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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 104. Der Gerichtsdienst.
Ausländer sind aber nicht nur vom Gerichtsdienst frei, sondern
sie sind auch gesetzlich zur Wahrnehmung der Funktionen eines
Schöffen oder Geschworenen für unfähig erklärt 1).

Die Rechtsregeln über die Voraussetzungen, die Geltend-
machung, den Umfang und die Erfüllung der gesetzlichen Gerichts-
dienstpflicht sind vom Reich festgestellt; der Autonomie der Einzel-
staaten ist in dieser Hinsicht ein sehr enger Spielraum gestattet.
Dies beruht theils auf dem Einfluß, welchen diese Regeln auf die
Zusammensetzung und den Charakter der erkennenden Strafgerichte
ausüben, theils auf dem soeben dargelegten Grundsatz, daß diese
Dienste von allen Reichsangehörigen im ganzen Bundesgebiete
in Anspruch genommen werden können. Es zeigt sich hierin ein
bemerkenswerther Gegensatz zwischen der gesetzlichen und der frei-
willig übernommenen Gerichtsdienstpflicht, welche nur gegenüber
dem Gerichtsherrn (Dienstherrn) besteht und deren Regelung fast
ganz der Landesgesetzgebung überlassen ist.

3. Die Gerichtspflicht ist eine allgemeine Unterthanen-
pflicht, von welcher es keine anderen Befreiungsgründe giebt als
die im Gesetz anerkannten. Mit Rücksicht auf die Natur der zu
leistenden Dienste ist aber der Kreis der Personen, von denen die-
selben wirklich verlangt werden, durch Rechtssätze erheblich be-
schränkt 2).

Diese Beschränkungen beruhen zum Theil darauf, daß die
Dienste der Schöffen und Geschworenen in der Führung eines
öffentlichen Amtes bestehen und daher diejenigen Personen dazu
nicht berufen werden sollen, welche zur Bekleidung eines öffentlichen
Amtes dieser Art unfähig oder untauglich sind oder welche sich in
einem öffentlichen Dienstverhältniß bereits befinden, mit welchem
das Schöffen- und Geschworenen-Amt unvereinbar scheint. Zum
andern Theil beruhen die Beschränkungen der Dienstpflicht auf
billiger Berücksichtigung solcher persönlicher Verhältnisse, welche

Wehrpflicht am Ort des dauernden Aufenthalts zu erfüllen ist. Siehe Bd. III.
1. S. 148.
1) Gerichtsverf.Ges. §. 31. 84.
2) Es wird hier ganz abgesehen von den thatsächlichen Verhältnissen,
welche viele Personen als ungeeignet zur Leistung von Gerichtsdiensten erschei-
nen lassen, insbesondere Mangel an Kenntnissen, untergeordnete sociale Stellung
u. drgl.

§. 104. Der Gerichtsdienſt.
Ausländer ſind aber nicht nur vom Gerichtsdienſt frei, ſondern
ſie ſind auch geſetzlich zur Wahrnehmung der Funktionen eines
Schöffen oder Geſchworenen für unfähig erklärt 1).

Die Rechtsregeln über die Vorausſetzungen, die Geltend-
machung, den Umfang und die Erfüllung der geſetzlichen Gerichts-
dienſtpflicht ſind vom Reich feſtgeſtellt; der Autonomie der Einzel-
ſtaaten iſt in dieſer Hinſicht ein ſehr enger Spielraum geſtattet.
Dies beruht theils auf dem Einfluß, welchen dieſe Regeln auf die
Zuſammenſetzung und den Charakter der erkennenden Strafgerichte
ausüben, theils auf dem ſoeben dargelegten Grundſatz, daß dieſe
Dienſte von allen Reichsangehörigen im ganzen Bundesgebiete
in Anſpruch genommen werden können. Es zeigt ſich hierin ein
bemerkenswerther Gegenſatz zwiſchen der geſetzlichen und der frei-
willig übernommenen Gerichtsdienſtpflicht, welche nur gegenüber
dem Gerichtsherrn (Dienſtherrn) beſteht und deren Regelung faſt
ganz der Landesgeſetzgebung überlaſſen iſt.

3. Die Gerichtspflicht iſt eine allgemeine Unterthanen-
pflicht, von welcher es keine anderen Befreiungsgründe giebt als
die im Geſetz anerkannten. Mit Rückſicht auf die Natur der zu
leiſtenden Dienſte iſt aber der Kreis der Perſonen, von denen die-
ſelben wirklich verlangt werden, durch Rechtsſätze erheblich be-
ſchränkt 2).

Dieſe Beſchränkungen beruhen zum Theil darauf, daß die
Dienſte der Schöffen und Geſchworenen in der Führung eines
öffentlichen Amtes beſtehen und daher diejenigen Perſonen dazu
nicht berufen werden ſollen, welche zur Bekleidung eines öffentlichen
Amtes dieſer Art unfähig oder untauglich ſind oder welche ſich in
einem öffentlichen Dienſtverhältniß bereits befinden, mit welchem
das Schöffen- und Geſchworenen-Amt unvereinbar ſcheint. Zum
andern Theil beruhen die Beſchränkungen der Dienſtpflicht auf
billiger Berückſichtigung ſolcher perſönlicher Verhältniſſe, welche

Wehrpflicht am Ort des dauernden Aufenthalts zu erfüllen iſt. Siehe Bd. III.
1. S. 148.
1) Gerichtsverf.Geſ. §. 31. 84.
2) Es wird hier ganz abgeſehen von den thatſächlichen Verhältniſſen,
welche viele Perſonen als ungeeignet zur Leiſtung von Gerichtsdienſten erſchei-
nen laſſen, insbeſondere Mangel an Kenntniſſen, untergeordnete ſociale Stellung
u. drgl.
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[128/0138] §. 104. Der Gerichtsdienſt. Ausländer ſind aber nicht nur vom Gerichtsdienſt frei, ſondern ſie ſind auch geſetzlich zur Wahrnehmung der Funktionen eines Schöffen oder Geſchworenen für unfähig erklärt 1). Die Rechtsregeln über die Vorausſetzungen, die Geltend- machung, den Umfang und die Erfüllung der geſetzlichen Gerichts- dienſtpflicht ſind vom Reich feſtgeſtellt; der Autonomie der Einzel- ſtaaten iſt in dieſer Hinſicht ein ſehr enger Spielraum geſtattet. Dies beruht theils auf dem Einfluß, welchen dieſe Regeln auf die Zuſammenſetzung und den Charakter der erkennenden Strafgerichte ausüben, theils auf dem ſoeben dargelegten Grundſatz, daß dieſe Dienſte von allen Reichsangehörigen im ganzen Bundesgebiete in Anſpruch genommen werden können. Es zeigt ſich hierin ein bemerkenswerther Gegenſatz zwiſchen der geſetzlichen und der frei- willig übernommenen Gerichtsdienſtpflicht, welche nur gegenüber dem Gerichtsherrn (Dienſtherrn) beſteht und deren Regelung faſt ganz der Landesgeſetzgebung überlaſſen iſt. 3. Die Gerichtspflicht iſt eine allgemeine Unterthanen- pflicht, von welcher es keine anderen Befreiungsgründe giebt als die im Geſetz anerkannten. Mit Rückſicht auf die Natur der zu leiſtenden Dienſte iſt aber der Kreis der Perſonen, von denen die- ſelben wirklich verlangt werden, durch Rechtsſätze erheblich be- ſchränkt 2). Dieſe Beſchränkungen beruhen zum Theil darauf, daß die Dienſte der Schöffen und Geſchworenen in der Führung eines öffentlichen Amtes beſtehen und daher diejenigen Perſonen dazu nicht berufen werden ſollen, welche zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes dieſer Art unfähig oder untauglich ſind oder welche ſich in einem öffentlichen Dienſtverhältniß bereits befinden, mit welchem das Schöffen- und Geſchworenen-Amt unvereinbar ſcheint. Zum andern Theil beruhen die Beſchränkungen der Dienſtpflicht auf billiger Berückſichtigung ſolcher perſönlicher Verhältniſſe, welche 3) 1) Gerichtsverf.Geſ. §. 31. 84. 2) Es wird hier ganz abgeſehen von den thatſächlichen Verhältniſſen, welche viele Perſonen als ungeeignet zur Leiſtung von Gerichtsdienſten erſchei- nen laſſen, insbeſondere Mangel an Kenntniſſen, untergeordnete ſociale Stellung u. drgl. 3) Wehrpflicht am Ort des dauernden Aufenthalts zu erfüllen iſt. Siehe Bd. III. 1. S. 148.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/138>, abgerufen am 27.11.2024.