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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder ent-
stellte Thatsachen berichtet 1).

Für die Gesandten und anderen Missionschefs ist der Reichs-
kanzler oder der ihn vertretende Staatssekretair im Auswärtigen
Amte der "Vorgesetzte", für das übrige Gesandtschafts-Personal
ist der Missionschef der unmittelbare Vorgesetzte 2).

Nicht jeder Ungehorsam eines im Gesandtschafts-Dienste an-
gestellten Beamten fällt unter diese Strafsatzung 3), sondern nur
die "vorsätzliche Zuwiderhandlung". Von dem Thatbestande des
Landesverrathes aber unterscheidet sich das im §. 353 a normirte
Vergehen dadurch, daß bei dem Landesverrath die Absicht erfor-
derlich ist, das Wohl des Deutschen Reiches zu gefährden oder
ein Staatsgeschäft zum Nachtheil des Reiches zu führen (R.-St.-
G.-B. §. 92), während der §. 353 a nur den Vorsatz verlangt,
dem amtlichen Befehle des Vorgesetzten zuwider zu handeln, mag
dies auch vielleicht in der Meinung geschehen, das Wohl des Rei-
ches dadurch zu fördern. Der §. 353 a sichert den "diplomatischen
Gehorsam" in einer ähnlichen, wenngleich weniger strengen Art,
wie die Anordnungen des Militair-Strafgesetzbuches den militäri-
schen Gehorsam sichern.

3. Leitung der Thätigkeit.

Die oberste Leitung des gesammten diplomatischen Dienstes
der Gesandtschaften steht dem Kaiser ganz selbstständig zu. Man
kann dieses Recht des Kaisers als den diplomatischen Oberbefehl
dem ihm gebührenden militairischen Oberbefehl an die Seite stellen.
Beide sind durch Gesetze nicht geregelt, sondern nach seinem per-
sönlichen Ermessen zu handhaben.

a) Dem Bundesrath steht keinerlei Mitwirkung zu, weder
bei der Ernennung und Abberufung von Gesandten noch bei der
Ertheilung von Instruktionen an dieselben. Namentlich hat der

1) Reichs-Strafgesetzb. §. 353 a Abs. 2 (Nov. vom 26. Febr. 1876). Vgl.
hierzu Meves in Holtzendorff's Handb. d. D. Strafr. IV. S. 346 ff.
2) Vgl. auch R.-G.-Bl. v. 1874 S. 138. III. A. S. 141. Die Behaup-
tung von Oppenhoff, Strafgesetzbuch (5. Ausg. 1876) Note 2 zu §. 353 a,
daß unter dem Vorgesetzten nur der Chef des Auswärtigen Amtes zu verstehen
sei, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und ist durch Nichts begründet.
3) wie dies in dem ursprünglichen Regierungs-Entwurf vorgeschlagen
worden war (Drucks. des Reichstages 1875/76 Nro. 54).

§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
amtlichen Handlungen irre zu leiten, demſelben erdichtete oder ent-
ſtellte Thatſachen berichtet 1).

Für die Geſandten und anderen Miſſionschefs iſt der Reichs-
kanzler oder der ihn vertretende Staatsſekretair im Auswärtigen
Amte der „Vorgeſetzte“, für das übrige Geſandtſchafts-Perſonal
iſt der Miſſionschef der unmittelbare Vorgeſetzte 2).

Nicht jeder Ungehorſam eines im Geſandtſchafts-Dienſte an-
geſtellten Beamten fällt unter dieſe Strafſatzung 3), ſondern nur
die „vorſätzliche Zuwiderhandlung“. Von dem Thatbeſtande des
Landesverrathes aber unterſcheidet ſich das im §. 353 a normirte
Vergehen dadurch, daß bei dem Landesverrath die Abſicht erfor-
derlich iſt, das Wohl des Deutſchen Reiches zu gefährden oder
ein Staatsgeſchäft zum Nachtheil des Reiches zu führen (R.-St.-
G.-B. §. 92), während der §. 353 a nur den Vorſatz verlangt,
dem amtlichen Befehle des Vorgeſetzten zuwider zu handeln, mag
dies auch vielleicht in der Meinung geſchehen, das Wohl des Rei-
ches dadurch zu fördern. Der §. 353 a ſichert den „diplomatiſchen
Gehorſam“ in einer ähnlichen, wenngleich weniger ſtrengen Art,
wie die Anordnungen des Militair-Strafgeſetzbuches den militäri-
ſchen Gehorſam ſichern.

3. Leitung der Thätigkeit.

Die oberſte Leitung des geſammten diplomatiſchen Dienſtes
der Geſandtſchaften ſteht dem Kaiſer ganz ſelbſtſtändig zu. Man
kann dieſes Recht des Kaiſers als den diplomatiſchen Oberbefehl
dem ihm gebührenden militairiſchen Oberbefehl an die Seite ſtellen.
Beide ſind durch Geſetze nicht geregelt, ſondern nach ſeinem per-
ſönlichen Ermeſſen zu handhaben.

a) Dem Bundesrath ſteht keinerlei Mitwirkung zu, weder
bei der Ernennung und Abberufung von Geſandten noch bei der
Ertheilung von Inſtruktionen an dieſelben. Namentlich hat der

1) Reichs-Strafgeſetzb. §. 353 a Abſ. 2 (Nov. vom 26. Febr. 1876). Vgl.
hierzu Meves in Holtzendorff’s Handb. d. D. Strafr. IV. S. 346 ff.
2) Vgl. auch R.-G.-Bl. v. 1874 S. 138. III. A. S. 141. Die Behaup-
tung von Oppenhoff, Strafgeſetzbuch (5. Ausg. 1876) Note 2 zu §. 353 a,
daß unter dem Vorgeſetzten nur der Chef des Auswärtigen Amtes zu verſtehen
ſei, widerſpricht dem Wortlaut des Geſetzes und iſt durch Nichts begründet.
3) wie dies in dem urſprünglichen Regierungs-Entwurf vorgeſchlagen
worden war (Druckſ. des Reichstages 1875/76 Nro. 54).
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[247/0261] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. amtlichen Handlungen irre zu leiten, demſelben erdichtete oder ent- ſtellte Thatſachen berichtet 1). Für die Geſandten und anderen Miſſionschefs iſt der Reichs- kanzler oder der ihn vertretende Staatsſekretair im Auswärtigen Amte der „Vorgeſetzte“, für das übrige Geſandtſchafts-Perſonal iſt der Miſſionschef der unmittelbare Vorgeſetzte 2). Nicht jeder Ungehorſam eines im Geſandtſchafts-Dienſte an- geſtellten Beamten fällt unter dieſe Strafſatzung 3), ſondern nur die „vorſätzliche Zuwiderhandlung“. Von dem Thatbeſtande des Landesverrathes aber unterſcheidet ſich das im §. 353 a normirte Vergehen dadurch, daß bei dem Landesverrath die Abſicht erfor- derlich iſt, das Wohl des Deutſchen Reiches zu gefährden oder ein Staatsgeſchäft zum Nachtheil des Reiches zu führen (R.-St.- G.-B. §. 92), während der §. 353 a nur den Vorſatz verlangt, dem amtlichen Befehle des Vorgeſetzten zuwider zu handeln, mag dies auch vielleicht in der Meinung geſchehen, das Wohl des Rei- ches dadurch zu fördern. Der §. 353 a ſichert den „diplomatiſchen Gehorſam“ in einer ähnlichen, wenngleich weniger ſtrengen Art, wie die Anordnungen des Militair-Strafgeſetzbuches den militäri- ſchen Gehorſam ſichern. 3. Leitung der Thätigkeit. Die oberſte Leitung des geſammten diplomatiſchen Dienſtes der Geſandtſchaften ſteht dem Kaiſer ganz ſelbſtſtändig zu. Man kann dieſes Recht des Kaiſers als den diplomatiſchen Oberbefehl dem ihm gebührenden militairiſchen Oberbefehl an die Seite ſtellen. Beide ſind durch Geſetze nicht geregelt, ſondern nach ſeinem per- ſönlichen Ermeſſen zu handhaben. a) Dem Bundesrath ſteht keinerlei Mitwirkung zu, weder bei der Ernennung und Abberufung von Geſandten noch bei der Ertheilung von Inſtruktionen an dieſelben. Namentlich hat der 1) Reichs-Strafgeſetzb. §. 353 a Abſ. 2 (Nov. vom 26. Febr. 1876). Vgl. hierzu Meves in Holtzendorff’s Handb. d. D. Strafr. IV. S. 346 ff. 2) Vgl. auch R.-G.-Bl. v. 1874 S. 138. III. A. S. 141. Die Behaup- tung von Oppenhoff, Strafgeſetzbuch (5. Ausg. 1876) Note 2 zu §. 353 a, daß unter dem Vorgeſetzten nur der Chef des Auswärtigen Amtes zu verſtehen ſei, widerſpricht dem Wortlaut des Geſetzes und iſt durch Nichts begründet. 3) wie dies in dem urſprünglichen Regierungs-Entwurf vorgeſchlagen worden war (Druckſ. des Reichstages 1875/76 Nro. 54).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/261>, abgerufen am 27.11.2024.