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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
selbe Gewalt, von welcher der Gesetzesbefehl ausgeht. Derselben
steht es daher frei, für das Reichsland etwas Anderes, wie für
das übrige Gebiet anzuordnen. Nur das Reichsgesetz v. 9. Juni
1871 selbst konnte nicht durch ein auf Grund desselben ergangenes
Landesgesetz abgeändert werden, da es die Delegation der Gesetz-
gebungsgewalt für den Kaiser und Bundesrath enthält, sonach der
Kompetenz derselben die Grenzen zieht und die Art der Ausübung
bestimmt. Zur Hinausrückung des im §. 2 dieses Gesetzes ange-
gebenen Zeitpunktes, mit welchem die R.-V. in Elsaß-Lothringen
in Wirksamkeit treten sollte, bedurfte es daher eines nach Vorschrift
der R.-V. erlassenen Gesetzes 1).

c) Durch die unveränderte Einführung eines Reichsgesetzes in
Elsaß-Lothringen entstand streng genommen nur materiell gemeines
Recht zwischen dem Reichsland und dem übrigen Reichsgebiete,
d. h. es herrschten in zwei verschiedenen Rechtsgebieten Gesetze mit
identischem Inhalte; ihre Geltung beruhte nicht auf einem und
demselben, für beide Gebiete verbindlichen Befehl. Um aber diese
Folge auszuschließen und um in der That in Beziehung auf die
eingeführten Gesetze das ganze Reichsgebiet zu einem einheit-
lichen
Rechtsgebiet zu machen, wurde in den meisten Einfüh-
rungsgesetzen die Formel gewählt, daß "die Wirksamkeit des an-
liegenden Reichsgesetzes auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt wird."

d) Die auf Grund des Reichsgesetzes v. 9. Juni 1871 ergangenen
Gesetze für Els.-Lothringen haben die Kraft von Reichsgesetzen.
Während das in allen Deutschen Staaten bereits in Wirksamkeit ge-
wesene Handelsgesetzbuch zum Reichsgesetz erklärt werden konnte, in-
dem dadurch der Gesetzesbefehl des Reiches an die Stelle des Gesetzes-
befehls des Einzelstaates getreten ist, würde es sinnlos sein, die
während der Herrschaft des Ges. v. 9. Juni 1871 in Els.-Loth-
ringen erlassenen Gesetze zu Reichsgesetzen zu erklären; denn dies
hieße den Gesetzesbefehl des Reiches durch den Gesetzesbefehl des
Reiches ersetzen. Dies gilt nun aber nicht blos von denjenigen
Gesetzen, welche in den Bereich der in der R.-V. normirten Kom-
petenz der Reichsgesetzgebung fallen sondern von allen Gesetzen 2).

1) Dasselbe ist am 20. Juni 1872 ergangen. Es ist auch im Ges.-Bl. f.
Els.-Loth S. 441 verkündet worden.
2) Handelsgesetzbuch, Wechselordnung, Strafgesetzbuch, Genossenschaftsgesetz,
Gesetz über den Schutz des Urheberrechts u. s. w. sind in Elsaß-Lothringen

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
ſelbe Gewalt, von welcher der Geſetzesbefehl ausgeht. Derſelben
ſteht es daher frei, für das Reichsland etwas Anderes, wie für
das übrige Gebiet anzuordnen. Nur das Reichsgeſetz v. 9. Juni
1871 ſelbſt konnte nicht durch ein auf Grund deſſelben ergangenes
Landesgeſetz abgeändert werden, da es die Delegation der Geſetz-
gebungsgewalt für den Kaiſer und Bundesrath enthält, ſonach der
Kompetenz derſelben die Grenzen zieht und die Art der Ausübung
beſtimmt. Zur Hinausrückung des im §. 2 dieſes Geſetzes ange-
gebenen Zeitpunktes, mit welchem die R.-V. in Elſaß-Lothringen
in Wirkſamkeit treten ſollte, bedurfte es daher eines nach Vorſchrift
der R.-V. erlaſſenen Geſetzes 1).

c) Durch die unveränderte Einführung eines Reichsgeſetzes in
Elſaß-Lothringen entſtand ſtreng genommen nur materiell gemeines
Recht zwiſchen dem Reichsland und dem übrigen Reichsgebiete,
d. h. es herrſchten in zwei verſchiedenen Rechtsgebieten Geſetze mit
identiſchem Inhalte; ihre Geltung beruhte nicht auf einem und
demſelben, für beide Gebiete verbindlichen Befehl. Um aber dieſe
Folge auszuſchließen und um in der That in Beziehung auf die
eingeführten Geſetze das ganze Reichsgebiet zu einem einheit-
lichen
Rechtsgebiet zu machen, wurde in den meiſten Einfüh-
rungsgeſetzen die Formel gewählt, daß „die Wirkſamkeit des an-
liegenden Reichsgeſetzes auf Elſaß-Lothringen ausgedehnt wird.“

d) Die auf Grund des Reichsgeſetzes v. 9. Juni 1871 ergangenen
Geſetze für Elſ.-Lothringen haben die Kraft von Reichsgeſetzen.
Während das in allen Deutſchen Staaten bereits in Wirkſamkeit ge-
weſene Handelsgeſetzbuch zum Reichsgeſetz erklärt werden konnte, in-
dem dadurch der Geſetzesbefehl des Reiches an die Stelle des Geſetzes-
befehls des Einzelſtaates getreten iſt, würde es ſinnlos ſein, die
während der Herrſchaft des Geſ. v. 9. Juni 1871 in Elſ.-Loth-
ringen erlaſſenen Geſetze zu Reichsgeſetzen zu erklären; denn dies
hieße den Geſetzesbefehl des Reiches durch den Geſetzesbefehl des
Reiches erſetzen. Dies gilt nun aber nicht blos von denjenigen
Geſetzen, welche in den Bereich der in der R.-V. normirten Kom-
petenz der Reichsgeſetzgebung fallen ſondern von allen Geſetzen 2).

1) Daſſelbe iſt am 20. Juni 1872 ergangen. Es iſt auch im Geſ.-Bl. f.
Elſ.-Loth S. 441 verkündet worden.
2) Handelsgeſetzbuch, Wechſelordnung, Strafgeſetzbuch, Genoſſenſchaftsgeſetz,
Geſetz über den Schutz des Urheberrechts u. ſ. w. ſind in Elſaß-Lothringen
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[138/0152] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. ſelbe Gewalt, von welcher der Geſetzesbefehl ausgeht. Derſelben ſteht es daher frei, für das Reichsland etwas Anderes, wie für das übrige Gebiet anzuordnen. Nur das Reichsgeſetz v. 9. Juni 1871 ſelbſt konnte nicht durch ein auf Grund deſſelben ergangenes Landesgeſetz abgeändert werden, da es die Delegation der Geſetz- gebungsgewalt für den Kaiſer und Bundesrath enthält, ſonach der Kompetenz derſelben die Grenzen zieht und die Art der Ausübung beſtimmt. Zur Hinausrückung des im §. 2 dieſes Geſetzes ange- gebenen Zeitpunktes, mit welchem die R.-V. in Elſaß-Lothringen in Wirkſamkeit treten ſollte, bedurfte es daher eines nach Vorſchrift der R.-V. erlaſſenen Geſetzes 1). c) Durch die unveränderte Einführung eines Reichsgeſetzes in Elſaß-Lothringen entſtand ſtreng genommen nur materiell gemeines Recht zwiſchen dem Reichsland und dem übrigen Reichsgebiete, d. h. es herrſchten in zwei verſchiedenen Rechtsgebieten Geſetze mit identiſchem Inhalte; ihre Geltung beruhte nicht auf einem und demſelben, für beide Gebiete verbindlichen Befehl. Um aber dieſe Folge auszuſchließen und um in der That in Beziehung auf die eingeführten Geſetze das ganze Reichsgebiet zu einem einheit- lichen Rechtsgebiet zu machen, wurde in den meiſten Einfüh- rungsgeſetzen die Formel gewählt, daß „die Wirkſamkeit des an- liegenden Reichsgeſetzes auf Elſaß-Lothringen ausgedehnt wird.“ d) Die auf Grund des Reichsgeſetzes v. 9. Juni 1871 ergangenen Geſetze für Elſ.-Lothringen haben die Kraft von Reichsgeſetzen. Während das in allen Deutſchen Staaten bereits in Wirkſamkeit ge- weſene Handelsgeſetzbuch zum Reichsgeſetz erklärt werden konnte, in- dem dadurch der Geſetzesbefehl des Reiches an die Stelle des Geſetzes- befehls des Einzelſtaates getreten iſt, würde es ſinnlos ſein, die während der Herrſchaft des Geſ. v. 9. Juni 1871 in Elſ.-Loth- ringen erlaſſenen Geſetze zu Reichsgeſetzen zu erklären; denn dies hieße den Geſetzesbefehl des Reiches durch den Geſetzesbefehl des Reiches erſetzen. Dies gilt nun aber nicht blos von denjenigen Geſetzen, welche in den Bereich der in der R.-V. normirten Kom- petenz der Reichsgeſetzgebung fallen ſondern von allen Geſetzen 2). 1) Daſſelbe iſt am 20. Juni 1872 ergangen. Es iſt auch im Geſ.-Bl. f. Elſ.-Loth S. 441 verkündet worden. 2) Handelsgeſetzbuch, Wechſelordnung, Strafgeſetzbuch, Genoſſenſchaftsgeſetz, Geſetz über den Schutz des Urheberrechts u. ſ. w. ſind in Elſaß-Lothringen

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/152>, abgerufen am 23.11.2024.