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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 90. Einfluß d. Militairdienst-Verhältnisses auf and. Rechtsverhältnisse.
petenz der bürgerlichen Gerichte gehört ferner die Aburtheilung der
von Militairpersonen begangenen militairischen oder gemeinen Ver-
brechen oder Vergehen, wenn die Untersuchung erst nach dem gänz-
lichen Ausscheiden des Angeschuldigten aus dem Militair-Verhält-
niß eingeleitet wird 1).

Die Zuständigkeit der einzelnen Militairgerichte ist von der
Staatsangehörigkeit der Militairpersonen unabhängig, sie bestimmt
sich lediglich nach dem Militairdienstverhältniß, so daß z. B. ein
Preuße, der seiner Wehrpflicht in einem bayerischen Truppentheil
genügt, dem entsprechenden bayerischen Militairgericht unterworfen
ist. Diesem Grundsatz gemäß ist auch die nach den Militairgesetzen
erforderliche Genehmigung zur Einleitung eines strafgerichtlichen
Verfahrens, sowie die Bestätigung gerichtlicher, disciplinarischer
oder ehrengerichtlicher Urtheile von dem zuständigen Militairbefehls-
haber, resp. von dem Kontingentsherrn zu ertheilen, mithin
in allen, mit der Preußischen Armee verbundenen Kontingenten
von dem Könige von Preußen, da auf diesen die Rechte der Kon-
tingentsherren übergegangen sind 2); in den Kontingenten von
Bayern, Württemberg und Sachsen von den betreffenden Landes-
herrn 3).

Mit diesen in der militairischen Gerichtsherrlichkeit begründe-

1875 S. 73. -- Für Württemberg ist ein besonderes Regl. über den Voll-
zug militairgerichtlich erkannter Freiheitsstrafen durch die bürgerl. Behörden
erlassen. Mil.V.Bl. 1873 S. 53. 1876 S. 44.
1) Preuß. Mil.St.G.O. §. 17. Ist der Thäter nicht entlassen, sondern
in den Beurlaubtenstand übergetreten, so sind die Civilgerichte nur dann zu-
ständig, wenn das von ihm während des aktiven Dienststandes verübte Delict
zu den nicht militairischen gehört und auch mit keinem gerichtlich zu bestrafen-
den militairischen Delict zusammentrifft. ebendas. §. 15.
2) Eine Ausnahme besteht lediglich in den Kontingenten von Hessen und
Mecklenburg, indem hier in denjenigen Fällen, in denen zur Einleitung
eines gerichtlichen Verfahrens oder zur Bestätigung eines Erkenntnisses die
Entschließung des Königs erforderlich ist, hinsichtlich der Großherzogl. Un-
terthanen
das Einverständniß des Landesherrn eingeholt werden soll; in
Mecklenburg jedoch dann nicht, wenn das Erkenntniß auf Entlassung aus dem
Dienste lautet. Vgl. Hessische Milit.Konv. Art. 14 Abs. 2. Mecklen-
burg-Schwerin
und Mecklenburg-Strelitz Milit.Konv. Art. 6 Abs.
2 und 4.
3) Ausdrückliche Anerkennung hat dies erhalten in der Württemb.
Mil.Konv. Art. 5.

§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.
petenz der bürgerlichen Gerichte gehört ferner die Aburtheilung der
von Militairperſonen begangenen militairiſchen oder gemeinen Ver-
brechen oder Vergehen, wenn die Unterſuchung erſt nach dem gänz-
lichen Ausſcheiden des Angeſchuldigten aus dem Militair-Verhält-
niß eingeleitet wird 1).

Die Zuſtändigkeit der einzelnen Militairgerichte iſt von der
Staatsangehörigkeit der Militairperſonen unabhängig, ſie beſtimmt
ſich lediglich nach dem Militairdienſtverhältniß, ſo daß z. B. ein
Preuße, der ſeiner Wehrpflicht in einem bayeriſchen Truppentheil
genügt, dem entſprechenden bayeriſchen Militairgericht unterworfen
iſt. Dieſem Grundſatz gemäß iſt auch die nach den Militairgeſetzen
erforderliche Genehmigung zur Einleitung eines ſtrafgerichtlichen
Verfahrens, ſowie die Beſtätigung gerichtlicher, disciplinariſcher
oder ehrengerichtlicher Urtheile von dem zuſtändigen Militairbefehls-
haber, reſp. von dem Kontingentsherrn zu ertheilen, mithin
in allen, mit der Preußiſchen Armee verbundenen Kontingenten
von dem Könige von Preußen, da auf dieſen die Rechte der Kon-
tingentsherren übergegangen ſind 2); in den Kontingenten von
Bayern, Württemberg und Sachſen von den betreffenden Landes-
herrn 3).

Mit dieſen in der militairiſchen Gerichtsherrlichkeit begründe-

1875 S. 73. — Für Württemberg iſt ein beſonderes Regl. über den Voll-
zug militairgerichtlich erkannter Freiheitsſtrafen durch die bürgerl. Behörden
erlaſſen. Mil.V.Bl. 1873 S. 53. 1876 S. 44.
1) Preuß. Mil.St.G.O. §. 17. Iſt der Thäter nicht entlaſſen, ſondern
in den Beurlaubtenſtand übergetreten, ſo ſind die Civilgerichte nur dann zu-
ſtändig, wenn das von ihm während des aktiven Dienſtſtandes verübte Delict
zu den nicht militairiſchen gehört und auch mit keinem gerichtlich zu beſtrafen-
den militairiſchen Delict zuſammentrifft. ebendaſ. §. 15.
2) Eine Ausnahme beſteht lediglich in den Kontingenten von Heſſen und
Mecklenburg, indem hier in denjenigen Fällen, in denen zur Einleitung
eines gerichtlichen Verfahrens oder zur Beſtätigung eines Erkenntniſſes die
Entſchließung des Königs erforderlich iſt, hinſichtlich der Großherzogl. Un-
terthanen
das Einverſtändniß des Landesherrn eingeholt werden ſoll; in
Mecklenburg jedoch dann nicht, wenn das Erkenntniß auf Entlaſſung aus dem
Dienſte lautet. Vgl. Heſſiſche Milit.Konv. Art. 14 Abſ. 2. Mecklen-
burg-Schwerin
und Mecklenburg-Strelitz Milit.Konv. Art. 6 Abſ.
2 und 4.
3) Ausdrückliche Anerkennung hat dies erhalten in der Württemb.
Mil.Konv. Art. 5.
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[256/0266] §. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe. petenz der bürgerlichen Gerichte gehört ferner die Aburtheilung der von Militairperſonen begangenen militairiſchen oder gemeinen Ver- brechen oder Vergehen, wenn die Unterſuchung erſt nach dem gänz- lichen Ausſcheiden des Angeſchuldigten aus dem Militair-Verhält- niß eingeleitet wird 1). Die Zuſtändigkeit der einzelnen Militairgerichte iſt von der Staatsangehörigkeit der Militairperſonen unabhängig, ſie beſtimmt ſich lediglich nach dem Militairdienſtverhältniß, ſo daß z. B. ein Preuße, der ſeiner Wehrpflicht in einem bayeriſchen Truppentheil genügt, dem entſprechenden bayeriſchen Militairgericht unterworfen iſt. Dieſem Grundſatz gemäß iſt auch die nach den Militairgeſetzen erforderliche Genehmigung zur Einleitung eines ſtrafgerichtlichen Verfahrens, ſowie die Beſtätigung gerichtlicher, disciplinariſcher oder ehrengerichtlicher Urtheile von dem zuſtändigen Militairbefehls- haber, reſp. von dem Kontingentsherrn zu ertheilen, mithin in allen, mit der Preußiſchen Armee verbundenen Kontingenten von dem Könige von Preußen, da auf dieſen die Rechte der Kon- tingentsherren übergegangen ſind 2); in den Kontingenten von Bayern, Württemberg und Sachſen von den betreffenden Landes- herrn 3). Mit dieſen in der militairiſchen Gerichtsherrlichkeit begründe- 3) 1) Preuß. Mil.St.G.O. §. 17. Iſt der Thäter nicht entlaſſen, ſondern in den Beurlaubtenſtand übergetreten, ſo ſind die Civilgerichte nur dann zu- ſtändig, wenn das von ihm während des aktiven Dienſtſtandes verübte Delict zu den nicht militairiſchen gehört und auch mit keinem gerichtlich zu beſtrafen- den militairiſchen Delict zuſammentrifft. ebendaſ. §. 15. 2) Eine Ausnahme beſteht lediglich in den Kontingenten von Heſſen und Mecklenburg, indem hier in denjenigen Fällen, in denen zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens oder zur Beſtätigung eines Erkenntniſſes die Entſchließung des Königs erforderlich iſt, hinſichtlich der Großherzogl. Un- terthanen das Einverſtändniß des Landesherrn eingeholt werden ſoll; in Mecklenburg jedoch dann nicht, wenn das Erkenntniß auf Entlaſſung aus dem Dienſte lautet. Vgl. Heſſiſche Milit.Konv. Art. 14 Abſ. 2. Mecklen- burg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz Milit.Konv. Art. 6 Abſ. 2 und 4. 3) Ausdrückliche Anerkennung hat dies erhalten in der Württemb. Mil.Konv. Art. 5. 3) 1875 S. 73. — Für Württemberg iſt ein beſonderes Regl. über den Voll- zug militairgerichtlich erkannter Freiheitsſtrafen durch die bürgerl. Behörden erlaſſen. Mil.V.Bl. 1873 S. 53. 1876 S. 44.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/266>, abgerufen am 24.06.2024.