Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 83. Das stehende Heer. anschlagung der Militairausgaben im Etatsgesetz getreten 1), istgänzlich unbegründet. Ihre Haltlosigkeit ergiebt sich sofort, wenn man nur den folgenden Absatz des Art. 62 hinzu liest: "Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Reichs- heer und dessen Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt." Die Verpflichtung zur Zahlung der "Beiträge" steht demnach nicht in Zusammenhang mit dem Pauschquantum; das letztere ist als eine vorübergehende Modifikation des Budgetrechts im Art. 71 Abs. 2 aufgeführt; im Art. 62 dagegen steht das volle und uneingeschränkte, regelmäßige Budgetrecht unmittelbar neben der Verpflichtung zur Zahlung der Militairbeiträge. Es ist daher ganz unerfindlich, wie diese Verpflichtung im Widerspruch mit der ordnungsmäßigen Feststellung der Militairausgaben durch das Etatsgesetz stehen oder durch die Beendigung der Pauschquantum- Periode und das Eintreten der ordentlichen Ausgabe-Veranschlagung in Wegfall gekommen sein soll. Abs. 3 handelt von der Feststellung der Ausgaben für das Heer, Abs. 2 betrifft die Sicherstellung der Einnahmen. Die Einnahme-Quellen können durchaus un- abhängig sein von der Ausgaben-Bewilligung. So gut die Er- träge der Zölle und Verbrauchs-Abgaben, der Post und der Reichs- eisenbahn u. s. w. zur Reichskasse fließen, ohne alle Rücksicht, ob und wie über ihre Verwendung Bestimmung getroffen worden ist, so besteht auch die Pflicht der Einzelstaaten die im Art. 62 Abs. 2 angegebenen Beiträge zur Reichskasse einzuzahlen, mag nun in Form des Pauschquantums oder in Form des regelmäßigen Etats- gesetzes oder in beliebiger anderer Art die Verausgabung für das Heer festgestellt werden. Freilich tritt diese Anordnung formell nicht in Wirksamkeit, wenn ein Etatsgesetz zu Stande kommt; denn in diesem Falle finden die gesammten Militair-Ausgaben durch den Etat selbst und soweit erforderlich durch die Matrikularbeiträge ihre Deckung. Aber wenn ein Etatsgesetz nicht vereinbar ist, der Reichskanzler also die im Art. 70 der R.V. vorgesehenen Matri- kularbeiträge nicht erheben darf, dann treten die Militairbeiträge des Art. 62 theilweise an die Stelle derselben und das grade ist der Zweck dieser Anordnung. 1) Dies meint v. Rönne II. 1. S. 177, dem sich Meyer a. a. O.
S. 550 anschließt. §. 83. Das ſtehende Heer. anſchlagung der Militairausgaben im Etatsgeſetz getreten 1), iſtgänzlich unbegründet. Ihre Haltloſigkeit ergiebt ſich ſofort, wenn man nur den folgenden Abſatz des Art. 62 hinzu lieſt: „Die Verausgabung dieſer Summe für das geſammte Reichs- heer und deſſen Einrichtungen wird durch das Etatsgeſetz feſtgeſtellt.“ Die Verpflichtung zur Zahlung der „Beiträge“ ſteht demnach nicht in Zuſammenhang mit dem Pauſchquantum; das letztere iſt als eine vorübergehende Modifikation des Budgetrechts im Art. 71 Abſ. 2 aufgeführt; im Art. 62 dagegen ſteht das volle und uneingeſchränkte, regelmäßige Budgetrecht unmittelbar neben der Verpflichtung zur Zahlung der Militairbeiträge. Es iſt daher ganz unerfindlich, wie dieſe Verpflichtung im Widerſpruch mit der ordnungsmäßigen Feſtſtellung der Militairausgaben durch das Etatsgeſetz ſtehen oder durch die Beendigung der Pauſchquantum- Periode und das Eintreten der ordentlichen Ausgabe-Veranſchlagung in Wegfall gekommen ſein ſoll. Abſ. 3 handelt von der Feſtſtellung der Ausgaben für das Heer, Abſ. 2 betrifft die Sicherſtellung der Einnahmen. Die Einnahme-Quellen können durchaus un- abhängig ſein von der Ausgaben-Bewilligung. So gut die Er- träge der Zölle und Verbrauchs-Abgaben, der Poſt und der Reichs- eiſenbahn u. ſ. w. zur Reichskaſſe fließen, ohne alle Rückſicht, ob und wie über ihre Verwendung Beſtimmung getroffen worden iſt, ſo beſteht auch die Pflicht der Einzelſtaaten die im Art. 62 Abſ. 2 angegebenen Beiträge zur Reichskaſſe einzuzahlen, mag nun in Form des Pauſchquantums oder in Form des regelmäßigen Etats- geſetzes oder in beliebiger anderer Art die Verausgabung für das Heer feſtgeſtellt werden. Freilich tritt dieſe Anordnung formell nicht in Wirkſamkeit, wenn ein Etatsgeſetz zu Stande kommt; denn in dieſem Falle finden die geſammten Militair-Ausgaben durch den Etat ſelbſt und ſoweit erforderlich durch die Matrikularbeiträge ihre Deckung. Aber wenn ein Etatsgeſetz nicht vereinbar iſt, der Reichskanzler alſo die im Art. 70 der R.V. vorgeſehenen Matri- kularbeiträge nicht erheben darf, dann treten die Militairbeiträge des Art. 62 theilweiſe an die Stelle derſelben und das grade iſt der Zweck dieſer Anordnung. 1) Dies meint v. Rönne II. 1. S. 177, dem ſich Meyer a. a. O.
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gänzlich unbegründet. Ihre Haltloſigkeit ergiebt ſich ſofort, wenn
man nur den folgenden Abſatz des Art. 62 hinzu lieſt: „Die
Verausgabung dieſer Summe für das geſammte Reichs-
heer und deſſen Einrichtungen wird durch das Etatsgeſetz
feſtgeſtellt.“ Die Verpflichtung zur Zahlung der „Beiträge“ ſteht
demnach nicht in Zuſammenhang mit dem Pauſchquantum; das
letztere iſt als eine vorübergehende Modifikation des Budgetrechts
im Art. 71 Abſ. 2 aufgeführt; im Art. 62 dagegen ſteht das volle
und uneingeſchränkte, regelmäßige Budgetrecht unmittelbar neben
der Verpflichtung zur Zahlung der Militairbeiträge. Es iſt daher
ganz unerfindlich, wie dieſe Verpflichtung im Widerſpruch mit der
ordnungsmäßigen Feſtſtellung der Militairausgaben durch das
Etatsgeſetz ſtehen oder durch die Beendigung der Pauſchquantum-
Periode und das Eintreten der ordentlichen Ausgabe-Veranſchlagung
in Wegfall gekommen ſein ſoll. Abſ. 3 handelt von der Feſtſtellung
der Ausgaben für das Heer, Abſ. 2 betrifft die Sicherſtellung
der Einnahmen. Die Einnahme-Quellen können durchaus un-
abhängig ſein von der Ausgaben-Bewilligung. So gut die Er-
träge der Zölle und Verbrauchs-Abgaben, der Poſt und der Reichs-
eiſenbahn u. ſ. w. zur Reichskaſſe fließen, ohne alle Rückſicht, ob
und wie über ihre Verwendung Beſtimmung getroffen worden iſt,
ſo beſteht auch die Pflicht der Einzelſtaaten die im Art. 62 Abſ. 2
angegebenen Beiträge zur Reichskaſſe einzuzahlen, mag nun in
Form des Pauſchquantums oder in Form des regelmäßigen Etats-
geſetzes oder in beliebiger anderer Art die Verausgabung für das
Heer feſtgeſtellt werden. Freilich tritt dieſe Anordnung formell
nicht in Wirkſamkeit, wenn ein Etatsgeſetz zu Stande kommt; denn
in dieſem Falle finden die geſammten Militair-Ausgaben durch den
Etat ſelbſt und ſoweit erforderlich durch die Matrikularbeiträge
ihre Deckung. Aber wenn ein Etatsgeſetz nicht vereinbar iſt, der
Reichskanzler alſo die im Art. 70 der R.V. vorgeſehenen Matri-
kularbeiträge nicht erheben darf, dann treten die Militairbeiträge
des Art. 62 theilweiſe an die Stelle derſelben und das grade
iſt der Zweck dieſer Anordnung.
1) Dies meint v. Rönne II. 1. S. 177, dem ſich Meyer a. a. O.
S. 550 anſchließt.
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