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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
heit bedroht ist, hat der Kaiser allein zu entscheiden; weder hat
die Landesregierung ein Zustimmungs- oder Widerspruchsrecht,
noch steht dem Landesrath oder dem Reichstage eine Beschluß-
fassung resp. Genehmigung zu 1).

Im Einzelnen gelten darüber folgende Regeln:

1. Die Voraussetzungen, die Form der Verkün-
digung
und die Wirkungen einer solchen Erklärung sind
durch ein Reichsgesetz zu regeln; bis zum Erlaß eines solchen gelten
dafür die Vorschriften des Preußischen Gesetzes vom 4. Juni
1851 (Pr. Ges. S. 1851 S. 451 ff.) 2). Die provisorische Gel-
tung dieses Gesetzes erstreckt sich daher nicht auf den gesammten
Inhalt desselben, sondern nur auf diejenigen Bestimmungen, welche
Voraussetzungen, Verkündigung und Wirkungen betreffen 3); und
auch diese Anordnungen lassen zum Theil keine vollständige und
wörtliche Anwendung in den nichtpreußischen Theilen des Bundes-
gebietes zu, weil sie sich auf Preußische Staatseinrichtungen und
Verfassungsbestimmungen beziehen.

a) Voraussetzungen. Das Gesetz gestattet nur in zwei
Fällen die Erklärung des Belagerungszustandes, für den Fall
eines Krieges in den von dem Feinde bedrohten oder theilweise
schon besetzten Provinzen (§. 1) und für den Fall eines Auf-
ruhrs
bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§. 2).
Andere Gefahren für die öffentliche Sicherheit rechtfertigen die
Erklärung des Belagerungszustandes nicht 4).


1) Die Behauptung v. Rönne's S. 84, "daß schon nach jetziger Lage
des Reichsstaatsrechtes der Bundesrath in der Lage sei, auf dem im Art. 7
der R.V. vorgesehenen Wege (?) die vom Kaiser ausgehende Maßregel der
Erklärung des Belagerungszustandes zu seiner Kognition (?) zu ziehen", ist
ebenso haltlos wie nichtssagend.
2) R.V. Art. 68.
3) Zu denjenigen Bestimmungen des Gesetzes, welche nicht reichsgesetz-
liche Geltung haben, gehören insbesondere §. 16, wonach das Staatsministerium
zur Suspension gewisser Verfassungsartikel auch dann befugt ist, wenn der
Belagerungszustand nicht erklärt ist, und §. 17, welcher vorschreibt, daß dem
Preuß. Landtage Rechenschaft zu geben sei.
4) Die Anordnungen in §§. 1 u. 2 des Preuß. Gesetzes über die Be-
hörden
, denen die Erklärung des Belagerungszustandes zusteht, nämlich im
Falle des Krieges die Festungskommandanten und die kommandirenden Gene-
rale, im Falle des Aufruhrs das Staatsministerium und in dringenden Fällen
die Militairbefehlshaber, haben keine Geltung, da sie nicht die Voraus-

§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
heit bedroht iſt, hat der Kaiſer allein zu entſcheiden; weder hat
die Landesregierung ein Zuſtimmungs- oder Widerſpruchsrecht,
noch ſteht dem Landesrath oder dem Reichstage eine Beſchluß-
faſſung reſp. Genehmigung zu 1).

Im Einzelnen gelten darüber folgende Regeln:

1. Die Vorausſetzungen, die Form der Verkün-
digung
und die Wirkungen einer ſolchen Erklärung ſind
durch ein Reichsgeſetz zu regeln; bis zum Erlaß eines ſolchen gelten
dafür die Vorſchriften des Preußiſchen Geſetzes vom 4. Juni
1851 (Pr. Geſ. S. 1851 S. 451 ff.) 2). Die proviſoriſche Gel-
tung dieſes Geſetzes erſtreckt ſich daher nicht auf den geſammten
Inhalt deſſelben, ſondern nur auf diejenigen Beſtimmungen, welche
Vorausſetzungen, Verkündigung und Wirkungen betreffen 3); und
auch dieſe Anordnungen laſſen zum Theil keine vollſtändige und
wörtliche Anwendung in den nichtpreußiſchen Theilen des Bundes-
gebietes zu, weil ſie ſich auf Preußiſche Staatseinrichtungen und
Verfaſſungsbeſtimmungen beziehen.

a) Vorausſetzungen. Das Geſetz geſtattet nur in zwei
Fällen die Erklärung des Belagerungszuſtandes, für den Fall
eines Krieges in den von dem Feinde bedrohten oder theilweiſe
ſchon beſetzten Provinzen (§. 1) und für den Fall eines Auf-
ruhrs
bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§. 2).
Andere Gefahren für die öffentliche Sicherheit rechtfertigen die
Erklärung des Belagerungszuſtandes nicht 4).


1) Die Behauptung v. Rönne’s S. 84, „daß ſchon nach jetziger Lage
des Reichsſtaatsrechtes der Bundesrath in der Lage ſei, auf dem im Art. 7
der R.V. vorgeſehenen Wege (?) die vom Kaiſer ausgehende Maßregel der
Erklärung des Belagerungszuſtandes zu ſeiner Kognition (?) zu ziehen“, iſt
ebenſo haltlos wie nichtsſagend.
2) R.V. Art. 68.
3) Zu denjenigen Beſtimmungen des Geſetzes, welche nicht reichsgeſetz-
liche Geltung haben, gehören insbeſondere §. 16, wonach das Staatsminiſterium
zur Suſpenſion gewiſſer Verfaſſungsartikel auch dann befugt iſt, wenn der
Belagerungszuſtand nicht erklärt iſt, und §. 17, welcher vorſchreibt, daß dem
Preuß. Landtage Rechenſchaft zu geben ſei.
4) Die Anordnungen in §§. 1 u. 2 des Preuß. Geſetzes über die Be-
hörden
, denen die Erklärung des Belagerungszuſtandes zuſteht, nämlich im
Falle des Krieges die Feſtungskommandanten und die kommandirenden Gene-
rale, im Falle des Aufruhrs das Staatsminiſterium und in dringenden Fällen
die Militairbefehlshaber, haben keine Geltung, da ſie nicht die Voraus-
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[42/0052] §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. heit bedroht iſt, hat der Kaiſer allein zu entſcheiden; weder hat die Landesregierung ein Zuſtimmungs- oder Widerſpruchsrecht, noch ſteht dem Landesrath oder dem Reichstage eine Beſchluß- faſſung reſp. Genehmigung zu 1). Im Einzelnen gelten darüber folgende Regeln: 1. Die Vorausſetzungen, die Form der Verkün- digung und die Wirkungen einer ſolchen Erklärung ſind durch ein Reichsgeſetz zu regeln; bis zum Erlaß eines ſolchen gelten dafür die Vorſchriften des Preußiſchen Geſetzes vom 4. Juni 1851 (Pr. Geſ. S. 1851 S. 451 ff.) 2). Die proviſoriſche Gel- tung dieſes Geſetzes erſtreckt ſich daher nicht auf den geſammten Inhalt deſſelben, ſondern nur auf diejenigen Beſtimmungen, welche Vorausſetzungen, Verkündigung und Wirkungen betreffen 3); und auch dieſe Anordnungen laſſen zum Theil keine vollſtändige und wörtliche Anwendung in den nichtpreußiſchen Theilen des Bundes- gebietes zu, weil ſie ſich auf Preußiſche Staatseinrichtungen und Verfaſſungsbeſtimmungen beziehen. a) Vorausſetzungen. Das Geſetz geſtattet nur in zwei Fällen die Erklärung des Belagerungszuſtandes, für den Fall eines Krieges in den von dem Feinde bedrohten oder theilweiſe ſchon beſetzten Provinzen (§. 1) und für den Fall eines Auf- ruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§. 2). Andere Gefahren für die öffentliche Sicherheit rechtfertigen die Erklärung des Belagerungszuſtandes nicht 4). 1) Die Behauptung v. Rönne’s S. 84, „daß ſchon nach jetziger Lage des Reichsſtaatsrechtes der Bundesrath in der Lage ſei, auf dem im Art. 7 der R.V. vorgeſehenen Wege (?) die vom Kaiſer ausgehende Maßregel der Erklärung des Belagerungszuſtandes zu ſeiner Kognition (?) zu ziehen“, iſt ebenſo haltlos wie nichtsſagend. 2) R.V. Art. 68. 3) Zu denjenigen Beſtimmungen des Geſetzes, welche nicht reichsgeſetz- liche Geltung haben, gehören insbeſondere §. 16, wonach das Staatsminiſterium zur Suſpenſion gewiſſer Verfaſſungsartikel auch dann befugt iſt, wenn der Belagerungszuſtand nicht erklärt iſt, und §. 17, welcher vorſchreibt, daß dem Preuß. Landtage Rechenſchaft zu geben ſei. 4) Die Anordnungen in §§. 1 u. 2 des Preuß. Geſetzes über die Be- hörden, denen die Erklärung des Belagerungszuſtandes zuſteht, nämlich im Falle des Krieges die Feſtungskommandanten und die kommandirenden Gene- rale, im Falle des Aufruhrs das Staatsminiſterium und in dringenden Fällen die Militairbefehlshaber, haben keine Geltung, da ſie nicht die Voraus-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/52>, abgerufen am 24.11.2024.