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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
zeitraubende Vorbildung voraussetzt, so führt er auch nicht über
ein gewisses niedriges Niveau hinaus; sowie er vorzugsweise phy-
sische Kraftleistungen und Ausdauer erfordert, an Kenntnisse und
Urtheilskraft dagegen mindere Anforderungen stellt, so verliert sich
auch die Qualifikation mit dem höheren Alter; er bildet daher
nicht die Laufbahn für das ganze Leben, sondern er ist gewöhnlich
nur ein Durchgangsstadium, aus welchem man in andere Lebens-
stellungen einzutreten pflegt. Daraus ergiebt sich eine Verschieden-
heit in der juristischen Gestaltung des Verhältnisses.

Die Personen des höheren und niederen (berufsmäßigen) Mi-
litairdienstes kann man kurz einander gegenüberstellen als Offiziere
und Unteroffiziere; nur ist dabei zu beachten, daß auch die Aspi-
ranten des höhern Militairdienstes regelmäßig als sogen. Portepee-
Fähnriche resp. als Seekadetten durch die Unteroffiziersstellung hin-
durchgehen müssen und daß andererseits den Unteroffizieren die
Beförderung zu höheren Dienststellungen von Rechtswegen nicht
verschlossen ist.

II. Das Dienstverhältniß der Offiziere.

1. Die Qualifikation zum Offizier und die Er-
gänzung des Offizierkorps
. Die Grundprinzipien über
die Zulassung zu den Offizierstellen im Heere sind enthalten in
der Kabinets-Ordre v. 6. August 1808 1). Sie stellt den
Grundsatz an die Spitze: "Einen Anspruch auf Offfzierstellen sollen
von nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und Bil-
dung
gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit
und Ueberblick
. Aus der ganzen Nation können daher alle
Individuen, die diese Eigenschaften besitzen, auf die höchsten Ehren-
stellen im Militair Anspruch machen. Aller bisher stattgehabte
Vorzug des Standes hört beim Militair ganz auf und jeder ohne
Rücksicht auf seine Herkunft hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte."
Sie erkennt ferner als Vorstufe für die Offiziersstellung den Dienst
als Portepeefähnrich an und sanktionirt den Grundsatz, daß
"wenn eine vakante Offizierstelle besetzt werden soll, dieselbe durch
Wahl des Offizier-Korps aus der Zahl der Portepeefähnriche

1) Auszugsweise abgedruckt bei v. Helldorff. Dienstvorschriften der
Kgl. Preuß. Armee I. Th. 2. Abth. S. 2.

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
zeitraubende Vorbildung vorausſetzt, ſo führt er auch nicht über
ein gewiſſes niedriges Niveau hinaus; ſowie er vorzugsweiſe phy-
ſiſche Kraftleiſtungen und Ausdauer erfordert, an Kenntniſſe und
Urtheilskraft dagegen mindere Anforderungen ſtellt, ſo verliert ſich
auch die Qualifikation mit dem höheren Alter; er bildet daher
nicht die Laufbahn für das ganze Leben, ſondern er iſt gewöhnlich
nur ein Durchgangsſtadium, aus welchem man in andere Lebens-
ſtellungen einzutreten pflegt. Daraus ergiebt ſich eine Verſchieden-
heit in der juriſtiſchen Geſtaltung des Verhältniſſes.

Die Perſonen des höheren und niederen (berufsmäßigen) Mi-
litairdienſtes kann man kurz einander gegenüberſtellen als Offiziere
und Unteroffiziere; nur iſt dabei zu beachten, daß auch die Aſpi-
ranten des höhern Militairdienſtes regelmäßig als ſogen. Portepee-
Fähnriche reſp. als Seekadetten durch die Unteroffiziersſtellung hin-
durchgehen müſſen und daß andererſeits den Unteroffizieren die
Beförderung zu höheren Dienſtſtellungen von Rechtswegen nicht
verſchloſſen iſt.

II. Das Dienſtverhältniß der Offiziere.

1. Die Qualifikation zum Offizier und die Er-
gänzung des Offizierkorps
. Die Grundprinzipien über
die Zulaſſung zu den Offizierſtellen im Heere ſind enthalten in
der Kabinets-Ordre v. 6. Auguſt 1808 1). Sie ſtellt den
Grundſatz an die Spitze: „Einen Anſpruch auf Offfzierſtellen ſollen
von nun an in Friedenszeiten nur Kenntniſſe und Bil-
dung
gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit
und Ueberblick
. Aus der ganzen Nation können daher alle
Individuen, die dieſe Eigenſchaften beſitzen, auf die höchſten Ehren-
ſtellen im Militair Anſpruch machen. Aller bisher ſtattgehabte
Vorzug des Standes hört beim Militair ganz auf und jeder ohne
Rückſicht auf ſeine Herkunft hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte.“
Sie erkennt ferner als Vorſtufe für die Offiziersſtellung den Dienſt
als Portepeefähnrich an und ſanktionirt den Grundſatz, daß
„wenn eine vakante Offizierſtelle beſetzt werden ſoll, dieſelbe durch
Wahl des Offizier-Korps aus der Zahl der Portepeefähnriche

1) Auszugsweiſe abgedruckt bei v. Helldorff. Dienſtvorſchriften der
Kgl. Preuß. Armee I. Th. 2. Abth. S. 2.
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[213/0223] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. zeitraubende Vorbildung vorausſetzt, ſo führt er auch nicht über ein gewiſſes niedriges Niveau hinaus; ſowie er vorzugsweiſe phy- ſiſche Kraftleiſtungen und Ausdauer erfordert, an Kenntniſſe und Urtheilskraft dagegen mindere Anforderungen ſtellt, ſo verliert ſich auch die Qualifikation mit dem höheren Alter; er bildet daher nicht die Laufbahn für das ganze Leben, ſondern er iſt gewöhnlich nur ein Durchgangsſtadium, aus welchem man in andere Lebens- ſtellungen einzutreten pflegt. Daraus ergiebt ſich eine Verſchieden- heit in der juriſtiſchen Geſtaltung des Verhältniſſes. Die Perſonen des höheren und niederen (berufsmäßigen) Mi- litairdienſtes kann man kurz einander gegenüberſtellen als Offiziere und Unteroffiziere; nur iſt dabei zu beachten, daß auch die Aſpi- ranten des höhern Militairdienſtes regelmäßig als ſogen. Portepee- Fähnriche reſp. als Seekadetten durch die Unteroffiziersſtellung hin- durchgehen müſſen und daß andererſeits den Unteroffizieren die Beförderung zu höheren Dienſtſtellungen von Rechtswegen nicht verſchloſſen iſt. II. Das Dienſtverhältniß der Offiziere. 1. Die Qualifikation zum Offizier und die Er- gänzung des Offizierkorps. Die Grundprinzipien über die Zulaſſung zu den Offizierſtellen im Heere ſind enthalten in der Kabinets-Ordre v. 6. Auguſt 1808 1). Sie ſtellt den Grundſatz an die Spitze: „Einen Anſpruch auf Offfzierſtellen ſollen von nun an in Friedenszeiten nur Kenntniſſe und Bil- dung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit und Ueberblick. Aus der ganzen Nation können daher alle Individuen, die dieſe Eigenſchaften beſitzen, auf die höchſten Ehren- ſtellen im Militair Anſpruch machen. Aller bisher ſtattgehabte Vorzug des Standes hört beim Militair ganz auf und jeder ohne Rückſicht auf ſeine Herkunft hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte.“ Sie erkennt ferner als Vorſtufe für die Offiziersſtellung den Dienſt als Portepeefähnrich an und ſanktionirt den Grundſatz, daß „wenn eine vakante Offizierſtelle beſetzt werden ſoll, dieſelbe durch Wahl des Offizier-Korps aus der Zahl der Portepeefähnriche 1) Auszugsweiſe abgedruckt bei v. Helldorff. Dienſtvorſchriften der Kgl. Preuß. Armee I. Th. 2. Abth. S. 2.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/223>, abgerufen am 24.11.2024.