hier beschränken sich die Gesetze meistens auf allgemeine und weit- reichende Ermächtigungen, so daß im einzelnen Falle nach Zweck- mäßigkeits-Rücksichten zu befinden ist, ob und in welcher Art von der gesetzlichen Befugniß Gebrauch gemacht werden soll.
b) Die Form der Verfügung. Die Verfügung ist eine obrigkeitliche Willenserklärung, welche einen Befehl enthält. Dar- aus ergiebt sich ein dreifaches Erforderniß. Sie muß von dem- jenigen ausgehen, dem die Befugniß zusteht, Namens des Staates zu befehlen; sie muß ferner in deutlich erkennbarer und zuver- lässiger Weise enthalten, was der Inhalt des Befehles ist; sie muß endlich demjenigen, dem der Befehl ertheilt wird, gehörig bekannt gemacht werden.
a) Die Verfügung muß von demjenigen erlassen werden, welcher dazu befugt ist; d. h. sie ist nur dann rechtsverbindlich, wenn sie von einer Behörde innerhalb ihrer gesetzlichen Kompetenz ergangen ist. Die Kompetenz der Behörden aber ist sowohl räum- lich als sachlich begränzt und überdies nach der Rangordnung der Behörden abgestuft. Nur in dem hierdurch bestimmten Umfange ist jede Behörde mit dem obrigkeitlichen imperium ausgestattet. Jede Verfügung, welche eine Behörde mit Ueberschreitung der ihr zustehenden Kompetenz erläßt, entbehrt des Grundes, auf welchem ihre Rechtswirkung beruht, nämlich der mit einem gewissen Amte verbundenen Staatsgewalt. Es kann in dem Erlaß einer solchen Verfügung möglicherweise der Thatbestand eines Amtsdelictes ge- geben sein; in keinem Falle aber hat der von einer inkompetenten Behörde ertheilte Befehl verbindliche Kraft und deshalb kann auch die Nichtbefolgung desselben keine Rechtsnachtheile begründen.
b) Die Verfügung muß, wie jede Willenserklärung in deut- licher und zuverlässiger Weise erkennbar machen, worauf der Wille, also in diesem Falle der obrigkeitliche Befehl, gerichtet ist. An sich ist jedes Mittel der Erklärung zulässig, nicht blos die Schrift. Mündliche Verfügungen sind durchaus nicht selten; der Polizei- beamte, welcher eine Versammlung auflöst, welcher einem Händler einen bestimmten Platz am Markte anweist, welcher einen Haus- besitzer zur Reinigung des Straßenpflasters auffordert u. s. w., ertheilt diese Befehle mündlich. Ebenso der Zollbeamte, welcher dem Reisenden die Oeffnung seiner Koffer oder die Bezahlung eines gewissen Zollbetrages anbefiehlt. Selbst durch Zeichen kann
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
hier beſchränken ſich die Geſetze meiſtens auf allgemeine und weit- reichende Ermächtigungen, ſo daß im einzelnen Falle nach Zweck- mäßigkeits-Rückſichten zu befinden iſt, ob und in welcher Art von der geſetzlichen Befugniß Gebrauch gemacht werden ſoll.
b) Die Form der Verfügung. Die Verfügung iſt eine obrigkeitliche Willenserklärung, welche einen Befehl enthält. Dar- aus ergiebt ſich ein dreifaches Erforderniß. Sie muß von dem- jenigen ausgehen, dem die Befugniß zuſteht, Namens des Staates zu befehlen; ſie muß ferner in deutlich erkennbarer und zuver- läſſiger Weiſe enthalten, was der Inhalt des Befehles iſt; ſie muß endlich demjenigen, dem der Befehl ertheilt wird, gehörig bekannt gemacht werden.
α) Die Verfügung muß von demjenigen erlaſſen werden, welcher dazu befugt iſt; d. h. ſie iſt nur dann rechtsverbindlich, wenn ſie von einer Behörde innerhalb ihrer geſetzlichen Kompetenz ergangen iſt. Die Kompetenz der Behörden aber iſt ſowohl räum- lich als ſachlich begränzt und überdies nach der Rangordnung der Behörden abgeſtuft. Nur in dem hierdurch beſtimmten Umfange iſt jede Behörde mit dem obrigkeitlichen imperium ausgeſtattet. Jede Verfügung, welche eine Behörde mit Ueberſchreitung der ihr zuſtehenden Kompetenz erläßt, entbehrt des Grundes, auf welchem ihre Rechtswirkung beruht, nämlich der mit einem gewiſſen Amte verbundenen Staatsgewalt. Es kann in dem Erlaß einer ſolchen Verfügung möglicherweiſe der Thatbeſtand eines Amtsdelictes ge- geben ſein; in keinem Falle aber hat der von einer inkompetenten Behörde ertheilte Befehl verbindliche Kraft und deshalb kann auch die Nichtbefolgung deſſelben keine Rechtsnachtheile begründen.
β) Die Verfügung muß, wie jede Willenserklärung in deut- licher und zuverläſſiger Weiſe erkennbar machen, worauf der Wille, alſo in dieſem Falle der obrigkeitliche Befehl, gerichtet iſt. An ſich iſt jedes Mittel der Erklärung zuläſſig, nicht blos die Schrift. Mündliche Verfügungen ſind durchaus nicht ſelten; der Polizei- beamte, welcher eine Verſammlung auflöſt, welcher einem Händler einen beſtimmten Platz am Markte anweiſt, welcher einen Haus- beſitzer zur Reinigung des Straßenpflaſters auffordert u. ſ. w., ertheilt dieſe Befehle mündlich. Ebenſo der Zollbeamte, welcher dem Reiſenden die Oeffnung ſeiner Koffer oder die Bezahlung eines gewiſſen Zollbetrages anbefiehlt. Selbſt durch Zeichen kann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0234"n="220"/><fwplace="top"type="header">§. 68. Die Formen der Verwaltung.</fw><lb/>
hier beſchränken ſich die Geſetze meiſtens auf allgemeine und weit-<lb/>
reichende Ermächtigungen, ſo daß im einzelnen Falle nach Zweck-<lb/>
mäßigkeits-Rückſichten zu befinden iſt, ob und in welcher Art von<lb/>
der geſetzlichen Befugniß Gebrauch gemacht werden ſoll.</p><lb/><p><hirendition="#aq">b</hi>) <hirendition="#g">Die Form der Verfügung</hi>. Die Verfügung iſt eine<lb/>
obrigkeitliche Willenserklärung, welche einen Befehl enthält. Dar-<lb/>
aus ergiebt ſich ein dreifaches Erforderniß. Sie muß von dem-<lb/>
jenigen ausgehen, dem die Befugniß zuſteht, Namens des Staates<lb/>
zu befehlen; ſie muß ferner in deutlich erkennbarer und zuver-<lb/>
läſſiger Weiſe enthalten, was der Inhalt des Befehles iſt; ſie<lb/>
muß endlich demjenigen, dem der Befehl ertheilt wird, gehörig<lb/>
bekannt gemacht werden.</p><lb/><p>α) Die Verfügung muß von demjenigen erlaſſen werden,<lb/>
welcher dazu befugt iſt; d. h. ſie iſt nur dann rechtsverbindlich,<lb/>
wenn ſie von einer Behörde innerhalb ihrer geſetzlichen Kompetenz<lb/>
ergangen iſt. Die Kompetenz der Behörden aber iſt ſowohl räum-<lb/>
lich als ſachlich begränzt und überdies nach der Rangordnung der<lb/>
Behörden abgeſtuft. Nur in dem hierdurch beſtimmten Umfange<lb/>
iſt jede Behörde mit dem obrigkeitlichen <hirendition="#aq">imperium</hi> ausgeſtattet.<lb/>
Jede Verfügung, welche eine Behörde mit Ueberſchreitung der ihr<lb/>
zuſtehenden Kompetenz erläßt, entbehrt des Grundes, auf welchem<lb/>
ihre Rechtswirkung beruht, nämlich der mit einem gewiſſen Amte<lb/>
verbundenen Staatsgewalt. Es kann in dem Erlaß einer ſolchen<lb/>
Verfügung möglicherweiſe der Thatbeſtand eines Amtsdelictes ge-<lb/>
geben ſein; in keinem Falle aber hat der von einer inkompetenten<lb/>
Behörde ertheilte Befehl verbindliche Kraft und deshalb kann<lb/>
auch die Nichtbefolgung deſſelben keine Rechtsnachtheile begründen.</p><lb/><p>β) Die Verfügung muß, wie jede Willenserklärung in deut-<lb/>
licher und zuverläſſiger Weiſe erkennbar machen, worauf der Wille,<lb/>
alſo in dieſem Falle der obrigkeitliche Befehl, gerichtet iſt. An<lb/>ſich iſt jedes Mittel der Erklärung zuläſſig, nicht blos die Schrift.<lb/>
Mündliche Verfügungen ſind durchaus nicht ſelten; der Polizei-<lb/>
beamte, welcher eine Verſammlung auflöſt, welcher einem Händler<lb/>
einen beſtimmten Platz am Markte anweiſt, welcher einen Haus-<lb/>
beſitzer zur Reinigung des Straßenpflaſters auffordert u. ſ. w.,<lb/>
ertheilt dieſe Befehle mündlich. Ebenſo der Zollbeamte, welcher<lb/>
dem Reiſenden die Oeffnung ſeiner Koffer oder die Bezahlung<lb/>
eines gewiſſen Zollbetrages anbefiehlt. Selbſt durch Zeichen kann<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[220/0234]
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
hier beſchränken ſich die Geſetze meiſtens auf allgemeine und weit-
reichende Ermächtigungen, ſo daß im einzelnen Falle nach Zweck-
mäßigkeits-Rückſichten zu befinden iſt, ob und in welcher Art von
der geſetzlichen Befugniß Gebrauch gemacht werden ſoll.
b) Die Form der Verfügung. Die Verfügung iſt eine
obrigkeitliche Willenserklärung, welche einen Befehl enthält. Dar-
aus ergiebt ſich ein dreifaches Erforderniß. Sie muß von dem-
jenigen ausgehen, dem die Befugniß zuſteht, Namens des Staates
zu befehlen; ſie muß ferner in deutlich erkennbarer und zuver-
läſſiger Weiſe enthalten, was der Inhalt des Befehles iſt; ſie
muß endlich demjenigen, dem der Befehl ertheilt wird, gehörig
bekannt gemacht werden.
α) Die Verfügung muß von demjenigen erlaſſen werden,
welcher dazu befugt iſt; d. h. ſie iſt nur dann rechtsverbindlich,
wenn ſie von einer Behörde innerhalb ihrer geſetzlichen Kompetenz
ergangen iſt. Die Kompetenz der Behörden aber iſt ſowohl räum-
lich als ſachlich begränzt und überdies nach der Rangordnung der
Behörden abgeſtuft. Nur in dem hierdurch beſtimmten Umfange
iſt jede Behörde mit dem obrigkeitlichen imperium ausgeſtattet.
Jede Verfügung, welche eine Behörde mit Ueberſchreitung der ihr
zuſtehenden Kompetenz erläßt, entbehrt des Grundes, auf welchem
ihre Rechtswirkung beruht, nämlich der mit einem gewiſſen Amte
verbundenen Staatsgewalt. Es kann in dem Erlaß einer ſolchen
Verfügung möglicherweiſe der Thatbeſtand eines Amtsdelictes ge-
geben ſein; in keinem Falle aber hat der von einer inkompetenten
Behörde ertheilte Befehl verbindliche Kraft und deshalb kann
auch die Nichtbefolgung deſſelben keine Rechtsnachtheile begründen.
β) Die Verfügung muß, wie jede Willenserklärung in deut-
licher und zuverläſſiger Weiſe erkennbar machen, worauf der Wille,
alſo in dieſem Falle der obrigkeitliche Befehl, gerichtet iſt. An
ſich iſt jedes Mittel der Erklärung zuläſſig, nicht blos die Schrift.
Mündliche Verfügungen ſind durchaus nicht ſelten; der Polizei-
beamte, welcher eine Verſammlung auflöſt, welcher einem Händler
einen beſtimmten Platz am Markte anweiſt, welcher einen Haus-
beſitzer zur Reinigung des Straßenpflaſters auffordert u. ſ. w.,
ertheilt dieſe Befehle mündlich. Ebenſo der Zollbeamte, welcher
dem Reiſenden die Oeffnung ſeiner Koffer oder die Bezahlung
eines gewiſſen Zollbetrages anbefiehlt. Selbſt durch Zeichen kann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/234>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.