Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 90. Einfluß d. Militairdienst-Verhältnisses auf and. Rechtsverhältnisse. am Garnisonorte, wofern sie überhaupt selbstständig einenWohnsitz begründen konnen 1). Wenn ein Truppentheil im Deut- schen Reich keinen Garnisonort hat, so gilt in Ansehung des Ge- richtsstandes der letzte deutsche Garnisonort des Truppentheils als Wohnort der zu diesem Truppentheil gehörenden Militairpersonen 2). Der dienstliche Aufenthalt einer Militairperson außerhalb des Gar- nisonortes begründet keinen Gerichtsstand für dieselbe. In Be- treff aller Klagen, welche wegen vermögensrechtlicher Ansprüche erhoben werden, ist für Militairpersonen, welche nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen, oder welche selbstständig einen Wohnsitz nicht begründen können, das Gericht des Garnisonorts zuständig; der Garnisonort hat für diese Personen daher diejenige rechtliche Bedeutung, welche in bürgerlichen Verhältnissen ähnlicher Art der Aufenthaltsort hat 3). Wohl zu unterscheiden von der Begründung des Gerichtsstan- 1) Civilproz.Ordn. §. 14. Unter welchen Voraussetzungen Jemand befähigt ist, selbstständig einen Wohnsitz zu begründen, bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. 2) Civilproz.Ordn. §. 15. Hierdurch ist §. 39 Abs. 3 des Milit.- Gesetzes aufgehoben. Auch diese Bestimmung bezieht sich nur auf die berufs- mäßigen Militairpersonen. Vgl. auch Fitting im Archiv f. die civil. Praxis Bd. 61 S. 404. 3) Civilproz.Ordn. §. 21. Mil.Ges. §. 39 Abs. 2. Für Klagen wegen nicht vermögensrechtlicher Ansprüche, insbesondere für Prozesse, welche die Personenstands-Verhältnisse betreffen, ist der Gerichtsstand des §. 21 über- haupt nicht begründet und auch für vermögensrechtliche Klagen ist er nicht der ausschließliche, sondern der Kläger hat die Wahl zwischen ihm und dem allgemeinen Gerichtsstande des Wohnsitzes und den etwa begründeten speziellen Gerichtsständen. Civilproz.Ordn. §. 35. Vgl. Endemann der Deutsche Civilprozeß I S. 262. 4) Für das Preuß. R. vgl. das Urth. des R.Oberhandelsgerichts v. 10. Okt.
1873 Entscheidungen Bd. XI S. 178 fg. In dieser Beziehung ist insbesondere zu erwähnen, daß für die Oberoffiziere sowie für die Militairbeamten von §. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe. am Garniſonorte, wofern ſie überhaupt ſelbſtſtändig einenWohnſitz begründen konnen 1). Wenn ein Truppentheil im Deut- ſchen Reich keinen Garniſonort hat, ſo gilt in Anſehung des Ge- richtsſtandes der letzte deutſche Garniſonort des Truppentheils als Wohnort der zu dieſem Truppentheil gehörenden Militairperſonen 2). Der dienſtliche Aufenthalt einer Militairperſon außerhalb des Gar- niſonortes begründet keinen Gerichtsſtand für dieſelbe. In Be- treff aller Klagen, welche wegen vermögensrechtlicher Anſprüche erhoben werden, iſt für Militairperſonen, welche nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen, oder welche ſelbſtſtändig einen Wohnſitz nicht begründen können, das Gericht des Garniſonorts zuſtändig; der Garniſonort hat für dieſe Perſonen daher diejenige rechtliche Bedeutung, welche in bürgerlichen Verhältniſſen ähnlicher Art der Aufenthaltsort hat 3). Wohl zu unterſcheiden von der Begründung des Gerichtsſtan- 1) Civilproz.Ordn. §. 14. Unter welchen Vorausſetzungen Jemand befähigt iſt, ſelbſtſtändig einen Wohnſitz zu begründen, beſtimmt ſich nach den Vorſchriften des bürgerlichen Rechts. 2) Civilproz.Ordn. §. 15. Hierdurch iſt §. 39 Abſ. 3 des Milit.- Geſetzes aufgehoben. Auch dieſe Beſtimmung bezieht ſich nur auf die berufs- mäßigen Militairperſonen. Vgl. auch Fitting im Archiv f. die civil. Praxis Bd. 61 S. 404. 3) Civilproz.Ordn. §. 21. Mil.Geſ. §. 39 Abſ. 2. Für Klagen wegen nicht vermögensrechtlicher Anſprüche, insbeſondere für Prozeſſe, welche die Perſonenſtands-Verhältniſſe betreffen, iſt der Gerichtsſtand des §. 21 über- haupt nicht begründet und auch für vermögensrechtliche Klagen iſt er nicht der ausſchließliche, ſondern der Kläger hat die Wahl zwiſchen ihm und dem allgemeinen Gerichtsſtande des Wohnſitzes und den etwa begründeten ſpeziellen Gerichtsſtänden. Civilproz.Ordn. §. 35. Vgl. Endemann der Deutſche Civilprozeß I S. 262. 4) Für das Preuß. R. vgl. das Urth. des R.Oberhandelsgerichts v. 10. Okt.
1873 Entſcheidungen Bd. XI S. 178 fg. In dieſer Beziehung iſt insbeſondere zu erwähnen, daß für die Oberoffiziere ſowie für die Militairbeamten von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0268" n="258"/><fw place="top" type="header">§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.</fw><lb/> am <hi rendition="#g">Garniſonorte</hi>, wofern ſie überhaupt ſelbſtſtändig einen<lb/> Wohnſitz begründen konnen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Civilproz.Ordn</hi>. §. 14. Unter welchen Vorausſetzungen Jemand<lb/> befähigt iſt, ſelbſtſtändig einen Wohnſitz zu begründen, beſtimmt ſich nach den<lb/> Vorſchriften des bürgerlichen Rechts.</note>. Wenn ein Truppentheil im Deut-<lb/> ſchen Reich keinen Garniſonort hat, ſo gilt in Anſehung des Ge-<lb/> richtsſtandes der letzte deutſche Garniſonort des Truppentheils als<lb/> Wohnort der zu dieſem Truppentheil gehörenden Militairperſonen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Civilproz.Ordn</hi>. §. 15. Hierdurch iſt §. 39 Abſ. 3 des Milit.-<lb/> Geſetzes aufgehoben. Auch dieſe Beſtimmung bezieht ſich nur auf die berufs-<lb/> mäßigen Militairperſonen. Vgl. auch <hi rendition="#g">Fitting</hi> im Archiv f. die civil. Praxis<lb/> Bd. 61 S. 404.</note>.<lb/> Der dienſtliche Aufenthalt einer Militairperſon außerhalb des Gar-<lb/> niſonortes begründet keinen Gerichtsſtand für dieſelbe. In Be-<lb/> treff aller Klagen, welche wegen vermögensrechtlicher Anſprüche<lb/> erhoben werden, iſt für Militairperſonen, welche nur zur Erfüllung<lb/> der Wehrpflicht dienen, oder welche ſelbſtſtändig einen Wohnſitz<lb/> nicht begründen können, das Gericht des Garniſonorts zuſtändig;<lb/> der Garniſonort hat für dieſe Perſonen daher diejenige rechtliche<lb/> Bedeutung, welche in bürgerlichen Verhältniſſen ähnlicher Art der<lb/><hi rendition="#g">Aufenthaltsort</hi> hat <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#g">Civilproz.Ordn</hi>. §. 21. Mil.Geſ. §. 39 Abſ. 2. Für Klagen<lb/> wegen nicht vermögensrechtlicher Anſprüche, insbeſondere für Prozeſſe, welche<lb/> die Perſonenſtands-Verhältniſſe betreffen, iſt der Gerichtsſtand des §. 21 über-<lb/> haupt nicht begründet und auch für vermögensrechtliche Klagen iſt er nicht der<lb/><hi rendition="#g">ausſchließliche</hi>, ſondern der Kläger hat die Wahl zwiſchen ihm und dem<lb/> allgemeinen Gerichtsſtande des Wohnſitzes und den etwa begründeten ſpeziellen<lb/> Gerichtsſtänden. <hi rendition="#g">Civilproz.Ordn</hi>. §. 35. Vgl. <hi rendition="#g">Endemann</hi> der Deutſche<lb/> Civilprozeß <hi rendition="#aq">I</hi> S. 262.</note>.</p><lb/> <p>Wohl zu unterſcheiden von der Begründung des Gerichtsſtan-<lb/> des iſt dagegen die Bedeutung des Wohnſitzes reſp. des Garniſon-<lb/> ortes hinſichtlich der Frage, welches Recht bei Beurtheilung der<lb/> Rechtsverhältniſſe in Anwendung zu bringen iſt (ſogen. Statuten-<lb/> lehre). In dieſer Hinſicht hat weder die Militairgeſetzgebung noch<lb/> die Juſtizgeſetzgebung des Reiches eine gemeinrechtliche Regel auf-<lb/> geſtellt; es kommen daher die Vorſchriften der Landesgeſetze zur<lb/> Anwendung <note xml:id="seg2pn_30_1" next="#seg2pn_30_2" place="foot" n="4)">Für das Preuß. R. vgl. das Urth. des R.Oberhandelsgerichts v. 10. Okt.<lb/> 1873 Entſcheidungen Bd. <hi rendition="#aq">XI</hi> S. 178 fg. In dieſer Beziehung iſt insbeſondere<lb/> zu erwähnen, daß für die Oberoffiziere ſowie für die Militairbeamten von</note>. In einer großen Anzahl von Militair-Konventionen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0268]
§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.
am Garniſonorte, wofern ſie überhaupt ſelbſtſtändig einen
Wohnſitz begründen konnen 1). Wenn ein Truppentheil im Deut-
ſchen Reich keinen Garniſonort hat, ſo gilt in Anſehung des Ge-
richtsſtandes der letzte deutſche Garniſonort des Truppentheils als
Wohnort der zu dieſem Truppentheil gehörenden Militairperſonen 2).
Der dienſtliche Aufenthalt einer Militairperſon außerhalb des Gar-
niſonortes begründet keinen Gerichtsſtand für dieſelbe. In Be-
treff aller Klagen, welche wegen vermögensrechtlicher Anſprüche
erhoben werden, iſt für Militairperſonen, welche nur zur Erfüllung
der Wehrpflicht dienen, oder welche ſelbſtſtändig einen Wohnſitz
nicht begründen können, das Gericht des Garniſonorts zuſtändig;
der Garniſonort hat für dieſe Perſonen daher diejenige rechtliche
Bedeutung, welche in bürgerlichen Verhältniſſen ähnlicher Art der
Aufenthaltsort hat 3).
Wohl zu unterſcheiden von der Begründung des Gerichtsſtan-
des iſt dagegen die Bedeutung des Wohnſitzes reſp. des Garniſon-
ortes hinſichtlich der Frage, welches Recht bei Beurtheilung der
Rechtsverhältniſſe in Anwendung zu bringen iſt (ſogen. Statuten-
lehre). In dieſer Hinſicht hat weder die Militairgeſetzgebung noch
die Juſtizgeſetzgebung des Reiches eine gemeinrechtliche Regel auf-
geſtellt; es kommen daher die Vorſchriften der Landesgeſetze zur
Anwendung 4). In einer großen Anzahl von Militair-Konventionen
1) Civilproz.Ordn. §. 14. Unter welchen Vorausſetzungen Jemand
befähigt iſt, ſelbſtſtändig einen Wohnſitz zu begründen, beſtimmt ſich nach den
Vorſchriften des bürgerlichen Rechts.
2) Civilproz.Ordn. §. 15. Hierdurch iſt §. 39 Abſ. 3 des Milit.-
Geſetzes aufgehoben. Auch dieſe Beſtimmung bezieht ſich nur auf die berufs-
mäßigen Militairperſonen. Vgl. auch Fitting im Archiv f. die civil. Praxis
Bd. 61 S. 404.
3) Civilproz.Ordn. §. 21. Mil.Geſ. §. 39 Abſ. 2. Für Klagen
wegen nicht vermögensrechtlicher Anſprüche, insbeſondere für Prozeſſe, welche
die Perſonenſtands-Verhältniſſe betreffen, iſt der Gerichtsſtand des §. 21 über-
haupt nicht begründet und auch für vermögensrechtliche Klagen iſt er nicht der
ausſchließliche, ſondern der Kläger hat die Wahl zwiſchen ihm und dem
allgemeinen Gerichtsſtande des Wohnſitzes und den etwa begründeten ſpeziellen
Gerichtsſtänden. Civilproz.Ordn. §. 35. Vgl. Endemann der Deutſche
Civilprozeß I S. 262.
4) Für das Preuß. R. vgl. das Urth. des R.Oberhandelsgerichts v. 10. Okt.
1873 Entſcheidungen Bd. XI S. 178 fg. In dieſer Beziehung iſt insbeſondere
zu erwähnen, daß für die Oberoffiziere ſowie für die Militairbeamten von
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