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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelstaaten.
Kontingenten der einzelnen Staaten combinirt. Der eigentliche
Kern aller den Bundesgliedern verbliebenen Militairhoheitsrechte
ist daher die Kontingentsherrlichkeit. Obgleich dieselbe im Art. 63
der R.V. erwähnt ist, so hat doch weder die Reichsverfassung noch
das Militairgesetz sie definirt und ebensowenig ist in der staats-
rechtlichen Literatur bisher auch nur ein Versuch gemacht worden,
die Kriterien dieses Begriffes festzustellen; man hat sich damit be-
gnügt, ein Verzeichniß der einzelnen in der R.V. erwähnten Befug-
nisse der Bundesfürsten aufzustellen 1). Die Kontingentsherrlichkeit
ist sowohl von der Kriegshoheit, als auch von dem Oberbefehl
unterschieden und sie ist unabhängig von dem Recht zur Gesetz-
gebung in Militairangelegenheiten. Ihr juristisches Wesen besteht
in Folgendem: Der Eintritt in die Armee, gleichviel ob derselbe
auf Grund der gesetzlichen Unterthanenpflicht oder ob er freiwillig,
also auf Grund eines Rechtsgeschäftes, erfolgt, ist Begründung
eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses von bestimmtem
Inhalt 2); jedes Dienstverhältniß setzt aber nothwendig zwei Per-
sonen voraus, einen Diener und einen Herrn; der militairischen
Dienstpflicht entspricht daher die militairische Dienstherrlichkeit.
Alle Mannschaften, Offiziere und Militairbeamte, welche einem
und demselben
Dienstherrn gegenüber zur Erfüllung der mili-
tairischen Dienstpflichten verbunden sind, also zu ihm in einem
militairischen Dienstverhältniß stehen, bilden ein Kontingent; der
Kontingentsherr ist demnach der militairische Dienst-
herr
. Die Mannschaften und Offiziere seines Kontingents stehen
zu ihm im Dienstverhältniß, sind ihm gegenüber zur Erfüllung
der militairischen Dienstpflichten, zur Treue und zum Gehorsam
verpflichtet, sind seiner Dienstgewalt unterworfen und andererseits
ihm gegenüber zu den gesetzlich normirten oder vertragsmäßig ver-
einbarten Gegenleistungen berechtigt. Wenn demnach die R.V.
anerkennt, daß die Landesherren der einzelnen Bundesstaaten die
Kontingentsherren sind, so spricht sie damit aus, daß diese Landes-
herren die Subjecte der militairischen Dienstgewalt sind, nicht der
Kaiser. Dieses Prinzip äußert sich in folgenden Anwendungen:


1) Vgl. Thudichum Verfass. des Nordd. Bundes S. 387 ff. Seydel
in Hirth's Annalen 1875 S. 1400 und die hieraus entnommenen Bemerkungen
bei v. Rönne II, 2 S. 146, sowie Meyer Staatsrecht S. 512.
2) Vgl. darüber unten §§. 88 ff.

§. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelſtaaten.
Kontingenten der einzelnen Staaten combinirt. Der eigentliche
Kern aller den Bundesgliedern verbliebenen Militairhoheitsrechte
iſt daher die Kontingentsherrlichkeit. Obgleich dieſelbe im Art. 63
der R.V. erwähnt iſt, ſo hat doch weder die Reichsverfaſſung noch
das Militairgeſetz ſie definirt und ebenſowenig iſt in der ſtaats-
rechtlichen Literatur bisher auch nur ein Verſuch gemacht worden,
die Kriterien dieſes Begriffes feſtzuſtellen; man hat ſich damit be-
gnügt, ein Verzeichniß der einzelnen in der R.V. erwähnten Befug-
niſſe der Bundesfürſten aufzuſtellen 1). Die Kontingentsherrlichkeit
iſt ſowohl von der Kriegshoheit, als auch von dem Oberbefehl
unterſchieden und ſie iſt unabhängig von dem Recht zur Geſetz-
gebung in Militairangelegenheiten. Ihr juriſtiſches Weſen beſteht
in Folgendem: Der Eintritt in die Armee, gleichviel ob derſelbe
auf Grund der geſetzlichen Unterthanenpflicht oder ob er freiwillig,
alſo auf Grund eines Rechtsgeſchäftes, erfolgt, iſt Begründung
eines öffentlich-rechtlichen Dienſtverhältniſſes von beſtimmtem
Inhalt 2); jedes Dienſtverhältniß ſetzt aber nothwendig zwei Per-
ſonen voraus, einen Diener und einen Herrn; der militairiſchen
Dienſtpflicht entſpricht daher die militairiſche Dienſtherrlichkeit.
Alle Mannſchaften, Offiziere und Militairbeamte, welche einem
und demſelben
Dienſtherrn gegenüber zur Erfüllung der mili-
tairiſchen Dienſtpflichten verbunden ſind, alſo zu ihm in einem
militairiſchen Dienſtverhältniß ſtehen, bilden ein Kontingent; der
Kontingentsherr iſt demnach der militairiſche Dienſt-
herr
. Die Mannſchaften und Offiziere ſeines Kontingents ſtehen
zu ihm im Dienſtverhältniß, ſind ihm gegenüber zur Erfüllung
der militairiſchen Dienſtpflichten, zur Treue und zum Gehorſam
verpflichtet, ſind ſeiner Dienſtgewalt unterworfen und andererſeits
ihm gegenüber zu den geſetzlich normirten oder vertragsmäßig ver-
einbarten Gegenleiſtungen berechtigt. Wenn demnach die R.V.
anerkennt, daß die Landesherren der einzelnen Bundesſtaaten die
Kontingentsherren ſind, ſo ſpricht ſie damit aus, daß dieſe Landes-
herren die Subjecte der militairiſchen Dienſtgewalt ſind, nicht der
Kaiſer. Dieſes Prinzip äußert ſich in folgenden Anwendungen:


1) Vgl. Thudichum Verfaſſ. des Nordd. Bundes S. 387 ff. Seydel
in Hirth’s Annalen 1875 S. 1400 und die hieraus entnommenen Bemerkungen
bei v. Rönne II, 2 S. 146, ſowie Meyer Staatsrecht S. 512.
2) Vgl. darüber unten §§. 88 ff.
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[61/0071] §. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelſtaaten. Kontingenten der einzelnen Staaten combinirt. Der eigentliche Kern aller den Bundesgliedern verbliebenen Militairhoheitsrechte iſt daher die Kontingentsherrlichkeit. Obgleich dieſelbe im Art. 63 der R.V. erwähnt iſt, ſo hat doch weder die Reichsverfaſſung noch das Militairgeſetz ſie definirt und ebenſowenig iſt in der ſtaats- rechtlichen Literatur bisher auch nur ein Verſuch gemacht worden, die Kriterien dieſes Begriffes feſtzuſtellen; man hat ſich damit be- gnügt, ein Verzeichniß der einzelnen in der R.V. erwähnten Befug- niſſe der Bundesfürſten aufzuſtellen 1). Die Kontingentsherrlichkeit iſt ſowohl von der Kriegshoheit, als auch von dem Oberbefehl unterſchieden und ſie iſt unabhängig von dem Recht zur Geſetz- gebung in Militairangelegenheiten. Ihr juriſtiſches Weſen beſteht in Folgendem: Der Eintritt in die Armee, gleichviel ob derſelbe auf Grund der geſetzlichen Unterthanenpflicht oder ob er freiwillig, alſo auf Grund eines Rechtsgeſchäftes, erfolgt, iſt Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienſtverhältniſſes von beſtimmtem Inhalt 2); jedes Dienſtverhältniß ſetzt aber nothwendig zwei Per- ſonen voraus, einen Diener und einen Herrn; der militairiſchen Dienſtpflicht entſpricht daher die militairiſche Dienſtherrlichkeit. Alle Mannſchaften, Offiziere und Militairbeamte, welche einem und demſelben Dienſtherrn gegenüber zur Erfüllung der mili- tairiſchen Dienſtpflichten verbunden ſind, alſo zu ihm in einem militairiſchen Dienſtverhältniß ſtehen, bilden ein Kontingent; der Kontingentsherr iſt demnach der militairiſche Dienſt- herr. Die Mannſchaften und Offiziere ſeines Kontingents ſtehen zu ihm im Dienſtverhältniß, ſind ihm gegenüber zur Erfüllung der militairiſchen Dienſtpflichten, zur Treue und zum Gehorſam verpflichtet, ſind ſeiner Dienſtgewalt unterworfen und andererſeits ihm gegenüber zu den geſetzlich normirten oder vertragsmäßig ver- einbarten Gegenleiſtungen berechtigt. Wenn demnach die R.V. anerkennt, daß die Landesherren der einzelnen Bundesſtaaten die Kontingentsherren ſind, ſo ſpricht ſie damit aus, daß dieſe Landes- herren die Subjecte der militairiſchen Dienſtgewalt ſind, nicht der Kaiſer. Dieſes Prinzip äußert ſich in folgenden Anwendungen: 1) Vgl. Thudichum Verfaſſ. des Nordd. Bundes S. 387 ff. Seydel in Hirth’s Annalen 1875 S. 1400 und die hieraus entnommenen Bemerkungen bei v. Rönne II, 2 S. 146, ſowie Meyer Staatsrecht S. 512. 2) Vgl. darüber unten §§. 88 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/71>, abgerufen am 24.11.2024.