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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.

Die obrigkeitlichen Rechte der Konsuln lassen sich unter fol-
gende Kategorien bringen:

a) Befugnisse der Standes-Beamten.

Der Reichskanzler kann einem Konsul des Deutschen Reiches
für dessen Amtsbezirk die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme
von Eheschließungen und zur Beurkundung der Geburten, Heirathen
und Sterbefälle von Reichsangehörigen und Schutzgenossen erthei-
len 1). Die Rechtsvorschriften über die Ausübung dieser Befug-
nisse sind in dem Ges. v. 4. Mai 1870 enthalten; sie übertragen
dem Konsul dieselben amtlichen Rechte und Pflichten, wie sie inner-
halb des Bundesgebietes den Standesbeamten durch das Gesetz
v. 6. Februar 1875 zugewiesen sind 2). Jedoch sind die Konsuln
befugt für die von ihnen bewirkten Einträge und ertheilten Ur-
kunden Gebühren zu erheben 3), während die Standesregister im
Reichsgebiet kostenfrei geführt werden 4). In strafrechtlicher Hin-
sicht ferner besteht ein eigenthümlicher Unterschied. §. 69 des Ges.
v. 6. Febr. 1875, welcher Standesbeamte mit Geldstrafe bis zu
600 Mark bedroht, wenn sie unter Außerachtlassung der in diesem
Gesetze gegebenen Vorschriften eine Eheschließung vollziehen, ist auf
Konsuln und diplomatische Vertreter nicht anwendbar, da §. 85
Abs. 1 erklärt, daß durch dieses Gesetz die Bestimmungen des Ge-
setzes vom 4. Mai 1870 nicht berührt werden, das letztere Gesetz
aber eine Strafbestimmung nicht enthält. Konsuln und Gesandte,
welche unter Verletzung der in den §§. 3 ff. des Ges. v. 4. Mai

das Reichskonsulatsgesetz die staatsrechtliche Norm für die Befugnisse und
Pflichten der Konsuln bildet. Vgl. König S. 27.
1) Konsulatsges. §. 13. Reichsges. v. 4. Mai 1870 §. 1. Ges. v. 6. Febr.
1875 §. 85. Dieselbe Ermächtigung kann auch einem diplomatischen Ver-
treter (Gesandten) für das ganze Gebiet des Staates, bei dessen Hofe oder
Regierung derselbe beglaubigt ist, ertheilt werden. Die Befugniß zur Vor-
nahme von Eheschließungen greift auch dann Platz, wenn nur einer der beiden
Verlobten ein Reichsangehöriger oder Schutzgenosse ist. Ges. v. 4. Mai 1870
§. 10. Ges. v. 6. Febr. 1875 §. 85 Abs. 2. -- Ueber den Begriff der Schutz-
genossen siehe unten.
2) Zu dem Gesetze vom 4. Mai 1870 hat der Reichskanzler eine Instruk-
tion v. 1. März 1871 erlassen. Dieselbe ist gedruckt bei Hänel u. Lesse
S. 93 ff. und bei König, Handbuch S. 513.
3) Ges. v. 4. Mai 1870 §. 14. Ges. v. 1. Juli 1872 Tarif Nro. 4. 14.
17. 31 (R.-G.-Bl. S. 245).
4) Ges. v. 6. Febr. 1875 §. 16.
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.

Die obrigkeitlichen Rechte der Konſuln laſſen ſich unter fol-
gende Kategorien bringen:

a) Befugniſſe der Standes-Beamten.

Der Reichskanzler kann einem Konſul des Deutſchen Reiches
für deſſen Amtsbezirk die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme
von Eheſchließungen und zur Beurkundung der Geburten, Heirathen
und Sterbefälle von Reichsangehörigen und Schutzgenoſſen erthei-
len 1). Die Rechtsvorſchriften über die Ausübung dieſer Befug-
niſſe ſind in dem Geſ. v. 4. Mai 1870 enthalten; ſie übertragen
dem Konſul dieſelben amtlichen Rechte und Pflichten, wie ſie inner-
halb des Bundesgebietes den Standesbeamten durch das Geſetz
v. 6. Februar 1875 zugewieſen ſind 2). Jedoch ſind die Konſuln
befugt für die von ihnen bewirkten Einträge und ertheilten Ur-
kunden Gebühren zu erheben 3), während die Standesregiſter im
Reichsgebiet koſtenfrei geführt werden 4). In ſtrafrechtlicher Hin-
ſicht ferner beſteht ein eigenthümlicher Unterſchied. §. 69 des Geſ.
v. 6. Febr. 1875, welcher Standesbeamte mit Geldſtrafe bis zu
600 Mark bedroht, wenn ſie unter Außerachtlaſſung der in dieſem
Geſetze gegebenen Vorſchriften eine Eheſchließung vollziehen, iſt auf
Konſuln und diplomatiſche Vertreter nicht anwendbar, da §. 85
Abſ. 1 erklärt, daß durch dieſes Geſetz die Beſtimmungen des Ge-
ſetzes vom 4. Mai 1870 nicht berührt werden, das letztere Geſetz
aber eine Strafbeſtimmung nicht enthält. Konſuln und Geſandte,
welche unter Verletzung der in den §§. 3 ff. des Geſ. v. 4. Mai

das Reichskonſulatsgeſetz die ſtaatsrechtliche Norm für die Befugniſſe und
Pflichten der Konſuln bildet. Vgl. König S. 27.
1) Konſulatsgeſ. §. 13. Reichsgeſ. v. 4. Mai 1870 §. 1. Geſ. v. 6. Febr.
1875 §. 85. Dieſelbe Ermächtigung kann auch einem diplomatiſchen Ver-
treter (Geſandten) für das ganze Gebiet des Staates, bei deſſen Hofe oder
Regierung derſelbe beglaubigt iſt, ertheilt werden. Die Befugniß zur Vor-
nahme von Eheſchließungen greift auch dann Platz, wenn nur einer der beiden
Verlobten ein Reichsangehöriger oder Schutzgenoſſe iſt. Geſ. v. 4. Mai 1870
§. 10. Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 85 Abſ. 2. — Ueber den Begriff der Schutz-
genoſſen ſiehe unten.
2) Zu dem Geſetze vom 4. Mai 1870 hat der Reichskanzler eine Inſtruk-
tion v. 1. März 1871 erlaſſen. Dieſelbe iſt gedruckt bei Hänel u. Leſſe
S. 93 ff. und bei König, Handbuch S. 513.
3) Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 14. Geſ. v. 1. Juli 1872 Tarif Nro. 4. 14.
17. 31 (R.-G.-Bl. S. 245).
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[254/0268] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. Die obrigkeitlichen Rechte der Konſuln laſſen ſich unter fol- gende Kategorien bringen: a) Befugniſſe der Standes-Beamten. Der Reichskanzler kann einem Konſul des Deutſchen Reiches für deſſen Amtsbezirk die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme von Eheſchließungen und zur Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle von Reichsangehörigen und Schutzgenoſſen erthei- len 1). Die Rechtsvorſchriften über die Ausübung dieſer Befug- niſſe ſind in dem Geſ. v. 4. Mai 1870 enthalten; ſie übertragen dem Konſul dieſelben amtlichen Rechte und Pflichten, wie ſie inner- halb des Bundesgebietes den Standesbeamten durch das Geſetz v. 6. Februar 1875 zugewieſen ſind 2). Jedoch ſind die Konſuln befugt für die von ihnen bewirkten Einträge und ertheilten Ur- kunden Gebühren zu erheben 3), während die Standesregiſter im Reichsgebiet koſtenfrei geführt werden 4). In ſtrafrechtlicher Hin- ſicht ferner beſteht ein eigenthümlicher Unterſchied. §. 69 des Geſ. v. 6. Febr. 1875, welcher Standesbeamte mit Geldſtrafe bis zu 600 Mark bedroht, wenn ſie unter Außerachtlaſſung der in dieſem Geſetze gegebenen Vorſchriften eine Eheſchließung vollziehen, iſt auf Konſuln und diplomatiſche Vertreter nicht anwendbar, da §. 85 Abſ. 1 erklärt, daß durch dieſes Geſetz die Beſtimmungen des Ge- ſetzes vom 4. Mai 1870 nicht berührt werden, das letztere Geſetz aber eine Strafbeſtimmung nicht enthält. Konſuln und Geſandte, welche unter Verletzung der in den §§. 3 ff. des Geſ. v. 4. Mai 2) 1) Konſulatsgeſ. §. 13. Reichsgeſ. v. 4. Mai 1870 §. 1. Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 85. Dieſelbe Ermächtigung kann auch einem diplomatiſchen Ver- treter (Geſandten) für das ganze Gebiet des Staates, bei deſſen Hofe oder Regierung derſelbe beglaubigt iſt, ertheilt werden. Die Befugniß zur Vor- nahme von Eheſchließungen greift auch dann Platz, wenn nur einer der beiden Verlobten ein Reichsangehöriger oder Schutzgenoſſe iſt. Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 10. Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 85 Abſ. 2. — Ueber den Begriff der Schutz- genoſſen ſiehe unten. 2) Zu dem Geſetze vom 4. Mai 1870 hat der Reichskanzler eine Inſtruk- tion v. 1. März 1871 erlaſſen. Dieſelbe iſt gedruckt bei Hänel u. Leſſe S. 93 ff. und bei König, Handbuch S. 513. 3) Geſ. v. 4. Mai 1870 §. 14. Geſ. v. 1. Juli 1872 Tarif Nro. 4. 14. 17. 31 (R.-G.-Bl. S. 245). 4) Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 16. 2) das Reichskonſulatsgeſetz die ſtaatsrechtliche Norm für die Befugniſſe und Pflichten der Konſuln bildet. Vgl. König S. 27.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/268>, abgerufen am 26.11.2024.