Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens. regelt, sondern nur indirect, indem die Bedürfnisse der Gewerbefür den Staat schwerwiegende Motive bei der Normirung der Rechtsordnung, bei dem Abschluß von Staatsverträgen, bei der Regelung des Steuersystems u. s. w. bilden, und indem der Staat Anstalten errichtet und erhält, welche die Gewerbethätigkeit der Einzelnen erleichtern und fördern. Da die Wohlfahrtspflege des Volkes ein wesentlicher Staatszweck ist, so bildet die Unterstützung und Förderung der Gewerbe für den Staat bei Handhabung seiner Hoheitsrechte und bei Entfaltung seiner Verwaltungsthätigkeit ein von selbst gegebenes Ziel. Dieses allgemeine Prinzip erleidet nun aber erhebliche Aus- 1) Die Beschränkungen der allgemeinen Gewerbefreiheit können zugleich
Untersagungsrechte von vermögensrechtlichem Inhalte zu Gunsten einzelner Gewerbetreibenden bilden (Zwangsrechte, Bannrechte, Monopole, Zunftprivi- legien, Realgewerberechte, u. s. w.); deren Verletzung im Wege des Civilpro- zesses verfolgt werden kann. Es ist aber unrichtig, das Wesen der Gewerbe- freiheit lediglich in der Aufhebung solcher Beschränkungen, welche die Gestalt subjectiver Privatrechtsbefugnisse gewonnen haben, zu erblicken. Gewerbefrei- heit ist überhaupt kein Begriff von positivem Rechtsinhalt und noch vielweniger §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. regelt, ſondern nur indirect, indem die Bedürfniſſe der Gewerbefür den Staat ſchwerwiegende Motive bei der Normirung der Rechtsordnung, bei dem Abſchluß von Staatsverträgen, bei der Regelung des Steuerſyſtems u. ſ. w. bilden, und indem der Staat Anſtalten errichtet und erhält, welche die Gewerbethätigkeit der Einzelnen erleichtern und fördern. Da die Wohlfahrtspflege des Volkes ein weſentlicher Staatszweck iſt, ſo bildet die Unterſtützung und Förderung der Gewerbe für den Staat bei Handhabung ſeiner Hoheitsrechte und bei Entfaltung ſeiner Verwaltungsthätigkeit ein von ſelbſt gegebenes Ziel. Dieſes allgemeine Prinzip erleidet nun aber erhebliche Aus- 1) Die Beſchränkungen der allgemeinen Gewerbefreiheit können zugleich
Unterſagungsrechte von vermögensrechtlichem Inhalte zu Gunſten einzelner Gewerbetreibenden bilden (Zwangsrechte, Bannrechte, Monopole, Zunftprivi- legien, Realgewerberechte, u. ſ. w.); deren Verletzung im Wege des Civilpro- zeſſes verfolgt werden kann. Es iſt aber unrichtig, das Weſen der Gewerbe- freiheit lediglich in der Aufhebung ſolcher Beſchränkungen, welche die Geſtalt ſubjectiver Privatrechtsbefugniſſe gewonnen haben, zu erblicken. Gewerbefrei- heit iſt überhaupt kein Begriff von poſitivem Rechtsinhalt und noch vielweniger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0471" n="457"/><fw place="top" type="header">§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.</fw><lb/> regelt, ſondern nur indirect, indem die Bedürfniſſe der Gewerbe<lb/> für den Staat ſchwerwiegende <hi rendition="#g">Motive</hi> bei der Normirung der<lb/> Rechtsordnung, bei dem Abſchluß von Staatsverträgen, bei der<lb/> Regelung des Steuerſyſtems u. ſ. w. bilden, und indem der Staat<lb/> Anſtalten errichtet und erhält, welche die Gewerbethätigkeit der<lb/> Einzelnen erleichtern und fördern. Da die Wohlfahrtspflege des<lb/> Volkes ein weſentlicher Staatszweck iſt, ſo bildet die Unterſtützung<lb/> und Förderung der Gewerbe für den Staat bei Handhabung ſeiner<lb/> Hoheitsrechte und bei Entfaltung ſeiner Verwaltungsthätigkeit ein<lb/> von ſelbſt gegebenes Ziel.</p><lb/> <p>Dieſes allgemeine Prinzip erleidet nun aber erhebliche Aus-<lb/> nahmen, indem der Staat den Betrieb gewiſſer Gewerbe an er-<lb/> ſchwerende Bedingungen knüpft oder einſchränkt und demgemäß eine<lb/> Controle über die Befolgung dieſer einſchränkenden Vorſchriften<lb/> führen muß. Die Motive für dieſe Beſchränkungen ſind ſehr ver-<lb/> ſchiedener Art; ſie liegen theils in der Gefährlichkeit gewiſſer Ge-<lb/> werbe für die Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums, theils<lb/> in den Bedürfniſſen des allgemeinen Verkehrs, theils in der Rück-<lb/> ſicht auf die finanziellen, militairiſchen und politiſchen Bedürfniſſe<lb/> des Staates. Aber auch die Rückſicht auf die Entwicklung der<lb/> Gewerbethätigkeit ſelbſt kann es geboten erſcheinen laſſen, <hi rendition="#g">einzel-<lb/> nen</hi> Gewerbetreibenden einen beſonderen Schutz und beſondere<lb/> Begünſtigungen zu ertheilen, namentlich durch Verhinderung oder<lb/> Erſchwerung der Concurrenz, d. h. durch Beſchränkung der <hi rendition="#g">allge-<lb/> meinen</hi> Gewerbefreiheit. Hierdurch entſteht eine Verwaltungs-<lb/> thätigkeit des Staates, für welche der Gewerbe-Betrieb der Ein-<lb/> zelnen nicht blos Motiv und Zweck, ſondern unmittelbares <hi rendition="#g">Object</hi><lb/> iſt. Man faßt dieſelbe unter der Bezeichnung <hi rendition="#g">Gewerbepoli-<lb/> zei</hi> zuſammen. Sie bildet den Gegenſatz und die Einſchränkung<lb/> der Gewerbefreiheit <note xml:id="seg2pn_67_1" next="#seg2pn_67_2" place="foot" n="1)">Die Beſchränkungen der allgemeinen Gewerbefreiheit können zugleich<lb/> Unterſagungsrechte von vermögensrechtlichem Inhalte zu Gunſten einzelner<lb/> Gewerbetreibenden bilden (Zwangsrechte, Bannrechte, Monopole, Zunftprivi-<lb/> legien, Realgewerberechte, u. ſ. w.); deren Verletzung im Wege des Civilpro-<lb/> zeſſes verfolgt werden kann. Es iſt aber unrichtig, das Weſen der Gewerbe-<lb/> freiheit lediglich in der Aufhebung ſolcher Beſchränkungen, welche die Geſtalt<lb/> ſubjectiver Privatrechtsbefugniſſe gewonnen haben, zu erblicken. Gewerbefrei-<lb/> heit iſt überhaupt kein Begriff von poſitivem Rechtsinhalt und noch vielweniger</note>. Soweit der Grundſatz der Gewerbefrei-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [457/0471]
§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
regelt, ſondern nur indirect, indem die Bedürfniſſe der Gewerbe
für den Staat ſchwerwiegende Motive bei der Normirung der
Rechtsordnung, bei dem Abſchluß von Staatsverträgen, bei der
Regelung des Steuerſyſtems u. ſ. w. bilden, und indem der Staat
Anſtalten errichtet und erhält, welche die Gewerbethätigkeit der
Einzelnen erleichtern und fördern. Da die Wohlfahrtspflege des
Volkes ein weſentlicher Staatszweck iſt, ſo bildet die Unterſtützung
und Förderung der Gewerbe für den Staat bei Handhabung ſeiner
Hoheitsrechte und bei Entfaltung ſeiner Verwaltungsthätigkeit ein
von ſelbſt gegebenes Ziel.
Dieſes allgemeine Prinzip erleidet nun aber erhebliche Aus-
nahmen, indem der Staat den Betrieb gewiſſer Gewerbe an er-
ſchwerende Bedingungen knüpft oder einſchränkt und demgemäß eine
Controle über die Befolgung dieſer einſchränkenden Vorſchriften
führen muß. Die Motive für dieſe Beſchränkungen ſind ſehr ver-
ſchiedener Art; ſie liegen theils in der Gefährlichkeit gewiſſer Ge-
werbe für die Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums, theils
in den Bedürfniſſen des allgemeinen Verkehrs, theils in der Rück-
ſicht auf die finanziellen, militairiſchen und politiſchen Bedürfniſſe
des Staates. Aber auch die Rückſicht auf die Entwicklung der
Gewerbethätigkeit ſelbſt kann es geboten erſcheinen laſſen, einzel-
nen Gewerbetreibenden einen beſonderen Schutz und beſondere
Begünſtigungen zu ertheilen, namentlich durch Verhinderung oder
Erſchwerung der Concurrenz, d. h. durch Beſchränkung der allge-
meinen Gewerbefreiheit. Hierdurch entſteht eine Verwaltungs-
thätigkeit des Staates, für welche der Gewerbe-Betrieb der Ein-
zelnen nicht blos Motiv und Zweck, ſondern unmittelbares Object
iſt. Man faßt dieſelbe unter der Bezeichnung Gewerbepoli-
zei zuſammen. Sie bildet den Gegenſatz und die Einſchränkung
der Gewerbefreiheit 1). Soweit der Grundſatz der Gewerbefrei-
1) Die Beſchränkungen der allgemeinen Gewerbefreiheit können zugleich
Unterſagungsrechte von vermögensrechtlichem Inhalte zu Gunſten einzelner
Gewerbetreibenden bilden (Zwangsrechte, Bannrechte, Monopole, Zunftprivi-
legien, Realgewerberechte, u. ſ. w.); deren Verletzung im Wege des Civilpro-
zeſſes verfolgt werden kann. Es iſt aber unrichtig, das Weſen der Gewerbe-
freiheit lediglich in der Aufhebung ſolcher Beſchränkungen, welche die Geſtalt
ſubjectiver Privatrechtsbefugniſſe gewonnen haben, zu erblicken. Gewerbefrei-
heit iſt überhaupt kein Begriff von poſitivem Rechtsinhalt und noch vielweniger
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