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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
men anlegen und ausrüsten zu lassen. "Es sollen demgemäß in
thunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichtungen
getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt
werden." Demnach ist die Einführung der Bahnpolizei-Reglements
den Einzelstaaten überlassen 1); das vom Bundesrath beschlossene
Reglement gilt demnach in jedem Einzelstaat nur dann, wenn es
in der That in einer dem Landesrecht entsprechenden Weise in dem-
selben eingeführt worden ist 2). Nun enthält das Reglement aber
nicht blos polizeiliche Verwaltungs vorschriften, sondern in dem
§. 62 eine Strafbestimmung und im §. 63 eine Anordnung über
die vorläufige Festnehmung von Personen, welche auf der Ueber-
tretung der polizeil. Bestimmungen betroffen werden, also Anord-
nungen, welche in das Gebiet des Strafrechts und des strafrechtl.
Verfahrens einschlagen und überall da in der Form des Ge-
setzes
erlassen werden müssen, wo nicht durch besondere gesetzliche
Anordnung der Verordnungsweg für zulässig erklärt worden ist.
Ebenso ist die Rechtsgültigkeit der Schiffsvermessungs-Ordnung v.
5. Juli 1872 mindestens zweifelhaft; dieselbe ist auf Grund des
Art. 54 der R.-V. vom Bundesrath erlassen; dieser Artikel nor-
mirt aber lediglich die Kompetenz des Reiches, er enthält keine
Delegation für den Bundesrath zum Erlaß von Rechtssätzen 3).

V. Die Verordnungen, welche Rechtsvorschriften enthalten,
müssen, um Geltung zu erlangen, verkündigt werden. Es er-

1) Das kaiserl. Friedensgericht zu Mühlhausen hat durch
Urth. v. 24. Febr. 1876 die richtige Auslegung dieses Artikels zur Geltung
gebracht; das Reichs-Oberhandelsger. hat sich indeß für die ent-
gegengesetzte Ansicht erklärt im Urth. v. 2. Juni 1876 (Jurist. Zeitschrift für
Elsaß-Lothr. I. S. 340 fg.).
2) Das Reglement enthält im §. 74 die Bestimmung: "dasselbe wird durch
das "Centralblatt für das Deutsche Reich" und außerdem von den Bundes-
regierungen publizirt." Die Publicirung im Centralblatt ist bloße Kund-
machung, die Publicirung in den Einzelstaaten wirkliche Einführung. Damit
steht allerdings nicht im Einklang, daß das Reglement selbst den Tag bestimmt,
von welchem an es "in Kraft tritt und auf allen Eisenbahnen Deutschlands
Anwendung findet". In ähnlicher widerspruchsvoller Weise heißt es in der
Lootsen-Signal-Ordnung v. 31. Januar 1875 (Centralbl. S. 124):
"Nachdem der Bundesrath beschlossen hat, die Regierungen der Seeuferstaaten
um Erlaß der nachstehenden (Verordnung) zu ersuchen, wird dieselbe
mit dem 1. März d. J. in Kraft treten."
3) Vgl. darüber unten §. 74. IV.

§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
men anlegen und ausrüſten zu laſſen. „Es ſollen demgemäß in
thunlichſter Beſchleunigung übereinſtimmende Betriebseinrichtungen
getroffen, insbeſondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt
werden.“ Demnach iſt die Einführung der Bahnpolizei-Reglements
den Einzelſtaaten überlaſſen 1); das vom Bundesrath beſchloſſene
Reglement gilt demnach in jedem Einzelſtaat nur dann, wenn es
in der That in einer dem Landesrecht entſprechenden Weiſe in dem-
ſelben eingeführt worden iſt 2). Nun enthält das Reglement aber
nicht blos polizeiliche Verwaltungs vorſchriften, ſondern in dem
§. 62 eine Strafbeſtimmung und im §. 63 eine Anordnung über
die vorläufige Feſtnehmung von Perſonen, welche auf der Ueber-
tretung der polizeil. Beſtimmungen betroffen werden, alſo Anord-
nungen, welche in das Gebiet des Strafrechts und des ſtrafrechtl.
Verfahrens einſchlagen und überall da in der Form des Ge-
ſetzes
erlaſſen werden müſſen, wo nicht durch beſondere geſetzliche
Anordnung der Verordnungsweg für zuläſſig erklärt worden iſt.
Ebenſo iſt die Rechtsgültigkeit der Schiffsvermeſſungs-Ordnung v.
5. Juli 1872 mindeſtens zweifelhaft; dieſelbe iſt auf Grund des
Art. 54 der R.-V. vom Bundesrath erlaſſen; dieſer Artikel nor-
mirt aber lediglich die Kompetenz des Reiches, er enthält keine
Delegation für den Bundesrath zum Erlaß von Rechtsſätzen 3).

V. Die Verordnungen, welche Rechtsvorſchriften enthalten,
müſſen, um Geltung zu erlangen, verkündigt werden. Es er-

1) Das kaiſerl. Friedensgericht zu Mühlhauſen hat durch
Urth. v. 24. Febr. 1876 die richtige Auslegung dieſes Artikels zur Geltung
gebracht; das Reichs-Oberhandelsger. hat ſich indeß für die ent-
gegengeſetzte Anſicht erklärt im Urth. v. 2. Juni 1876 (Juriſt. Zeitſchrift für
Elſaß-Lothr. I. S. 340 fg.).
2) Das Reglement enthält im §. 74 die Beſtimmung: „daſſelbe wird durch
das „Centralblatt für das Deutſche Reich“ und außerdem von den Bundes-
regierungen publizirt.“ Die Publicirung im Centralblatt iſt bloße Kund-
machung, die Publicirung in den Einzelſtaaten wirkliche Einführung. Damit
ſteht allerdings nicht im Einklang, daß das Reglement ſelbſt den Tag beſtimmt,
von welchem an es „in Kraft tritt und auf allen Eiſenbahnen Deutſchlands
Anwendung findet“. In ähnlicher widerſpruchsvoller Weiſe heißt es in der
Lootſen-Signal-Ordnung v. 31. Januar 1875 (Centralbl. S. 124):
„Nachdem der Bundesrath beſchloſſen hat, die Regierungen der Seeuferſtaaten
um Erlaß der nachſtehenden (Verordnung) zu erſuchen, wird dieſelbe
mit dem 1. März d. J. in Kraft treten.“
3) Vgl. darüber unten §. 74. IV.
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[90/0104] §. 59. Die Verordnungen des Reichs. men anlegen und ausrüſten zu laſſen. „Es ſollen demgemäß in thunlichſter Beſchleunigung übereinſtimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbeſondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden.“ Demnach iſt die Einführung der Bahnpolizei-Reglements den Einzelſtaaten überlaſſen 1); das vom Bundesrath beſchloſſene Reglement gilt demnach in jedem Einzelſtaat nur dann, wenn es in der That in einer dem Landesrecht entſprechenden Weiſe in dem- ſelben eingeführt worden iſt 2). Nun enthält das Reglement aber nicht blos polizeiliche Verwaltungs vorſchriften, ſondern in dem §. 62 eine Strafbeſtimmung und im §. 63 eine Anordnung über die vorläufige Feſtnehmung von Perſonen, welche auf der Ueber- tretung der polizeil. Beſtimmungen betroffen werden, alſo Anord- nungen, welche in das Gebiet des Strafrechts und des ſtrafrechtl. Verfahrens einſchlagen und überall da in der Form des Ge- ſetzes erlaſſen werden müſſen, wo nicht durch beſondere geſetzliche Anordnung der Verordnungsweg für zuläſſig erklärt worden iſt. Ebenſo iſt die Rechtsgültigkeit der Schiffsvermeſſungs-Ordnung v. 5. Juli 1872 mindeſtens zweifelhaft; dieſelbe iſt auf Grund des Art. 54 der R.-V. vom Bundesrath erlaſſen; dieſer Artikel nor- mirt aber lediglich die Kompetenz des Reiches, er enthält keine Delegation für den Bundesrath zum Erlaß von Rechtsſätzen 3). V. Die Verordnungen, welche Rechtsvorſchriften enthalten, müſſen, um Geltung zu erlangen, verkündigt werden. Es er- 1) Das kaiſerl. Friedensgericht zu Mühlhauſen hat durch Urth. v. 24. Febr. 1876 die richtige Auslegung dieſes Artikels zur Geltung gebracht; das Reichs-Oberhandelsger. hat ſich indeß für die ent- gegengeſetzte Anſicht erklärt im Urth. v. 2. Juni 1876 (Juriſt. Zeitſchrift für Elſaß-Lothr. I. S. 340 fg.). 2) Das Reglement enthält im §. 74 die Beſtimmung: „daſſelbe wird durch das „Centralblatt für das Deutſche Reich“ und außerdem von den Bundes- regierungen publizirt.“ Die Publicirung im Centralblatt iſt bloße Kund- machung, die Publicirung in den Einzelſtaaten wirkliche Einführung. Damit ſteht allerdings nicht im Einklang, daß das Reglement ſelbſt den Tag beſtimmt, von welchem an es „in Kraft tritt und auf allen Eiſenbahnen Deutſchlands Anwendung findet“. In ähnlicher widerſpruchsvoller Weiſe heißt es in der Lootſen-Signal-Ordnung v. 31. Januar 1875 (Centralbl. S. 124): „Nachdem der Bundesrath beſchloſſen hat, die Regierungen der Seeuferſtaaten um Erlaß der nachſtehenden (Verordnung) zu erſuchen, wird dieſelbe mit dem 1. März d. J. in Kraft treten.“ 3) Vgl. darüber unten §. 74. IV.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/104>, abgerufen am 04.12.2024.