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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
in der Landwehr auf fünf Jahre beschränkt 1). Diese Zeiträume
bilden das Maximum des Dienstes, der kraft des Gesetzes geleistet
werden muß; sie bilden die Gränzen für das Recht des
Staates, von dem Unterthan im Frieden Militairdienste zu ver-
langen.

4. Die Wehrpflicht an sich erzeugt keine subjektive Verpflicht-
tung zu einer bestimmten militairischen Dienstleistung; eine
solche Verpflichtung entsteht erst durch den hinzukommenden Befehl
des Staates in jedem einzelnen concreten Fall; die allgemeine
Wehrpflicht ist nur der Inbegriff derjenigen ge-
setzlichen Voraussetzungen, bei deren Vorhan-
densein der Befehl der Staatsbehörden zur Lei-
stung von Militairdiensten mit rechtlicher Kraft
und Gültigkeit erlassen werden kann
. Es beruht
dies auf dem tiefgehenden Gegensatz zwischen staatsbürgerlichen
Lasten und obligatorischen Verpflichtungen; der Bestand der letz-
teren ist unabhängig davon, daß der Berechtigte ihre Erfüllung
fordert und sie erlöschen regelmäßig nur durch Leistung oder
Erlaß; die staatsbürgerlichen Pflichten dagegen sind Gehorsams-
pflichten, sie entfalten keine Wirksamkeit, wofern der Staat nicht
ihre Erfüllung fordert d. h. befiehlt, und sie können demnach
völlig wirkungslos bleiben, wenn dieser Befehl thatsächlich nicht er-
lassen wird. So kann namentlich die Wehrpflicht des Einzelnen
erlöschen, ohne daß er durch dieselbe zu irgend einer militairischen
Dienstleistung genöthigt worden ist; denn das Wesen derselben be-
steht nur in der rechtlichen Gebundenheit, einem Befehl des
Staates zur Leistung militairischer Dienste Folge geben zu müssen.
Unter Befreiung von der Wehrpflicht ist demnach nicht zu ver-
stehen, die thatsächliche Nicht-Einforderung von Militairdiensten von
Jemandem, z. B. wegen geistigen oder körperlichen Gebrechens
wegen Ausloosung u. s. w., sondern sie bedeutet die Exemtion von
jener Rechtspflicht, d. h. den Satz, daß der Staat Militair-
dienste von dem Befreiten nicht verlangen, ihn zur Leistung der-
selben nicht zwingen darf. Eine solche Befreiung ist im
Wehrgesetz §. 1 zugestanden:

a) den Mitgliedern regierender Häuser,


1) R.V. Art. 59. Wehrges. §. 6. 7.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
in der Landwehr auf fünf Jahre beſchränkt 1). Dieſe Zeiträume
bilden das Maximum des Dienſtes, der kraft des Geſetzes geleiſtet
werden muß; ſie bilden die Gränzen für das Recht des
Staates, von dem Unterthan im Frieden Militairdienſte zu ver-
langen.

4. Die Wehrpflicht an ſich erzeugt keine ſubjektive Verpflicht-
tung zu einer beſtimmten militairiſchen Dienſtleiſtung; eine
ſolche Verpflichtung entſteht erſt durch den hinzukommenden Befehl
des Staates in jedem einzelnen concreten Fall; die allgemeine
Wehrpflicht iſt nur der Inbegriff derjenigen ge-
ſetzlichen Vorausſetzungen, bei deren Vorhan-
denſein der Befehl der Staatsbehörden zur Lei-
ſtung von Militairdienſten mit rechtlicher Kraft
und Gültigkeit erlaſſen werden kann
. Es beruht
dies auf dem tiefgehenden Gegenſatz zwiſchen ſtaatsbürgerlichen
Laſten und obligatoriſchen Verpflichtungen; der Beſtand der letz-
teren iſt unabhängig davon, daß der Berechtigte ihre Erfüllung
fordert und ſie erlöſchen regelmäßig nur durch Leiſtung oder
Erlaß; die ſtaatsbürgerlichen Pflichten dagegen ſind Gehorſams-
pflichten, ſie entfalten keine Wirkſamkeit, wofern der Staat nicht
ihre Erfüllung fordert d. h. befiehlt, und ſie können demnach
völlig wirkungslos bleiben, wenn dieſer Befehl thatſächlich nicht er-
laſſen wird. So kann namentlich die Wehrpflicht des Einzelnen
erlöſchen, ohne daß er durch dieſelbe zu irgend einer militairiſchen
Dienſtleiſtung genöthigt worden iſt; denn das Weſen derſelben be-
ſteht nur in der rechtlichen Gebundenheit, einem Befehl des
Staates zur Leiſtung militairiſcher Dienſte Folge geben zu müſſen.
Unter Befreiung von der Wehrpflicht iſt demnach nicht zu ver-
ſtehen, die thatſächliche Nicht-Einforderung von Militairdienſten von
Jemandem, z. B. wegen geiſtigen oder körperlichen Gebrechens
wegen Auslooſung u. ſ. w., ſondern ſie bedeutet die Exemtion von
jener Rechtspflicht, d. h. den Satz, daß der Staat Militair-
dienſte von dem Befreiten nicht verlangen, ihn zur Leiſtung der-
ſelben nicht zwingen darf. Eine ſolche Befreiung iſt im
Wehrgeſetz §. 1 zugeſtanden:

a) den Mitgliedern regierender Häuſer,


1) R.V. Art. 59. Wehrgeſ. §. 6. 7.
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[139/0149] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. in der Landwehr auf fünf Jahre beſchränkt 1). Dieſe Zeiträume bilden das Maximum des Dienſtes, der kraft des Geſetzes geleiſtet werden muß; ſie bilden die Gränzen für das Recht des Staates, von dem Unterthan im Frieden Militairdienſte zu ver- langen. 4. Die Wehrpflicht an ſich erzeugt keine ſubjektive Verpflicht- tung zu einer beſtimmten militairiſchen Dienſtleiſtung; eine ſolche Verpflichtung entſteht erſt durch den hinzukommenden Befehl des Staates in jedem einzelnen concreten Fall; die allgemeine Wehrpflicht iſt nur der Inbegriff derjenigen ge- ſetzlichen Vorausſetzungen, bei deren Vorhan- denſein der Befehl der Staatsbehörden zur Lei- ſtung von Militairdienſten mit rechtlicher Kraft und Gültigkeit erlaſſen werden kann. Es beruht dies auf dem tiefgehenden Gegenſatz zwiſchen ſtaatsbürgerlichen Laſten und obligatoriſchen Verpflichtungen; der Beſtand der letz- teren iſt unabhängig davon, daß der Berechtigte ihre Erfüllung fordert und ſie erlöſchen regelmäßig nur durch Leiſtung oder Erlaß; die ſtaatsbürgerlichen Pflichten dagegen ſind Gehorſams- pflichten, ſie entfalten keine Wirkſamkeit, wofern der Staat nicht ihre Erfüllung fordert d. h. befiehlt, und ſie können demnach völlig wirkungslos bleiben, wenn dieſer Befehl thatſächlich nicht er- laſſen wird. So kann namentlich die Wehrpflicht des Einzelnen erlöſchen, ohne daß er durch dieſelbe zu irgend einer militairiſchen Dienſtleiſtung genöthigt worden iſt; denn das Weſen derſelben be- ſteht nur in der rechtlichen Gebundenheit, einem Befehl des Staates zur Leiſtung militairiſcher Dienſte Folge geben zu müſſen. Unter Befreiung von der Wehrpflicht iſt demnach nicht zu ver- ſtehen, die thatſächliche Nicht-Einforderung von Militairdienſten von Jemandem, z. B. wegen geiſtigen oder körperlichen Gebrechens wegen Auslooſung u. ſ. w., ſondern ſie bedeutet die Exemtion von jener Rechtspflicht, d. h. den Satz, daß der Staat Militair- dienſte von dem Befreiten nicht verlangen, ihn zur Leiſtung der- ſelben nicht zwingen darf. Eine ſolche Befreiung iſt im Wehrgeſetz §. 1 zugeſtanden: a) den Mitgliedern regierender Häuſer, 1) R.V. Art. 59. Wehrgeſ. §. 6. 7.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/149>, abgerufen am 22.11.2024.