Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. 1870 enthaltenen Vorschriften Eheschließungen vornehmen, könnendaher strafrechtlich nicht verfolgt werden, falls nicht der Thatbe- stand des §. 348. 349 des R.-St.-G.-B.'s vorliegt. Auch §. 338 des St.-G.-B.'s, welcher einen "Personenstandsbeamten" mit Zucht- haus bis zu 5 Jahren bedroht, wenn er wissend, daß eine Person verheirathet ist, eine neue Ehe derselben schließt, ist auf Konsuln und diplomatische Vertreter, denen vom Reichskanzler die Ermäch- tigung zur Vornahme von Eheschließungen ertheilt ist, anwendbar, da sie unter die Kategorie von "Personenstandsbeamten" fallen 1). Die Ausübung dieses Hoheitsrechtes setzt voraus, daß der 1) Daß die Handlung im Auslande begangen und der Thäter -- wenn er Wahlkonsul ist -- möglicher Weise kein Reichsangehöriger ist, schließt seit der Novelle zum St.-G.-B. v. 26. Febr. 1876 die Strafverfolgung nicht aus, da nach §. 4 Ziff. 1 die im Auslande von Reichsbeamten verübten Ver- brechen und Vergehen im Amte verfolgt werden können. 2) Vgl. v. Bar, Internat. Privat- und Strafrecht S. 324 fg. Esper- son II. Nro. 207 S. 127 fg. Hinschius, Kommentar (2. Aufl.) S. 158. 3) Das Deutsche Reich selbst hat diesen Grundsatz im §. 41 des Ges. v. 6. Febr. 1875 sanctionirt: "Innerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches kann eine Ehe rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden". Vgl. auch Hinschius a. a. O. S. 477 a. E. Eine Ausnahme ist indessen durch einige Konsular-Verträge geschaffen. Siehe unten S. 256 Note 1. 4) Auch das Deutsche Recht läßt keine solche Ausnahme zu. Gesetz vom
6. Febr. 1875 §, 17. 56. §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. 1870 enthaltenen Vorſchriften Eheſchließungen vornehmen, könnendaher ſtrafrechtlich nicht verfolgt werden, falls nicht der Thatbe- ſtand des §. 348. 349 des R.-St.-G.-B.’s vorliegt. Auch §. 338 des St.-G.-B.’s, welcher einen „Perſonenſtandsbeamten“ mit Zucht- haus bis zu 5 Jahren bedroht, wenn er wiſſend, daß eine Perſon verheirathet iſt, eine neue Ehe derſelben ſchließt, iſt auf Konſuln und diplomatiſche Vertreter, denen vom Reichskanzler die Ermäch- tigung zur Vornahme von Eheſchließungen ertheilt iſt, anwendbar, da ſie unter die Kategorie von „Perſonenſtandsbeamten“ fallen 1). Die Ausübung dieſes Hoheitsrechtes ſetzt voraus, daß der 1) Daß die Handlung im Auslande begangen und der Thäter — wenn er Wahlkonſul iſt — möglicher Weiſe kein Reichsangehöriger iſt, ſchließt ſeit der Novelle zum St.-G.-B. v. 26. Febr. 1876 die Strafverfolgung nicht aus, da nach §. 4 Ziff. 1 die im Auslande von Reichsbeamten verübten Ver- brechen und Vergehen im Amte verfolgt werden können. 2) Vgl. v. Bar, Internat. Privat- und Strafrecht S. 324 fg. Esper- son II. Nro. 207 S. 127 fg. Hinſchius, Kommentar (2. Aufl.) S. 158. 3) Das Deutſche Reich ſelbſt hat dieſen Grundſatz im §. 41 des Geſ. v. 6. Febr. 1875 ſanctionirt: „Innerhalb des Gebietes des Deutſchen Reiches kann eine Ehe rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geſchloſſen werden“. Vgl. auch Hinſchius a. a. O. S. 477 a. E. Eine Ausnahme iſt indeſſen durch einige Konſular-Verträge geſchaffen. Siehe unten S. 256 Note 1. 4) Auch das Deutſche Recht läßt keine ſolche Ausnahme zu. Geſetz vom
6. Febr. 1875 §, 17. 56. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0269" n="255"/><fw place="top" type="header">§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.</fw><lb/> 1870 enthaltenen Vorſchriften Eheſchließungen vornehmen, können<lb/> daher ſtrafrechtlich nicht verfolgt werden, falls nicht der Thatbe-<lb/> ſtand des §. 348. 349 des R.-St.-G.-B.’s vorliegt. Auch §. 338<lb/> des St.-G.-B.’s, welcher einen „Perſonenſtandsbeamten“ mit Zucht-<lb/> haus bis zu 5 Jahren bedroht, wenn er wiſſend, daß eine Perſon<lb/> verheirathet iſt, eine neue Ehe derſelben ſchließt, iſt auf Konſuln<lb/> und diplomatiſche Vertreter, denen vom Reichskanzler die Ermäch-<lb/> tigung zur Vornahme von Eheſchließungen ertheilt iſt, anwendbar,<lb/> da ſie unter die Kategorie von „Perſonenſtandsbeamten“ fallen <note place="foot" n="1)">Daß die Handlung im Auslande begangen und der Thäter — wenn<lb/> er Wahlkonſul iſt — möglicher Weiſe kein Reichsangehöriger iſt, ſchließt ſeit<lb/> der Novelle zum St.-G.-B. v. 26. Febr. 1876 die Strafverfolgung nicht aus,<lb/> da nach §. 4 Ziff. 1 die im Auslande von <hi rendition="#g">Reichsbeamten</hi> verübten Ver-<lb/> brechen und Vergehen <hi rendition="#g">im Amte</hi> verfolgt werden können.</note>.</p><lb/> <p>Die Ausübung dieſes Hoheitsrechtes ſetzt voraus, daß der<lb/> Staat, in deſſen Gebiet der Konſul ſeinen Amtsbezirk hat, die<lb/> Vornahme von Eheſchließungen und die Beurkundung des Per-<lb/> ſonenſtandes durch Vertreter auswärtiger Staaten überhaupt <hi rendition="#g">dul-<lb/> det</hi>. Denn der Grundſatz <hi rendition="#aq">locus regit actum</hi> findet auch auf die<lb/> Eheſchließung Anwendung <note place="foot" n="2)">Vgl. v. <hi rendition="#g">Bar</hi>, Internat. Privat- und Strafrecht S. 324 fg. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Esper-<lb/> son</hi> II.</hi> Nro. 207 S. 127 fg. <hi rendition="#g">Hinſchius</hi>, Kommentar (2. Aufl.) S. 158.</note>. Wenn ein Staat für <hi rendition="#g">alle</hi> inner-<lb/> halb ſeines Gebietes zu ſchließenden Ehen, gleichviel ob die Ver-<lb/> lobten Staats-Angehörige oder Ausländer ſind, eine beſtimmte<lb/> Form der Eheſchließung obligatoriſch vorſchreibt, ſo kann das Ge-<lb/> ſetz eines anderen Staates daran Nichts ändern <note place="foot" n="3)">Das Deutſche Reich ſelbſt hat dieſen Grundſatz im §. 41 des Geſ. v.<lb/> 6. Febr. 1875 ſanctionirt: „<hi rendition="#g">Innerhalb des Gebietes des Deutſchen<lb/> Reiches</hi> kann eine Ehe rechtsgültig <hi rendition="#g">nur</hi> vor dem Standesbeamten geſchloſſen<lb/> werden“. Vgl. auch <hi rendition="#g">Hinſchius</hi> a. a. O. S. 477 a. E. Eine Ausnahme<lb/> iſt indeſſen durch einige Konſular-Verträge geſchaffen. Siehe unten S. 256<lb/> Note 1.</note>. Ebenſowenig<lb/> kann die Anmeldung einer Geburt oder eines Sterbefalles bei dem<lb/> Geſandten oder Konſul des Deutſchen Reiches von der landesge-<lb/> ſetzlich vorgeſchriebenen Pflicht, den Fall bei dem Standesbeamten<lb/> des Bezirks anzuzeigen, Jemanden befreien <note place="foot" n="4)">Auch das Deutſche Recht läßt keine ſolche Ausnahme zu. Geſetz vom<lb/> 6. Febr. 1875 §, 17. 56.</note>. Die gleichzeitige<lb/> Ausübung der Standesamts-Funktionen ſowohl durch die territo-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0269]
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
1870 enthaltenen Vorſchriften Eheſchließungen vornehmen, können
daher ſtrafrechtlich nicht verfolgt werden, falls nicht der Thatbe-
ſtand des §. 348. 349 des R.-St.-G.-B.’s vorliegt. Auch §. 338
des St.-G.-B.’s, welcher einen „Perſonenſtandsbeamten“ mit Zucht-
haus bis zu 5 Jahren bedroht, wenn er wiſſend, daß eine Perſon
verheirathet iſt, eine neue Ehe derſelben ſchließt, iſt auf Konſuln
und diplomatiſche Vertreter, denen vom Reichskanzler die Ermäch-
tigung zur Vornahme von Eheſchließungen ertheilt iſt, anwendbar,
da ſie unter die Kategorie von „Perſonenſtandsbeamten“ fallen 1).
Die Ausübung dieſes Hoheitsrechtes ſetzt voraus, daß der
Staat, in deſſen Gebiet der Konſul ſeinen Amtsbezirk hat, die
Vornahme von Eheſchließungen und die Beurkundung des Per-
ſonenſtandes durch Vertreter auswärtiger Staaten überhaupt dul-
det. Denn der Grundſatz locus regit actum findet auch auf die
Eheſchließung Anwendung 2). Wenn ein Staat für alle inner-
halb ſeines Gebietes zu ſchließenden Ehen, gleichviel ob die Ver-
lobten Staats-Angehörige oder Ausländer ſind, eine beſtimmte
Form der Eheſchließung obligatoriſch vorſchreibt, ſo kann das Ge-
ſetz eines anderen Staates daran Nichts ändern 3). Ebenſowenig
kann die Anmeldung einer Geburt oder eines Sterbefalles bei dem
Geſandten oder Konſul des Deutſchen Reiches von der landesge-
ſetzlich vorgeſchriebenen Pflicht, den Fall bei dem Standesbeamten
des Bezirks anzuzeigen, Jemanden befreien 4). Die gleichzeitige
Ausübung der Standesamts-Funktionen ſowohl durch die territo-
1) Daß die Handlung im Auslande begangen und der Thäter — wenn
er Wahlkonſul iſt — möglicher Weiſe kein Reichsangehöriger iſt, ſchließt ſeit
der Novelle zum St.-G.-B. v. 26. Febr. 1876 die Strafverfolgung nicht aus,
da nach §. 4 Ziff. 1 die im Auslande von Reichsbeamten verübten Ver-
brechen und Vergehen im Amte verfolgt werden können.
2) Vgl. v. Bar, Internat. Privat- und Strafrecht S. 324 fg. Esper-
son II. Nro. 207 S. 127 fg. Hinſchius, Kommentar (2. Aufl.) S. 158.
3) Das Deutſche Reich ſelbſt hat dieſen Grundſatz im §. 41 des Geſ. v.
6. Febr. 1875 ſanctionirt: „Innerhalb des Gebietes des Deutſchen
Reiches kann eine Ehe rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geſchloſſen
werden“. Vgl. auch Hinſchius a. a. O. S. 477 a. E. Eine Ausnahme
iſt indeſſen durch einige Konſular-Verträge geſchaffen. Siehe unten S. 256
Note 1.
4) Auch das Deutſche Recht läßt keine ſolche Ausnahme zu. Geſetz vom
6. Febr. 1875 §, 17. 56.
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