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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 74. Die Verwaltung des Münzwesens.
haben 1) und daß zur Annahme von Staatspapiergeld vom 1. Januar
1876 an nur die Kassen desjenigen Staates verpflichtet sind, welcher
das Papiergeld ausgegeben hat.

Endlich hat das Reich den Bundesstaaten definitiv die Aus-
gabe von Papiergeld untersagt, wofern ihnen nicht durch ein Reichs-
gesetz die Erlaubniß dazu ertheilt wird 2).

Durch diese Bestimmungen ist es zunächst zweifellos, daß
wirkliches Papiergeld im juristischen Sinne seit dem 1. Januar
1876 im Deutschen Reiche nicht mehr existirt und von den Einzel-
staaten nicht mehr emittirt werden kann; d. h. daß Niemand, außer
der Kasse des ausgebenden Staates rechtlich gezwungen werden
kann, es in Zahlung zu nehmen 3).

Die Motive des Gesetzes, die Verhandlungen des Reichstages,
das gesammte Auslegungs-Material und die thatsächlich ausnahms-
los und übereinstimmend befolgte Praxis weisen aber darauf hin,
daß das Gesetz in dem Sinne zu verstehen ist, daß die Einzelstaaten
auch Geldsurrogate, denen die Eigenschaft des Geldes rechtlich
fehlt, nicht ferner verausgaben dürfen resp. sie einlösen müssen 4).

Das Verbot der Papiergeld-Ausgabe ohne Erlaubniß des
Reiches hat seine juristische Analogie in dem Verbot der Banknoten-
Ausgabe. Die Befuguiß, Inhaberpapiere, welche ihrer äußeren
Beschaffenheit nach wie Geld cirkuliren können, (Geldpapiere)
zu emittiren, kann nur durch ein vom Reich im Wege der Ge-
setzgebung ertheiltes Privilegium erworben werden; und dieser
Satz ist ganz unabhängig davon, ob die emittirten Inhaberpapiere

1) Die Aufrufung selbst und die Anordnungen über die Einlösung ist den
Einzelstaaten überlassen. Die von denselben erlassenen Verordnungen sind nur
dem Bundesrath zur Kenntnißnahme vorgelegt worden. Vgl. Protokolle des
Bundesraths 1875 §. 193.
2) Reichsges. v. 30. April 1874 §. 8.
3) Soweit solches Papiergeld cirkulirte, verlor es mit dem 1. Jannar 1876
die rechtliche Eigenschaft eines gesetzlich anerkannten Zahlungsmittels.
4) Dies ergiebt sich namentlich aus der den Motiven beigefügten "Nach-
weisung der Papiergeld-Emissionen des deutschen Reiches". Alle hier aufge-
führten Papiere sollten von den deutschen Staaten eingezogen werden und sind
auch von ihnen eingezogen worden, obwohl der größte Theil derselben von
Privatpersonen in Zahlung nicht genommen zu werden brauchte, also kein
wirkliches Papiergeld war.

§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.
haben 1) und daß zur Annahme von Staatspapiergeld vom 1. Januar
1876 an nur die Kaſſen desjenigen Staates verpflichtet ſind, welcher
das Papiergeld ausgegeben hat.

Endlich hat das Reich den Bundesſtaaten definitiv die Aus-
gabe von Papiergeld unterſagt, wofern ihnen nicht durch ein Reichs-
geſetz die Erlaubniß dazu ertheilt wird 2).

Durch dieſe Beſtimmungen iſt es zunächſt zweifellos, daß
wirkliches Papiergeld im juriſtiſchen Sinne ſeit dem 1. Januar
1876 im Deutſchen Reiche nicht mehr exiſtirt und von den Einzel-
ſtaaten nicht mehr emittirt werden kann; d. h. daß Niemand, außer
der Kaſſe des ausgebenden Staates rechtlich gezwungen werden
kann, es in Zahlung zu nehmen 3).

Die Motive des Geſetzes, die Verhandlungen des Reichstages,
das geſammte Auslegungs-Material und die thatſächlich ausnahms-
los und übereinſtimmend befolgte Praxis weiſen aber darauf hin,
daß das Geſetz in dem Sinne zu verſtehen iſt, daß die Einzelſtaaten
auch Geldſurrogate, denen die Eigenſchaft des Geldes rechtlich
fehlt, nicht ferner verausgaben dürfen resp. ſie einlöſen müſſen 4).

Das Verbot der Papiergeld-Ausgabe ohne Erlaubniß des
Reiches hat ſeine juriſtiſche Analogie in dem Verbot der Banknoten-
Ausgabe. Die Befuguiß, Inhaberpapiere, welche ihrer äußeren
Beſchaffenheit nach wie Geld cirkuliren können, (Geldpapiere)
zu emittiren, kann nur durch ein vom Reich im Wege der Ge-
ſetzgebung ertheiltes Privilegium erworben werden; und dieſer
Satz iſt ganz unabhängig davon, ob die emittirten Inhaberpapiere

1) Die Aufrufung ſelbſt und die Anordnungen über die Einlöſung iſt den
Einzelſtaaten überlaſſen. Die von denſelben erlaſſenen Verordnungen ſind nur
dem Bundesrath zur Kenntnißnahme vorgelegt worden. Vgl. Protokolle des
Bundesraths 1875 §. 193.
2) Reichsgeſ. v. 30. April 1874 §. 8.
3) Soweit ſolches Papiergeld cirkulirte, verlor es mit dem 1. Jannar 1876
die rechtliche Eigenſchaft eines geſetzlich anerkannten Zahlungsmittels.
4) Dies ergiebt ſich namentlich aus der den Motiven beigefügten „Nach-
weiſung der Papiergeld-Emiſſionen des deutſchen Reiches“. Alle hier aufge-
führten Papiere ſollten von den deutſchen Staaten eingezogen werden und ſind
auch von ihnen eingezogen worden, obwohl der größte Theil derſelben von
Privatperſonen in Zahlung nicht genommen zu werden brauchte, alſo kein
wirkliches Papiergeld war.
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[437/0451] §. 74. Die Verwaltung des Münzweſens. haben 1) und daß zur Annahme von Staatspapiergeld vom 1. Januar 1876 an nur die Kaſſen desjenigen Staates verpflichtet ſind, welcher das Papiergeld ausgegeben hat. Endlich hat das Reich den Bundesſtaaten definitiv die Aus- gabe von Papiergeld unterſagt, wofern ihnen nicht durch ein Reichs- geſetz die Erlaubniß dazu ertheilt wird 2). Durch dieſe Beſtimmungen iſt es zunächſt zweifellos, daß wirkliches Papiergeld im juriſtiſchen Sinne ſeit dem 1. Januar 1876 im Deutſchen Reiche nicht mehr exiſtirt und von den Einzel- ſtaaten nicht mehr emittirt werden kann; d. h. daß Niemand, außer der Kaſſe des ausgebenden Staates rechtlich gezwungen werden kann, es in Zahlung zu nehmen 3). Die Motive des Geſetzes, die Verhandlungen des Reichstages, das geſammte Auslegungs-Material und die thatſächlich ausnahms- los und übereinſtimmend befolgte Praxis weiſen aber darauf hin, daß das Geſetz in dem Sinne zu verſtehen iſt, daß die Einzelſtaaten auch Geldſurrogate, denen die Eigenſchaft des Geldes rechtlich fehlt, nicht ferner verausgaben dürfen resp. ſie einlöſen müſſen 4). Das Verbot der Papiergeld-Ausgabe ohne Erlaubniß des Reiches hat ſeine juriſtiſche Analogie in dem Verbot der Banknoten- Ausgabe. Die Befuguiß, Inhaberpapiere, welche ihrer äußeren Beſchaffenheit nach wie Geld cirkuliren können, (Geldpapiere) zu emittiren, kann nur durch ein vom Reich im Wege der Ge- ſetzgebung ertheiltes Privilegium erworben werden; und dieſer Satz iſt ganz unabhängig davon, ob die emittirten Inhaberpapiere 1) Die Aufrufung ſelbſt und die Anordnungen über die Einlöſung iſt den Einzelſtaaten überlaſſen. Die von denſelben erlaſſenen Verordnungen ſind nur dem Bundesrath zur Kenntnißnahme vorgelegt worden. Vgl. Protokolle des Bundesraths 1875 §. 193. 2) Reichsgeſ. v. 30. April 1874 §. 8. 3) Soweit ſolches Papiergeld cirkulirte, verlor es mit dem 1. Jannar 1876 die rechtliche Eigenſchaft eines geſetzlich anerkannten Zahlungsmittels. 4) Dies ergiebt ſich namentlich aus der den Motiven beigefügten „Nach- weiſung der Papiergeld-Emiſſionen des deutſchen Reiches“. Alle hier aufge- führten Papiere ſollten von den deutſchen Staaten eingezogen werden und ſind auch von ihnen eingezogen worden, obwohl der größte Theil derſelben von Privatperſonen in Zahlung nicht genommen zu werden brauchte, alſo kein wirkliches Papiergeld war.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/451>, abgerufen am 23.11.2024.