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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen.
und bei der Abstimmung wurde das Amendement Erxleben abge-
lehnt 1).

Aus dieser Verhandlung ergiebt sich, daß das Amendement
des Abg. Lette nicht bezweckte, den Abschluß der Staatsverträge
von einer Genehmigung des Reichstages abhängig zu machen, daß
die Staatsverträge vielmehr nur nachträglich dem Reichstage
vorgelegt werden sollten, und daß man einer anderen Auslegung
dadurch glaubte vorbeugen zu können, daß man in Bezug auf den
Reichstag eine andere Fassung wählte als in Bezug auf den Bun-
desrath. Diese Erklärung gab der Abg. Lette in seinem Namen
und im Namen seiner politischen Freunde ab, sie wurde vom Bun-
descommissar ausdrücklich acceptirt und es wurde ihr im Reichs-
tage von keiner Seite ein Widerspruch entgegengesetzt. Es fehlt
daher der Behauptung, daß der Reichstag und die verbündeten
Regierungen trotzdem die entgegengesetzte Ansicht durch die An-
nahme des Amendements Lette haben sanctioniren wollen, an jeder
Begründung 2).

Wenn die Genehmigung des Reichstages eine Vorbedingung
für den völkerrechtlich gültigen Abschluß eines Staatsvertrages
wäre, wenn er ohne diese Genehmigung keine internationale Ver-
pflichtung erzeugen könnte und null und nichtig bliebe, so könnte
die Vorlegung des Vertrages an den Reichstag nicht als "nach-
träglich" bezeichnet werden. Diese Ausdrucksweise ist vielmehr nur
mit der Auffassung vereinbar, daß die Regierung den Vertrag be-
reits mit völkerrechtlicher Kraft und Wirksamkeit abgeschlossen habe
und hierauf zur Vollziehung desselben im Inlande die Genehmi-
gung des Reichstages einholt 3).


1) 25. Sitzung des verfassungberathenden Reichstages v. 2. April 1867.
Stenogr. Berichte S. 518. 519.
2) Meier nennt die Erklärung des Bundeskommissars "höchst auffallend",
die Aeußerung des Abgeordneten Erxleben "noch auffallender", die Inter-
pretation, welche der Abg. Lette seinem eigenen Amendement gab, "am aller-
auffallendsten" (a. a. O. S. 278. 279). In der That auffallend ist aber, daß
Meier durch diese authentischen Erklärungen über den Sinn des Art. 11
nicht zu der Ueberzeugung gelangt ist, daß seine eigene Auslegung desselben
unrichtig ist.
3) Ganz unklar und widerspruchsvoll sind die Ausführungen von Go-
rius
, indem derselbe bald die Genehmigung des Reichstages für eine
Suspensivbedingung erklärt, durch deren Eintritt der Staatsvertrag Gültigkeit

§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.
und bei der Abſtimmung wurde das Amendement Erxleben abge-
lehnt 1).

Aus dieſer Verhandlung ergiebt ſich, daß das Amendement
des Abg. Lette nicht bezweckte, den Abſchluß der Staatsverträge
von einer Genehmigung des Reichstages abhängig zu machen, daß
die Staatsverträge vielmehr nur nachträglich dem Reichstage
vorgelegt werden ſollten, und daß man einer anderen Auslegung
dadurch glaubte vorbeugen zu können, daß man in Bezug auf den
Reichstag eine andere Faſſung wählte als in Bezug auf den Bun-
desrath. Dieſe Erklärung gab der Abg. Lette in ſeinem Namen
und im Namen ſeiner politiſchen Freunde ab, ſie wurde vom Bun-
descommiſſar ausdrücklich acceptirt und es wurde ihr im Reichs-
tage von keiner Seite ein Widerſpruch entgegengeſetzt. Es fehlt
daher der Behauptung, daß der Reichstag und die verbündeten
Regierungen trotzdem die entgegengeſetzte Anſicht durch die An-
nahme des Amendements Lette haben ſanctioniren wollen, an jeder
Begründung 2).

Wenn die Genehmigung des Reichstages eine Vorbedingung
für den völkerrechtlich gültigen Abſchluß eines Staatsvertrages
wäre, wenn er ohne dieſe Genehmigung keine internationale Ver-
pflichtung erzeugen könnte und null und nichtig bliebe, ſo könnte
die Vorlegung des Vertrages an den Reichstag nicht als „nach-
träglich“ bezeichnet werden. Dieſe Ausdrucksweiſe iſt vielmehr nur
mit der Auffaſſung vereinbar, daß die Regierung den Vertrag be-
reits mit völkerrechtlicher Kraft und Wirkſamkeit abgeſchloſſen habe
und hierauf zur Vollziehung deſſelben im Inlande die Genehmi-
gung des Reichstages einholt 3).


1) 25. Sitzung des verfaſſungberathenden Reichstages v. 2. April 1867.
Stenogr. Berichte S. 518. 519.
2) Meier nennt die Erklärung des Bundeskommiſſars „höchſt auffallend“,
die Aeußerung des Abgeordneten Erxleben „noch auffallender“, die Inter-
pretation, welche der Abg. Lette ſeinem eigenen Amendement gab, „am aller-
auffallendſten“ (a. a. O. S. 278. 279). In der That auffallend iſt aber, daß
Meier durch dieſe authentiſchen Erklärungen über den Sinn des Art. 11
nicht zu der Ueberzeugung gelangt iſt, daß ſeine eigene Auslegung deſſelben
unrichtig iſt.
3) Ganz unklar und widerſpruchsvoll ſind die Ausführungen von Go-
rius
, indem derſelbe bald die Genehmigung des Reichstages für eine
Suſpenſivbedingung erklärt, durch deren Eintritt der Staatsvertrag Gültigkeit
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[176/0190] §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. und bei der Abſtimmung wurde das Amendement Erxleben abge- lehnt 1). Aus dieſer Verhandlung ergiebt ſich, daß das Amendement des Abg. Lette nicht bezweckte, den Abſchluß der Staatsverträge von einer Genehmigung des Reichstages abhängig zu machen, daß die Staatsverträge vielmehr nur nachträglich dem Reichstage vorgelegt werden ſollten, und daß man einer anderen Auslegung dadurch glaubte vorbeugen zu können, daß man in Bezug auf den Reichstag eine andere Faſſung wählte als in Bezug auf den Bun- desrath. Dieſe Erklärung gab der Abg. Lette in ſeinem Namen und im Namen ſeiner politiſchen Freunde ab, ſie wurde vom Bun- descommiſſar ausdrücklich acceptirt und es wurde ihr im Reichs- tage von keiner Seite ein Widerſpruch entgegengeſetzt. Es fehlt daher der Behauptung, daß der Reichstag und die verbündeten Regierungen trotzdem die entgegengeſetzte Anſicht durch die An- nahme des Amendements Lette haben ſanctioniren wollen, an jeder Begründung 2). Wenn die Genehmigung des Reichstages eine Vorbedingung für den völkerrechtlich gültigen Abſchluß eines Staatsvertrages wäre, wenn er ohne dieſe Genehmigung keine internationale Ver- pflichtung erzeugen könnte und null und nichtig bliebe, ſo könnte die Vorlegung des Vertrages an den Reichstag nicht als „nach- träglich“ bezeichnet werden. Dieſe Ausdrucksweiſe iſt vielmehr nur mit der Auffaſſung vereinbar, daß die Regierung den Vertrag be- reits mit völkerrechtlicher Kraft und Wirkſamkeit abgeſchloſſen habe und hierauf zur Vollziehung deſſelben im Inlande die Genehmi- gung des Reichstages einholt 3). 1) 25. Sitzung des verfaſſungberathenden Reichstages v. 2. April 1867. Stenogr. Berichte S. 518. 519. 2) Meier nennt die Erklärung des Bundeskommiſſars „höchſt auffallend“, die Aeußerung des Abgeordneten Erxleben „noch auffallender“, die Inter- pretation, welche der Abg. Lette ſeinem eigenen Amendement gab, „am aller- auffallendſten“ (a. a. O. S. 278. 279). In der That auffallend iſt aber, daß Meier durch dieſe authentiſchen Erklärungen über den Sinn des Art. 11 nicht zu der Ueberzeugung gelangt iſt, daß ſeine eigene Auslegung deſſelben unrichtig iſt. 3) Ganz unklar und widerſpruchsvoll ſind die Ausführungen von Go- rius, indem derſelbe bald die Genehmigung des Reichstages für eine Suſpenſivbedingung erklärt, durch deren Eintritt der Staatsvertrag Gültigkeit

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/190>, abgerufen am 23.11.2024.