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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 74. Die Verwaltung des Münzwesens.

Die Gesetzgebung hat den Ausdruck Papiergeld aber vielfach
nicht bloß in dem juristischen, sondern auch in dem unjuristischen
Sinne angewendet, freilich stets auf Kosten der Klarheit und
Deutlichkeit. Dies gilt auch von der Reichsgesetzgebung 1). Die
R.-V. Art. 4 Z. 3. überweist dem Reiche: "Die Feststellung der
Grundsätze über die Emission von fundirtem und unfundirtem
Papiergelde". Die Zusammenstellung mit der Ordnung des "Maaß-
Münz- und Gewichtssystems" 2) in derselben Ziffer des Ar-
tikels und die Trennung von dem Bankwesen (Banknoten) lassen
darauf schließen, daß das Papiergeld mit dem Münzsystem
in Zusammenhang gedacht werden soll, daß das Wort also im
juristischen Sinne zu verstehen sei; die Hinzufügung der Worte "fun-
dirt und unfundirt", die für wirkliches Papiergeld keinen Sinn
haben, deutet aber darauf hin, daß das Wort Papiergeld an
dieser Stelle auch gewisse Inhaberobligationen (Geldpapiere) mit
umfassen soll, und die vom Reiche auf Grund dieser Bestimmung
erlassenen Gesetze betreffen auch in der That nicht blos das Pa-
piergeld, sondern auch die Emission von Schuldscheinen.

2. Das Reich hat durch das Gesetz vom 16 Juni 1870 3), --
zunächst vorläufig bis zur gesetzlichen Feststellung der Grundsätze
über die Emission von Papiergeld, -- den Einzelstaaten die Aus-
gabe von Papiergeld untersagt, wenn nicht die Erlaubniß
dazu dem Einzelstaat auf seinen Antrag vom Reich in der Form
eines Reichsgesetzes ertheilt wird.

Das Reich hat ferner durch das Münzgesetz Art. 18 Art. 3
den einzelnen Bundesstaaten die Verpflichtung auferlegt, das von
ihnen ausgegebene Papiergeld spätestens bis zum 1. Januar 1876
einzuziehen und spätestens 6 Monate vor diesem Termin öffentlich
aufzurufen. Das Ges. v. 30 April 1874 § 2 hat diese Vor-
schrift in der Art verschärft, daß die Staaten das von ihnen
ausgegebene Papiergeld spätestens bis zum 1. Juli 1875 zur
Einlösung öffentlich aufzurufen und thunlichst schnell einzuziehen

1) Vgl. auch Thöl a. a. O. S. 36. 37.
2) Mit welchem Mangel an Redactions-Kunst die R.-V. formulirt ist, kann
man auch an dieser Stelle sehen, wo das "Maaß- und Gewichtssystem" durch
das dazwischen eingesprengte Münzsystem auseinander gerissen ist.
3) B.-G.-Bl. S. 507.
§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.

Die Geſetzgebung hat den Ausdruck Papiergeld aber vielfach
nicht bloß in dem juriſtiſchen, ſondern auch in dem unjuriſtiſchen
Sinne angewendet, freilich ſtets auf Koſten der Klarheit und
Deutlichkeit. Dies gilt auch von der Reichsgeſetzgebung 1). Die
R.-V. Art. 4 Z. 3. überweiſt dem Reiche: „Die Feſtſtellung der
Grundſätze über die Emiſſion von fundirtem und unfundirtem
Papiergelde“. Die Zuſammenſtellung mit der Ordnung des „Maaß-
Münz- und Gewichtsſyſtems“ 2) in derſelben Ziffer des Ar-
tikels und die Trennung von dem Bankweſen (Banknoten) laſſen
darauf ſchließen, daß das Papiergeld mit dem Münzſyſtem
in Zuſammenhang gedacht werden ſoll, daß das Wort alſo im
juriſtiſchen Sinne zu verſtehen ſei; die Hinzufügung der Worte „fun-
dirt und unfundirt“, die für wirkliches Papiergeld keinen Sinn
haben, deutet aber darauf hin, daß das Wort Papiergeld an
dieſer Stelle auch gewiſſe Inhaberobligationen (Geldpapiere) mit
umfaſſen ſoll, und die vom Reiche auf Grund dieſer Beſtimmung
erlaſſenen Geſetze betreffen auch in der That nicht blos das Pa-
piergeld, ſondern auch die Emiſſion von Schuldſcheinen.

2. Das Reich hat durch das Geſetz vom 16 Juni 1870 3), —
zunächſt vorläufig bis zur geſetzlichen Feſtſtellung der Grundſätze
über die Emiſſion von Papiergeld, — den Einzelſtaaten die Aus-
gabe von Papiergeld unterſagt, wenn nicht die Erlaubniß
dazu dem Einzelſtaat auf ſeinen Antrag vom Reich in der Form
eines Reichsgeſetzes ertheilt wird.

Das Reich hat ferner durch das Münzgeſetz Art. 18 Art. 3
den einzelnen Bundesſtaaten die Verpflichtung auferlegt, das von
ihnen ausgegebene Papiergeld ſpäteſtens bis zum 1. Januar 1876
einzuziehen und ſpäteſtens 6 Monate vor dieſem Termin öffentlich
aufzurufen. Das Geſ. v. 30 April 1874 § 2 hat dieſe Vor-
ſchrift in der Art verſchärft, daß die Staaten das von ihnen
ausgegebene Papiergeld ſpäteſtens bis zum 1. Juli 1875 zur
Einlöſung öffentlich aufzurufen und thunlichſt ſchnell einzuziehen

1) Vgl. auch Thöl a. a. O. S. 36. 37.
2) Mit welchem Mangel an Redactions-Kunſt die R.-V. formulirt iſt, kann
man auch an dieſer Stelle ſehen, wo das „Maaß- und Gewichtsſyſtem“ durch
das dazwiſchen eingeſprengte Münzſyſtem auseinander geriſſen iſt.
3) B.-G.-Bl. S. 507.
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[436/0450] §. 74. Die Verwaltung des Münzweſens. Die Geſetzgebung hat den Ausdruck Papiergeld aber vielfach nicht bloß in dem juriſtiſchen, ſondern auch in dem unjuriſtiſchen Sinne angewendet, freilich ſtets auf Koſten der Klarheit und Deutlichkeit. Dies gilt auch von der Reichsgeſetzgebung 1). Die R.-V. Art. 4 Z. 3. überweiſt dem Reiche: „Die Feſtſtellung der Grundſätze über die Emiſſion von fundirtem und unfundirtem Papiergelde“. Die Zuſammenſtellung mit der Ordnung des „Maaß- Münz- und Gewichtsſyſtems“ 2) in derſelben Ziffer des Ar- tikels und die Trennung von dem Bankweſen (Banknoten) laſſen darauf ſchließen, daß das Papiergeld mit dem Münzſyſtem in Zuſammenhang gedacht werden ſoll, daß das Wort alſo im juriſtiſchen Sinne zu verſtehen ſei; die Hinzufügung der Worte „fun- dirt und unfundirt“, die für wirkliches Papiergeld keinen Sinn haben, deutet aber darauf hin, daß das Wort Papiergeld an dieſer Stelle auch gewiſſe Inhaberobligationen (Geldpapiere) mit umfaſſen ſoll, und die vom Reiche auf Grund dieſer Beſtimmung erlaſſenen Geſetze betreffen auch in der That nicht blos das Pa- piergeld, ſondern auch die Emiſſion von Schuldſcheinen. 2. Das Reich hat durch das Geſetz vom 16 Juni 1870 3), — zunächſt vorläufig bis zur geſetzlichen Feſtſtellung der Grundſätze über die Emiſſion von Papiergeld, — den Einzelſtaaten die Aus- gabe von Papiergeld unterſagt, wenn nicht die Erlaubniß dazu dem Einzelſtaat auf ſeinen Antrag vom Reich in der Form eines Reichsgeſetzes ertheilt wird. Das Reich hat ferner durch das Münzgeſetz Art. 18 Art. 3 den einzelnen Bundesſtaaten die Verpflichtung auferlegt, das von ihnen ausgegebene Papiergeld ſpäteſtens bis zum 1. Januar 1876 einzuziehen und ſpäteſtens 6 Monate vor dieſem Termin öffentlich aufzurufen. Das Geſ. v. 30 April 1874 § 2 hat dieſe Vor- ſchrift in der Art verſchärft, daß die Staaten das von ihnen ausgegebene Papiergeld ſpäteſtens bis zum 1. Juli 1875 zur Einlöſung öffentlich aufzurufen und thunlichſt ſchnell einzuziehen 1) Vgl. auch Thöl a. a. O. S. 36. 37. 2) Mit welchem Mangel an Redactions-Kunſt die R.-V. formulirt iſt, kann man auch an dieſer Stelle ſehen, wo das „Maaß- und Gewichtsſyſtem“ durch das dazwiſchen eingeſprengte Münzſyſtem auseinander geriſſen iſt. 3) B.-G.-Bl. S. 507.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/450>, abgerufen am 23.11.2024.