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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
oder einer Abtheilung derselben angeordnet wird, mit der Bekannt-
machung dieser Anordnung jede Urlaubsbewilligung erlischt 1). Be-
amte, welche in einem doppelten Unterordnungs-Verhältniß stehen,
haben den Urlaub zwar in der Regel bei dem Verwaltungsvorge-
setzten nachzusuchen; derselbe darf den Urlaub aber nur bewilligen,
wenn der Militärvorgesetzte sein Einverständniß ertheilt hat 2).

Ueber den Dienstweg und die Behandlung von Be-
schwerden
gelten für Militairbeamte dieselben Vorschriften, wie
für Personen des Soldatenstandes mit den in den §§ 24--26 der
V. v. 6. März 1873 enthaltenen Modifikationen 3). Insbesondere
ist das im II. Abschnitt der erwähnten Verordn. für Offiziere etc.
vorgeschriebene Vermittlungsverfahren den Militairbeamten freige-
stellt, aber für sie nicht obligatorisch.

b) Die Vorschriften des Reichsmilitairgesetztes §§ 39 ff.
über die besonderen Rechtsregeln für Militairpersonen 4) finden
auch auf Militairbeamte Anwendung mit alleiniger Ausnahme des
§ 49 Abs. 1, welcher die Suspension des Wahlrechts für die Per-
sonen des Soldatenstandes ausspricht 5). Ebenso sind Militairbe-
amte denselben Auswanderungsbeschränkungen wie andere Militair-
personen des aktiven Heeres oder der Flotte unterworfen 6).

c) Das Militair-Strafgesetzbuch findet im Frieden
auf Militairbeamte keine Anwendung 7). Die Motive zum Ent-
wurf dieses Gesetzbuches 8) begründen dies damit, daß, während
für die Personen des Soldatenstandes als leitendes Princip bei
Ausübung ihrer Dienstobliegenheiten der pünktliche Gehorsam gegen
den Vorgesetzten anzusehen sei, der Militairbeamte das ihm über-
tragene Amt nach den Grundsätzen seiner Wissenschaft oder nach

1) V. v. 2. Nov. 1874 §. 7 Abs. 2. (R.G.Bl. S. 130.)
2) Verf. des Kriegsminist. v. 15. Juni 1875 (Armee-Ver.-Blatt S. 128).
Daselbst ist zugleich verkündigt die "Nachweisung der Stellen, welche zur
Ertheilung von Urlaub an Beamte der Militair-Verwaltung berechtigt sind,
sowie der Zeiträume, für welche Urlaub gewährt werden darf."
3) Armee-V.Bl. 1873 S. 63.
4) Vgl. die näheren Erörterungen hierüber unten §. 90.
5) Vgl. Bd. I S. 525.
6) R.G. v. 1. Juli 1870 §. 15 Abs. 2. Vgl. Bd. I S. 172.
7) Mil.St.G.B. §. 153.
8) Drucksachen des Reichstages 1872 Nro. 5 S. 118 (zu §§. 162. 163 des
Entwurfs).

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
oder einer Abtheilung derſelben angeordnet wird, mit der Bekannt-
machung dieſer Anordnung jede Urlaubsbewilligung erliſcht 1). Be-
amte, welche in einem doppelten Unterordnungs-Verhältniß ſtehen,
haben den Urlaub zwar in der Regel bei dem Verwaltungsvorge-
ſetzten nachzuſuchen; derſelbe darf den Urlaub aber nur bewilligen,
wenn der Militärvorgeſetzte ſein Einverſtändniß ertheilt hat 2).

Ueber den Dienſtweg und die Behandlung von Be-
ſchwerden
gelten für Militairbeamte dieſelben Vorſchriften, wie
für Perſonen des Soldatenſtandes mit den in den §§ 24—26 der
V. v. 6. März 1873 enthaltenen Modifikationen 3). Insbeſondere
iſt das im II. Abſchnitt der erwähnten Verordn. für Offiziere ꝛc.
vorgeſchriebene Vermittlungsverfahren den Militairbeamten freige-
ſtellt, aber für ſie nicht obligatoriſch.

b) Die Vorſchriften des Reichsmilitairgeſetztes §§ 39 ff.
über die beſonderen Rechtsregeln für Militairperſonen 4) finden
auch auf Militairbeamte Anwendung mit alleiniger Ausnahme des
§ 49 Abſ. 1, welcher die Suspenſion des Wahlrechts für die Per-
ſonen des Soldatenſtandes ausſpricht 5). Ebenſo ſind Militairbe-
amte denſelben Auswanderungsbeſchränkungen wie andere Militair-
perſonen des aktiven Heeres oder der Flotte unterworfen 6).

c) Das Militair-Strafgeſetzbuch findet im Frieden
auf Militairbeamte keine Anwendung 7). Die Motive zum Ent-
wurf dieſes Geſetzbuches 8) begründen dies damit, daß, während
für die Perſonen des Soldatenſtandes als leitendes Princip bei
Ausübung ihrer Dienſtobliegenheiten der pünktliche Gehorſam gegen
den Vorgeſetzten anzuſehen ſei, der Militairbeamte das ihm über-
tragene Amt nach den Grundſätzen ſeiner Wiſſenſchaft oder nach

1) V. v. 2. Nov. 1874 §. 7 Abſ. 2. (R.G.Bl. S. 130.)
2) Verf. des Kriegsminiſt. v. 15. Juni 1875 (Armee-Ver.-Blatt S. 128).
Daſelbſt iſt zugleich verkündigt die „Nachweiſung der Stellen, welche zur
Ertheilung von Urlaub an Beamte der Militair-Verwaltung berechtigt ſind,
ſowie der Zeiträume, für welche Urlaub gewährt werden darf.“
3) Armee-V.Bl. 1873 S. 63.
4) Vgl. die näheren Erörterungen hierüber unten §. 90.
5) Vgl. Bd. I S. 525.
6) R.G. v. 1. Juli 1870 §. 15 Abſ. 2. Vgl. Bd. I S. 172.
7) Mil.St.G.B. §. 153.
8) Druckſachen des Reichstages 1872 Nro. 5 S. 118 (zu §§. 162. 163 des
Entwurfs).
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[249/0259] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. oder einer Abtheilung derſelben angeordnet wird, mit der Bekannt- machung dieſer Anordnung jede Urlaubsbewilligung erliſcht 1). Be- amte, welche in einem doppelten Unterordnungs-Verhältniß ſtehen, haben den Urlaub zwar in der Regel bei dem Verwaltungsvorge- ſetzten nachzuſuchen; derſelbe darf den Urlaub aber nur bewilligen, wenn der Militärvorgeſetzte ſein Einverſtändniß ertheilt hat 2). Ueber den Dienſtweg und die Behandlung von Be- ſchwerden gelten für Militairbeamte dieſelben Vorſchriften, wie für Perſonen des Soldatenſtandes mit den in den §§ 24—26 der V. v. 6. März 1873 enthaltenen Modifikationen 3). Insbeſondere iſt das im II. Abſchnitt der erwähnten Verordn. für Offiziere ꝛc. vorgeſchriebene Vermittlungsverfahren den Militairbeamten freige- ſtellt, aber für ſie nicht obligatoriſch. b) Die Vorſchriften des Reichsmilitairgeſetztes §§ 39 ff. über die beſonderen Rechtsregeln für Militairperſonen 4) finden auch auf Militairbeamte Anwendung mit alleiniger Ausnahme des § 49 Abſ. 1, welcher die Suspenſion des Wahlrechts für die Per- ſonen des Soldatenſtandes ausſpricht 5). Ebenſo ſind Militairbe- amte denſelben Auswanderungsbeſchränkungen wie andere Militair- perſonen des aktiven Heeres oder der Flotte unterworfen 6). c) Das Militair-Strafgeſetzbuch findet im Frieden auf Militairbeamte keine Anwendung 7). Die Motive zum Ent- wurf dieſes Geſetzbuches 8) begründen dies damit, daß, während für die Perſonen des Soldatenſtandes als leitendes Princip bei Ausübung ihrer Dienſtobliegenheiten der pünktliche Gehorſam gegen den Vorgeſetzten anzuſehen ſei, der Militairbeamte das ihm über- tragene Amt nach den Grundſätzen ſeiner Wiſſenſchaft oder nach 1) V. v. 2. Nov. 1874 §. 7 Abſ. 2. (R.G.Bl. S. 130.) 2) Verf. des Kriegsminiſt. v. 15. Juni 1875 (Armee-Ver.-Blatt S. 128). Daſelbſt iſt zugleich verkündigt die „Nachweiſung der Stellen, welche zur Ertheilung von Urlaub an Beamte der Militair-Verwaltung berechtigt ſind, ſowie der Zeiträume, für welche Urlaub gewährt werden darf.“ 3) Armee-V.Bl. 1873 S. 63. 4) Vgl. die näheren Erörterungen hierüber unten §. 90. 5) Vgl. Bd. I S. 525. 6) R.G. v. 1. Juli 1870 §. 15 Abſ. 2. Vgl. Bd. I S. 172. 7) Mil.St.G.B. §. 153. 8) Druckſachen des Reichstages 1872 Nro. 5 S. 118 (zu §§. 162. 163 des Entwurfs).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/259>, abgerufen am 22.11.2024.