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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 90. Einfluß d. Militairdienst-Verhältnisses auf and. Rechtsverhältnisse.

Nach der Bayerischen Milit.Strafger.Ordn. Art. 8 und 9
kommt es lediglich darauf an, ob gegen die Militairperson vor
ihrem Eintritt in den aktiven Dienst von dem bürgerlichen Richter
oder Staatsanwalt bereits die Strafverfolgung begonnen worden
ist oder nicht; in dem ersteren Falle sind die bürgerlichen, in dem
andern die militairischen Gerichte zuständig. Nach der Württem-
gischen
Mil.St.G.O. § 128 fällt die Untersuchung und Entschei-
dung der vor dem Eintritt in den Militairdienst begangenen und
erst nach dem Eintritt zur Sprache kommenden Verbrechen und
Vergehen ohne Einschränkung den bürgerlichen Gerichten zu.

Der Militairgerichtsstand hört auf durch Ausscheiden aus
dem Militairverhältniß 1), gleichviel ob die Lösung des letzteren
freiwillig oder durch Urtheil erfolgt 2). Mit der Beendigung des
Militair-Gerichtsstandes hört auch die Befugniß der Militairbe-
hörden zur Strafvollstreckung auf; wenn daher das Militair-
gericht auf Zuchthausstrafe oder neben einer Freiheitsstrafe auf
Entfernung aus dem Heer oder der Marine oder auf Dienstent-
lassung erkannt hat oder wenn das militairische Dienstverhältniß
aus einem andern Grunde aufgelöst wird, so geht die Vollstreck-
ung der Strafe auf die bürgerlichen Behörden über 3). Zur Kom-

ausgeführt, daß der gesetzgeb. Wille im §. 9 cit. dahin geht, den Militairge-
richten die Bestrafung in solchen Fällen zu überweisen, in denen die zu ver-
hängende Freiheitsstrafe in einem militairischen Arrestlokale abgebüßt wer-
den kann; da nun nach dem Mil.St.G.B. Freiheitsstrafen von längerer als
sechswöchentlicher Dauer in Militair-Arrestlokalen nicht vollstreckt werden können,
so werden die Untersuchungen an das Civilgericht in allen Fällen zu über-
weisen sein, in denen eine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Wochen zu erwarten
ist, (nicht von mehr als 3 Monaten). -- Bestätigt wird dies durch die bei
Publikation der Strafger.O. im Bundesgesetzbl. von 1867 dem §. 9 cit. bei-
gefügte "Anmerkung" S. 232.
1) Die Verabschiedung der Offiziere mit Pension gilt nicht als gänzliches
Ausscheiden; siehe oben S. 235.
2) Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 16.
3) Mil.Strafgesetzb. §. 15 Abs. 8. Hierzu hat der Bundesrath am
19. Febr. 1875 beschlossen, daß die Vollstreckung der von Militairgerichten er-
kannten Strafen übergeht auf die Behörden des Heimathsstaates des Ver-
urtheilten, wenn entweder die strafbare Handlung außerhalb des Bundesgebietes
verübt worden, oder der Verurtheilte im Gebiet des Heimathsstaates sich auf-
hält, in andern Fällen auf die bürgerlichen Behörden desjenigen Bundesstaates,
in dessen Gebiet die strafbare Handlung verübt worden ist. Armee-V.Bl.
§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.

Nach der Bayeriſchen Milit.Strafger.Ordn. Art. 8 und 9
kommt es lediglich darauf an, ob gegen die Militairperſon vor
ihrem Eintritt in den aktiven Dienſt von dem bürgerlichen Richter
oder Staatsanwalt bereits die Strafverfolgung begonnen worden
iſt oder nicht; in dem erſteren Falle ſind die bürgerlichen, in dem
andern die militairiſchen Gerichte zuſtändig. Nach der Württem-
giſchen
Mil.St.G.O. § 128 fällt die Unterſuchung und Entſchei-
dung der vor dem Eintritt in den Militairdienſt begangenen und
erſt nach dem Eintritt zur Sprache kommenden Verbrechen und
Vergehen ohne Einſchränkung den bürgerlichen Gerichten zu.

Der Militairgerichtsſtand hört auf durch Ausſcheiden aus
dem Militairverhältniß 1), gleichviel ob die Löſung des letzteren
freiwillig oder durch Urtheil erfolgt 2). Mit der Beendigung des
Militair-Gerichtsſtandes hört auch die Befugniß der Militairbe-
hörden zur Strafvollſtreckung auf; wenn daher das Militair-
gericht auf Zuchthausſtrafe oder neben einer Freiheitsſtrafe auf
Entfernung aus dem Heer oder der Marine oder auf Dienſtent-
laſſung erkannt hat oder wenn das militairiſche Dienſtverhältniß
aus einem andern Grunde aufgelöſt wird, ſo geht die Vollſtreck-
ung der Strafe auf die bürgerlichen Behörden über 3). Zur Kom-

ausgeführt, daß der geſetzgeb. Wille im §. 9 cit. dahin geht, den Militairge-
richten die Beſtrafung in ſolchen Fällen zu überweiſen, in denen die zu ver-
hängende Freiheitsſtrafe in einem militairiſchen Arreſtlokale abgebüßt wer-
den kann; da nun nach dem Mil.St.G.B. Freiheitsſtrafen von längerer als
ſechswöchentlicher Dauer in Militair-Arreſtlokalen nicht vollſtreckt werden können,
ſo werden die Unterſuchungen an das Civilgericht in allen Fällen zu über-
weiſen ſein, in denen eine Freiheitsſtrafe von mehr als 6 Wochen zu erwarten
iſt, (nicht von mehr als 3 Monaten). — Beſtätigt wird dies durch die bei
Publikation der Strafger.O. im Bundesgeſetzbl. von 1867 dem §. 9 cit. bei-
gefügte „Anmerkung“ S. 232.
1) Die Verabſchiedung der Offiziere mit Penſion gilt nicht als gänzliches
Ausſcheiden; ſiehe oben S. 235.
2) Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 16.
3) Mil.Strafgeſetzb. §. 15 Abſ. 8. Hierzu hat der Bundesrath am
19. Febr. 1875 beſchloſſen, daß die Vollſtreckung der von Militairgerichten er-
kannten Strafen übergeht auf die Behörden des Heimathsſtaates des Ver-
urtheilten, wenn entweder die ſtrafbare Handlung außerhalb des Bundesgebietes
verübt worden, oder der Verurtheilte im Gebiet des Heimathsſtaates ſich auf-
hält, in andern Fällen auf die bürgerlichen Behörden desjenigen Bundesſtaates,
in deſſen Gebiet die ſtrafbare Handlung verübt worden iſt. Armee-V.Bl.
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[255/0265] §. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe. Nach der Bayeriſchen Milit.Strafger.Ordn. Art. 8 und 9 kommt es lediglich darauf an, ob gegen die Militairperſon vor ihrem Eintritt in den aktiven Dienſt von dem bürgerlichen Richter oder Staatsanwalt bereits die Strafverfolgung begonnen worden iſt oder nicht; in dem erſteren Falle ſind die bürgerlichen, in dem andern die militairiſchen Gerichte zuſtändig. Nach der Württem- giſchen Mil.St.G.O. § 128 fällt die Unterſuchung und Entſchei- dung der vor dem Eintritt in den Militairdienſt begangenen und erſt nach dem Eintritt zur Sprache kommenden Verbrechen und Vergehen ohne Einſchränkung den bürgerlichen Gerichten zu. Der Militairgerichtsſtand hört auf durch Ausſcheiden aus dem Militairverhältniß 1), gleichviel ob die Löſung des letzteren freiwillig oder durch Urtheil erfolgt 2). Mit der Beendigung des Militair-Gerichtsſtandes hört auch die Befugniß der Militairbe- hörden zur Strafvollſtreckung auf; wenn daher das Militair- gericht auf Zuchthausſtrafe oder neben einer Freiheitsſtrafe auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine oder auf Dienſtent- laſſung erkannt hat oder wenn das militairiſche Dienſtverhältniß aus einem andern Grunde aufgelöſt wird, ſo geht die Vollſtreck- ung der Strafe auf die bürgerlichen Behörden über 3). Zur Kom- 5) 1) Die Verabſchiedung der Offiziere mit Penſion gilt nicht als gänzliches Ausſcheiden; ſiehe oben S. 235. 2) Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 16. 3) Mil.Strafgeſetzb. §. 15 Abſ. 8. Hierzu hat der Bundesrath am 19. Febr. 1875 beſchloſſen, daß die Vollſtreckung der von Militairgerichten er- kannten Strafen übergeht auf die Behörden des Heimathsſtaates des Ver- urtheilten, wenn entweder die ſtrafbare Handlung außerhalb des Bundesgebietes verübt worden, oder der Verurtheilte im Gebiet des Heimathsſtaates ſich auf- hält, in andern Fällen auf die bürgerlichen Behörden desjenigen Bundesſtaates, in deſſen Gebiet die ſtrafbare Handlung verübt worden iſt. Armee-V.Bl. 5) ausgeführt, daß der geſetzgeb. Wille im §. 9 cit. dahin geht, den Militairge- richten die Beſtrafung in ſolchen Fällen zu überweiſen, in denen die zu ver- hängende Freiheitsſtrafe in einem militairiſchen Arreſtlokale abgebüßt wer- den kann; da nun nach dem Mil.St.G.B. Freiheitsſtrafen von längerer als ſechswöchentlicher Dauer in Militair-Arreſtlokalen nicht vollſtreckt werden können, ſo werden die Unterſuchungen an das Civilgericht in allen Fällen zu über- weiſen ſein, in denen eine Freiheitsſtrafe von mehr als 6 Wochen zu erwarten iſt, (nicht von mehr als 3 Monaten). — Beſtätigt wird dies durch die bei Publikation der Strafger.O. im Bundesgeſetzbl. von 1867 dem §. 9 cit. bei- gefügte „Anmerkung“ S. 232.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/265>, abgerufen am 22.11.2024.