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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
hin auch die Militairpflicht, gleichviel ob der zurückkehrende Auswan-
derer die Reichsangehörigkeit wieder erworben hat oder "staaten-
los" den Aufenthalt in Deutschland genommen hat. Jedoch können
solche Personen im Frieden nicht über das vollendete 31. Lebens-
jahr hinaus im Dienst zurückbehalten werden 1). Dieselbe Ver-
pflichtung trifft die Söhne ausgewanderter und wieder in das Deutsche
Reich zurückgekehrter Personen, sofern sie keine andere Staatsan-
gehörigkeit erworben haben 2). Auch Personen des Beurlaubten-
standes und der Ersatzreserve I. Kl., welche nach erfolgter Aus-
wanderung vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder naturalisirt
werden, sind ebenfalls wieder wehrpflichtig und treten in den-
jenigen Jahrgang ein, dem sie ohne die stattgehabte Auswanderung
angehört haben würden 3).

6. Die Erfüllung der Wehrpflicht ist auch außer den erwähn-
ten Bestimmungen über die Auswanderung durch eine Anzahl von
Strafdrohungen gesichert. Die meisten derselben betreffen die ein-
zelnen
in der allgemeinen Wehrpflicht enthaltenen Verpflichtungen
und können daher erst bei Erörterung der letzteren dargestellt wer-
den; auf die Wehrpflicht im Allgemeinen aber 4) beziehen sich
folgende Vorschriften:

a) "Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder
auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht
oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit Ge-
fängniß nicht unter Einem Jahre bestraft; auch kann auf Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft
denjenigen, welcher einen Anderen auf dessen Verlangen zur Er-
füllung der Wehrpflicht untauglich macht" 5). Zum Thatbestande
ist nicht erforderlich, daß die Handlung die gänzliche Untaug-
lichkeit zum Militairdienst herbeiführt; die Strafe ist auch dann

1) Milit.Ges. §. 11 Abs. 1 und 3. Im Falle eines Krieges unterliegen
sie der Ersatzreserve- und Landsturmpflicht; unter Umständen können sie auch
landwehrpflichtig sein.
2) Mil.Ges. §. 11 Abs. 2.
3) Mil.Ges. §. 68, 69 Ziff. 7.
4) Also z. B. auch auf die Ersatzreserve- und Landsturmpflicht.
5) St.G.B. § 142. Wird das Delict von Personen des Soldatenstandes
oder von den im Milit.Ges. §. 56 unter 2--4 bezeichneten Mannschaften des
Beurlaubtenstandes verübt, so finden die Anordnungen des Milit.Strafgesetzb.
§. 81 und 82 Anwendung. Vgl. Milit.Ges. §. 60 Ziff. 3.
Laband, Reichsstaatsrecht. III. 10

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
hin auch die Militairpflicht, gleichviel ob der zurückkehrende Auswan-
derer die Reichsangehörigkeit wieder erworben hat oder „ſtaaten-
los“ den Aufenthalt in Deutſchland genommen hat. Jedoch können
ſolche Perſonen im Frieden nicht über das vollendete 31. Lebens-
jahr hinaus im Dienſt zurückbehalten werden 1). Dieſelbe Ver-
pflichtung trifft die Söhne ausgewanderter und wieder in das Deutſche
Reich zurückgekehrter Perſonen, ſofern ſie keine andere Staatsan-
gehörigkeit erworben haben 2). Auch Perſonen des Beurlaubten-
ſtandes und der Erſatzreſerve I. Kl., welche nach erfolgter Aus-
wanderung vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder naturaliſirt
werden, ſind ebenfalls wieder wehrpflichtig und treten in den-
jenigen Jahrgang ein, dem ſie ohne die ſtattgehabte Auswanderung
angehört haben würden 3).

6. Die Erfüllung der Wehrpflicht iſt auch außer den erwähn-
ten Beſtimmungen über die Auswanderung durch eine Anzahl von
Strafdrohungen geſichert. Die meiſten derſelben betreffen die ein-
zelnen
in der allgemeinen Wehrpflicht enthaltenen Verpflichtungen
und können daher erſt bei Erörterung der letzteren dargeſtellt wer-
den; auf die Wehrpflicht im Allgemeinen aber 4) beziehen ſich
folgende Vorſchriften:

a) „Wer ſich vorſätzlich durch Selbſtverſtümmelung oder
auf andere Weiſe zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht
oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit Ge-
fängniß nicht unter Einem Jahre beſtraft; auch kann auf Verluſt
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieſelbe Strafe trifft
denjenigen, welcher einen Anderen auf deſſen Verlangen zur Er-
füllung der Wehrpflicht untauglich macht“ 5). Zum Thatbeſtande
iſt nicht erforderlich, daß die Handlung die gänzliche Untaug-
lichkeit zum Militairdienſt herbeiführt; die Strafe iſt auch dann

1) Milit.Geſ. §. 11 Abſ. 1 und 3. Im Falle eines Krieges unterliegen
ſie der Erſatzreſerve- und Landſturmpflicht; unter Umſtänden können ſie auch
landwehrpflichtig ſein.
2) Mil.Geſ. §. 11 Abſ. 2.
3) Mil.Geſ. §. 68, 69 Ziff. 7.
4) Alſo z. B. auch auf die Erſatzreſerve- und Landſturmpflicht.
5) St.G.B. § 142. Wird das Delict von Perſonen des Soldatenſtandes
oder von den im Milit.Geſ. §. 56 unter 2—4 bezeichneten Mannſchaften des
Beurlaubtenſtandes verübt, ſo finden die Anordnungen des Milit.Strafgeſetzb.
§. 81 und 82 Anwendung. Vgl. Milit.Geſ. §. 60 Ziff. 3.
Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 10
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[145/0155] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. hin auch die Militairpflicht, gleichviel ob der zurückkehrende Auswan- derer die Reichsangehörigkeit wieder erworben hat oder „ſtaaten- los“ den Aufenthalt in Deutſchland genommen hat. Jedoch können ſolche Perſonen im Frieden nicht über das vollendete 31. Lebens- jahr hinaus im Dienſt zurückbehalten werden 1). Dieſelbe Ver- pflichtung trifft die Söhne ausgewanderter und wieder in das Deutſche Reich zurückgekehrter Perſonen, ſofern ſie keine andere Staatsan- gehörigkeit erworben haben 2). Auch Perſonen des Beurlaubten- ſtandes und der Erſatzreſerve I. Kl., welche nach erfolgter Aus- wanderung vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder naturaliſirt werden, ſind ebenfalls wieder wehrpflichtig und treten in den- jenigen Jahrgang ein, dem ſie ohne die ſtattgehabte Auswanderung angehört haben würden 3). 6. Die Erfüllung der Wehrpflicht iſt auch außer den erwähn- ten Beſtimmungen über die Auswanderung durch eine Anzahl von Strafdrohungen geſichert. Die meiſten derſelben betreffen die ein- zelnen in der allgemeinen Wehrpflicht enthaltenen Verpflichtungen und können daher erſt bei Erörterung der letzteren dargeſtellt wer- den; auf die Wehrpflicht im Allgemeinen aber 4) beziehen ſich folgende Vorſchriften: a) „Wer ſich vorſätzlich durch Selbſtverſtümmelung oder auf andere Weiſe zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit Ge- fängniß nicht unter Einem Jahre beſtraft; auch kann auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieſelbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen Anderen auf deſſen Verlangen zur Er- füllung der Wehrpflicht untauglich macht“ 5). Zum Thatbeſtande iſt nicht erforderlich, daß die Handlung die gänzliche Untaug- lichkeit zum Militairdienſt herbeiführt; die Strafe iſt auch dann 1) Milit.Geſ. §. 11 Abſ. 1 und 3. Im Falle eines Krieges unterliegen ſie der Erſatzreſerve- und Landſturmpflicht; unter Umſtänden können ſie auch landwehrpflichtig ſein. 2) Mil.Geſ. §. 11 Abſ. 2. 3) Mil.Geſ. §. 68, 69 Ziff. 7. 4) Alſo z. B. auch auf die Erſatzreſerve- und Landſturmpflicht. 5) St.G.B. § 142. Wird das Delict von Perſonen des Soldatenſtandes oder von den im Milit.Geſ. §. 56 unter 2—4 bezeichneten Mannſchaften des Beurlaubtenſtandes verübt, ſo finden die Anordnungen des Milit.Strafgeſetzb. §. 81 und 82 Anwendung. Vgl. Milit.Geſ. §. 60 Ziff. 3. Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 10

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/155>, abgerufen am 21.11.2024.