/> ſtaatliches Weſen ſein könne.</p><lb/> <p>Wenden wir uns nach dieſer Widerlegung entgegenſtehender<lb/> Anſichten der poſitiven Beantwortung der Frage zu, ſo kömmt es<lb/> gemäß unſerer obenſtehenden Ausführung hierbei darauf an zu er-<lb/> mitteln, ob das Reich <hi rendition="#g">ſelbſtſtändige</hi> Rechte den Einzelſtaaten<lb/> gegenüber hat. Entſcheidend ſind nicht Umfang nnd Wichtigkeit der<lb/> vom Reiche gehandhabten Befugniſſe, ſondern die rechtliche Unab-<lb/> hängigkeit der dem Reiche zuſtehenden Willens- und Rechtsſphäre<lb/> von derjenigen der Einzelſtaaten. Dieſe Selbſtſtändigkeit ergiebt<lb/> fich aus Folgendem:</p><lb/> <p>1. Das Reich hat zur Herſtellung ſeines Willens eigene Or-<lb/> gane, welche nicht eine <hi rendition="#g">Vereinigung</hi> der Willensorgane der<lb/> Einzelſtaaten und ebenſowenig <hi rendition="#g">gemeinſchaftliche</hi> Organe der<lb/> Regierungen und Bevölkerungen der Einzelſtaaten ſind <note place="foot" n="2)">Der <hi rendition="#g">Zollvereinsvertrag</hi> vom 8. Juli 1867 nennt im Art. 7 den<lb/> Bundesrath des Zollvereins „das gemeinſchaftliche Organ der Regierungen“ und<lb/> das Zollparlament „die gemeinſchaftliche Vertretung der Bevölkerungen.“ In<lb/> dem entſprechenden Art. 5 der Nordd. Bundesverf. und der jetzigen Reichsverf.<lb/> fehlen dieſe Charakteriſirungen, welche den Zweck hatten, die vertragsmäßige<lb/> Natur des Zollvereins im Gegenſatz zu einem ſtaatlichen Organismus her-<lb/> vorzuheben.</note>. Ein<lb/> Beſchluß des Bundesraths kann nicht vertreten oder erſetzt werden<lb/> durch einen Austauſch von übereinſtimmenden Erklärungen ſämmt-<lb/> licher Einzelſtaats-Regierungen; ein Beſchluß des Reichstages kann<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0084]
§. 7. Das Reich als Rechtsſubject.
vom Staate zu Liebe für die bisherigen Staaten dieſen Ausdruck
außer Anwendung ſetzt 1). Und ſie heißen nicht bloß Staaten,
ſie ſind es auch; denn ſie ſind nicht zu bloßen Verwaltungs-
Diſtricten des Reiches herabgeſunken, ſondern ſelbſtſtändig berechtigte
Subjecte höchſt umfaſſender und wichtiger öffentlicher Hoheitsrechte
geblieben.
Es iſt mithin kein logiſcher Widerſpruch, daß ſowohl das
Reich als auch ſeine Glieder ſtaatlichen Charakter haben, ſofern
man nur nicht den Sinn unterſchiebt, daß beide gleichzeitig ſou-
verän ſeien; man kann daher daraus, daß die Glieder des
Reiches Staaten ſind und verfaſſungsmäßig als ſolche bezeichnet
werden, nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß das Reich kein
ſtaatliches Weſen ſein könne.
Wenden wir uns nach dieſer Widerlegung entgegenſtehender
Anſichten der poſitiven Beantwortung der Frage zu, ſo kömmt es
gemäß unſerer obenſtehenden Ausführung hierbei darauf an zu er-
mitteln, ob das Reich ſelbſtſtändige Rechte den Einzelſtaaten
gegenüber hat. Entſcheidend ſind nicht Umfang nnd Wichtigkeit der
vom Reiche gehandhabten Befugniſſe, ſondern die rechtliche Unab-
hängigkeit der dem Reiche zuſtehenden Willens- und Rechtsſphäre
von derjenigen der Einzelſtaaten. Dieſe Selbſtſtändigkeit ergiebt
fich aus Folgendem:
1. Das Reich hat zur Herſtellung ſeines Willens eigene Or-
gane, welche nicht eine Vereinigung der Willensorgane der
Einzelſtaaten und ebenſowenig gemeinſchaftliche Organe der
Regierungen und Bevölkerungen der Einzelſtaaten ſind 2). Ein
Beſchluß des Bundesraths kann nicht vertreten oder erſetzt werden
durch einen Austauſch von übereinſtimmenden Erklärungen ſämmt-
licher Einzelſtaats-Regierungen; ein Beſchluß des Reichstages kann
1) Auch die Frankfurter Reichsverf., die doch unzweifelhaft die Cen-
tralgewalt mit der Souveränetät ausſtatten wollte, ſpricht von den „einzelnen
Deutſchen Staaten“ z. B. § 5. 12. 13. 17. 186 und oft.
2) Der Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 nennt im Art. 7 den
Bundesrath des Zollvereins „das gemeinſchaftliche Organ der Regierungen“ und
das Zollparlament „die gemeinſchaftliche Vertretung der Bevölkerungen.“ In
dem entſprechenden Art. 5 der Nordd. Bundesverf. und der jetzigen Reichsverf.
fehlen dieſe Charakteriſirungen, welche den Zweck hatten, die vertragsmäßige
Natur des Zollvereins im Gegenſatz zu einem ſtaatlichen Organismus her-
vorzuheben.
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