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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 72. Die Verwaltung des Eisenbahnwesens.
wesens vorzüglich interessirt sind, einen so lebhaften Widerspruch,
daß vorläufig davon Abstand genommen werden mußte, ihn die
Stadien des Gesetzgebungsweges durchlaufen zu lassen, und die
weitere Entwicklung der Angelegenheit zur Zeit in völliger Unge-
wißheit schwebt 1).

Gegenwärtig befinden sich die Einzelstaaten noch fast in der
ausschließlichen Ausübung der auf das Eisenbahnwesen bezüglichen
Hoheitsrechte und wenngleich die Reichsverfassung im Art. 4 Z. 8
das Eisenbahnwesen unter den der Beaufsichtigung und Gesetzge-
bung des Reiches unterstellten Angelegenheiten aufzählt und im VII.
Abschnitt eine Anzahl höchst wichtiger Grundsätze über die Herstel-
lung einer einheitlichen Ordnung des Eisenbahnwesens im Reichs-
gebiete Anerkennung gefunden hat, so sind doch die Gesetze selbst,
nach welchen die Beaufsichtigung geführt und diese einheitliche Ord-
nung verwirklicht werden soll, vom Reiche noch nicht erlassen 2). In
Folge dessen ist in dem jetzigen Stadium das Eisenbahn-Verwal-
tungsrecht, d. h. der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, welche über
die staatlichen Hoheitsrechte an Eisenbahnen bestehen, seiner
überwiegenden Masse nach ein Theil des Landesstaatsrechts. Die
Reichsgesetze enthalten vorläufig in dieser Materie nur fragmen-
tarische und zusammenhangslose Sätze, welche zu einer umfassenden
und wissenschaftlich abgeschlossenen Erörterung ungeeignet sind.
Aus diesen Gründen beschränkt sich die hier folgende Darstellung

1) Vgl. den Bericht des Reichs-Eisenbahn-Amtes über seine Geschäftsthä-
tigkeit bis Ende des Jahres 1876 (Hirth's Annalen 1877 S. 683 fg.). Unter
den Erörterungen über die Entwürfe ist besonders hervorzuheben die Abhand-
lung von Fischer in v. Holtzendorff's Jahrbuch IV. 1876 S. 446 ff.
2) Die Kompetenz des Reiches zur Gesetzgebung in Eisenbahn-Ange-
legenheiten ist nicht auf die in den Artikeln 41--47 der R.-V. aufgeführten
Gegenstände beschränkt; sie normirt sich vielmehr nach Art. 4 Ziff. 8 der R.-V.
und hat demnach, abgesehen von Bayern, keinerlei andere Schranken, als daß
sie "im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs" aus-
geübt werden soll. Ob ein solches Interesse vorhanden sei, können nur die
zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufenen Organe des Reiches entscheiden.
Auch sogen. Lokalbahnen und Secundärbahnen können für die Landesverthei-
digung und den allgemeinen Verkehr von Interesse sein, sind daher verfassungs-
mäßig der Gesetzgebungs-Befugniß des Reiches nicht unbedingt entzogen. --
Ueber das Verhältniß des Art. 4 Ziff. 8 zu den Artik. 41 ff. der R.-V. ist
namentlich hinzuweisen auf die Rede des Abg. Miquel in der Sitzung des
Reichstages v. 21. April 1870 (Stenogr. Berichte S. 784 ff.).

§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
weſens vorzüglich intereſſirt ſind, einen ſo lebhaften Widerſpruch,
daß vorläufig davon Abſtand genommen werden mußte, ihn die
Stadien des Geſetzgebungsweges durchlaufen zu laſſen, und die
weitere Entwicklung der Angelegenheit zur Zeit in völliger Unge-
wißheit ſchwebt 1).

Gegenwärtig befinden ſich die Einzelſtaaten noch faſt in der
ausſchließlichen Ausübung der auf das Eiſenbahnweſen bezüglichen
Hoheitsrechte und wenngleich die Reichsverfaſſung im Art. 4 Z. 8
das Eiſenbahnweſen unter den der Beaufſichtigung und Geſetzge-
bung des Reiches unterſtellten Angelegenheiten aufzählt und im VII.
Abſchnitt eine Anzahl höchſt wichtiger Grundſätze über die Herſtel-
lung einer einheitlichen Ordnung des Eiſenbahnweſens im Reichs-
gebiete Anerkennung gefunden hat, ſo ſind doch die Geſetze ſelbſt,
nach welchen die Beaufſichtigung geführt und dieſe einheitliche Ord-
nung verwirklicht werden ſoll, vom Reiche noch nicht erlaſſen 2). In
Folge deſſen iſt in dem jetzigen Stadium das Eiſenbahn-Verwal-
tungsrecht, d. h. der Inbegriff derjenigen Rechtsſätze, welche über
die ſtaatlichen Hoheitsrechte an Eiſenbahnen beſtehen, ſeiner
überwiegenden Maſſe nach ein Theil des Landesſtaatsrechts. Die
Reichsgeſetze enthalten vorläufig in dieſer Materie nur fragmen-
tariſche und zuſammenhangsloſe Sätze, welche zu einer umfaſſenden
und wiſſenſchaftlich abgeſchloſſenen Erörterung ungeeignet ſind.
Aus dieſen Gründen beſchränkt ſich die hier folgende Darſtellung

1) Vgl. den Bericht des Reichs-Eiſenbahn-Amtes über ſeine Geſchäftsthä-
tigkeit bis Ende des Jahres 1876 (Hirth’s Annalen 1877 S. 683 fg.). Unter
den Erörterungen über die Entwürfe iſt beſonders hervorzuheben die Abhand-
lung von Fiſcher in v. Holtzendorff’s Jahrbuch IV. 1876 S. 446 ff.
2) Die Kompetenz des Reiches zur Geſetzgebung in Eiſenbahn-Ange-
legenheiten iſt nicht auf die in den Artikeln 41—47 der R.-V. aufgeführten
Gegenſtände beſchränkt; ſie normirt ſich vielmehr nach Art. 4 Ziff. 8 der R.-V.
und hat demnach, abgeſehen von Bayern, keinerlei andere Schranken, als daß
ſie „im Intereſſe der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs“ aus-
geübt werden ſoll. Ob ein ſolches Intereſſe vorhanden ſei, können nur die
zur Mitwirkung an der Geſetzgebung berufenen Organe des Reiches entſcheiden.
Auch ſogen. Lokalbahnen und Secundärbahnen können für die Landesverthei-
digung und den allgemeinen Verkehr von Intereſſe ſein, ſind daher verfaſſungs-
mäßig der Geſetzgebungs-Befugniß des Reiches nicht unbedingt entzogen. —
Ueber das Verhältniß des Art. 4 Ziff. 8 zu den Artik. 41 ff. der R.-V. iſt
namentlich hinzuweiſen auf die Rede des Abg. Miquel in der Sitzung des
Reichstages v. 21. April 1870 (Stenogr. Berichte S. 784 ff.).
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[359/0373] §. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens. weſens vorzüglich intereſſirt ſind, einen ſo lebhaften Widerſpruch, daß vorläufig davon Abſtand genommen werden mußte, ihn die Stadien des Geſetzgebungsweges durchlaufen zu laſſen, und die weitere Entwicklung der Angelegenheit zur Zeit in völliger Unge- wißheit ſchwebt 1). Gegenwärtig befinden ſich die Einzelſtaaten noch faſt in der ausſchließlichen Ausübung der auf das Eiſenbahnweſen bezüglichen Hoheitsrechte und wenngleich die Reichsverfaſſung im Art. 4 Z. 8 das Eiſenbahnweſen unter den der Beaufſichtigung und Geſetzge- bung des Reiches unterſtellten Angelegenheiten aufzählt und im VII. Abſchnitt eine Anzahl höchſt wichtiger Grundſätze über die Herſtel- lung einer einheitlichen Ordnung des Eiſenbahnweſens im Reichs- gebiete Anerkennung gefunden hat, ſo ſind doch die Geſetze ſelbſt, nach welchen die Beaufſichtigung geführt und dieſe einheitliche Ord- nung verwirklicht werden ſoll, vom Reiche noch nicht erlaſſen 2). In Folge deſſen iſt in dem jetzigen Stadium das Eiſenbahn-Verwal- tungsrecht, d. h. der Inbegriff derjenigen Rechtsſätze, welche über die ſtaatlichen Hoheitsrechte an Eiſenbahnen beſtehen, ſeiner überwiegenden Maſſe nach ein Theil des Landesſtaatsrechts. Die Reichsgeſetze enthalten vorläufig in dieſer Materie nur fragmen- tariſche und zuſammenhangsloſe Sätze, welche zu einer umfaſſenden und wiſſenſchaftlich abgeſchloſſenen Erörterung ungeeignet ſind. Aus dieſen Gründen beſchränkt ſich die hier folgende Darſtellung 1) Vgl. den Bericht des Reichs-Eiſenbahn-Amtes über ſeine Geſchäftsthä- tigkeit bis Ende des Jahres 1876 (Hirth’s Annalen 1877 S. 683 fg.). Unter den Erörterungen über die Entwürfe iſt beſonders hervorzuheben die Abhand- lung von Fiſcher in v. Holtzendorff’s Jahrbuch IV. 1876 S. 446 ff. 2) Die Kompetenz des Reiches zur Geſetzgebung in Eiſenbahn-Ange- legenheiten iſt nicht auf die in den Artikeln 41—47 der R.-V. aufgeführten Gegenſtände beſchränkt; ſie normirt ſich vielmehr nach Art. 4 Ziff. 8 der R.-V. und hat demnach, abgeſehen von Bayern, keinerlei andere Schranken, als daß ſie „im Intereſſe der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs“ aus- geübt werden ſoll. Ob ein ſolches Intereſſe vorhanden ſei, können nur die zur Mitwirkung an der Geſetzgebung berufenen Organe des Reiches entſcheiden. Auch ſogen. Lokalbahnen und Secundärbahnen können für die Landesverthei- digung und den allgemeinen Verkehr von Intereſſe ſein, ſind daher verfaſſungs- mäßig der Geſetzgebungs-Befugniß des Reiches nicht unbedingt entzogen. — Ueber das Verhältniß des Art. 4 Ziff. 8 zu den Artik. 41 ff. der R.-V. iſt namentlich hinzuweiſen auf die Rede des Abg. Miquel in der Sitzung des Reichstages v. 21. April 1870 (Stenogr. Berichte S. 784 ff.).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/373>, abgerufen am 25.11.2024.