Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 104. Der Gerichtsdienst. er in der Theilnahme an den Sitzungen des Gerichts und in derAbstimmung über die nach Maßgabe der Prozeßordnung vorge- legten Fragen 1). Kein Schöffe oder Geschworener darf sich wäh- rend der Verhandlung entfernen, ohne daß der Vorsitzende des Ge- richts es gestattet und eine Unterbrechung der Verhandlung an- ordnet 2), und kein Schöffe oder Geschworener darf die Abgabe seiner Stimme verweigern, auch nicht aus dem Grunde, weil er bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist 3). In prozessualischer Hinsicht sind die Funktionen der Schöffen und die der Geschworenen allerdings sehr erheblich verschieden; die Schöffen üben während der Hauptver- handlung das Richteramt in vollem Umfange und mit gleichem Stimmrechte wie die Amtsrichter aus 4), die Geschworenen dagegen haben als ein von den richterlichen Mitgliedern des Schwurge- richts gesondertes Collegium zu berathen und nur die ihnen vor- gelegten, die Schuld des Angeklagten betreffenden Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten 5). Zu den gemeinsamen Pflichten der Schöffen und Geschworenen gehört die Amtsverschwiegenheit über den Hergang bei der Berathung und Abstimmung 6). Schöffen und Geschworene werden vereidigt 7); die Schöffen b) Der Umfang der Dienstpflicht. Hinsichtlich des Schöffen- 1) Bei den in der Spruchliste aufgeführten Geschworenen besteht der active Dienst zunächst nur darin, sich rechtzeitig in der Sitzung einzufinden; die Pflicht zur Theilnahme an der Verhandlung und Urtheilsfindung ist nur eine eventuelle und wird nur bei denjenigen Geschworenen verwirklicht, mit welchen die Geschworenenbank besetzt wird. 2) Strafproz.Ordn. §. §. 225. 227. 3) Gerichtsverf.Ges. §. 197. 4) Gerichtsverf.Ges. §. 30. 5) Strafprozeß-Ordn. §. 290 ff. 6) Gerichtsverf.Ges. §. 200. 7) Landesgesetze können den Mitgliedern gewisser Religionsgesellschaften den Gebrauch bestimmter Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestatten. 8) Gerichtsverf.Ges. §. 51, woselbst die Eidesformel festgestellt ist. 9) Strafproz.Ordn. §. 288. Daselbst auch die Eidesformel.
§. 104. Der Gerichtsdienſt. er in der Theilnahme an den Sitzungen des Gerichts und in derAbſtimmung über die nach Maßgabe der Prozeßordnung vorge- legten Fragen 1). Kein Schöffe oder Geſchworener darf ſich wäh- rend der Verhandlung entfernen, ohne daß der Vorſitzende des Ge- richts es geſtattet und eine Unterbrechung der Verhandlung an- ordnet 2), und kein Schöffe oder Geſchworener darf die Abgabe ſeiner Stimme verweigern, auch nicht aus dem Grunde, weil er bei der Abſtimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben iſt 3). In prozeſſualiſcher Hinſicht ſind die Funktionen der Schöffen und die der Geſchworenen allerdings ſehr erheblich verſchieden; die Schöffen üben während der Hauptver- handlung das Richteramt in vollem Umfange und mit gleichem Stimmrechte wie die Amtsrichter aus 4), die Geſchworenen dagegen haben als ein von den richterlichen Mitgliedern des Schwurge- richts geſondertes Collegium zu berathen und nur die ihnen vor- gelegten, die Schuld des Angeklagten betreffenden Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten 5). Zu den gemeinſamen Pflichten der Schöffen und Geſchworenen gehört die Amtsverſchwiegenheit über den Hergang bei der Berathung und Abſtimmung 6). Schöffen und Geſchworene werden vereidigt 7); die Schöffen b) Der Umfang der Dienſtpflicht. Hinſichtlich des Schöffen- 1) Bei den in der Spruchliſte aufgeführten Geſchworenen beſteht der active Dienſt zunächſt nur darin, ſich rechtzeitig in der Sitzung einzufinden; die Pflicht zur Theilnahme an der Verhandlung und Urtheilsfindung iſt nur eine eventuelle und wird nur bei denjenigen Geſchworenen verwirklicht, mit welchen die Geſchworenenbank beſetzt wird. 2) Strafproz.Ordn. §. §. 225. 227. 3) Gerichtsverf.Geſ. §. 197. 4) Gerichtsverf.Geſ. §. 30. 5) Strafprozeß-Ordn. §. 290 ff. 6) Gerichtsverf.Geſ. §. 200. 7) Landesgeſetze können den Mitgliedern gewiſſer Religionsgeſellſchaften den Gebrauch beſtimmter Betheuerungsformeln an Stelle des Eides geſtatten. 8) Gerichtsverf.Geſ. §. 51, woſelbſt die Eidesformel feſtgeſtellt iſt. 9) Strafproz.Ordn. §. 288. Daſelbſt auch die Eidesformel.
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§. 104. Der Gerichtsdienſt.
er in der Theilnahme an den Sitzungen des Gerichts und in der
Abſtimmung über die nach Maßgabe der Prozeßordnung vorge-
legten Fragen 1). Kein Schöffe oder Geſchworener darf ſich wäh-
rend der Verhandlung entfernen, ohne daß der Vorſitzende des Ge-
richts es geſtattet und eine Unterbrechung der Verhandlung an-
ordnet 2), und kein Schöffe oder Geſchworener darf die Abgabe
ſeiner Stimme verweigern, auch nicht aus dem Grunde, weil er
bei der Abſtimmung über eine vorhergegangene Frage in der
Minderheit geblieben iſt 3). In prozeſſualiſcher Hinſicht ſind die
Funktionen der Schöffen und die der Geſchworenen allerdings ſehr
erheblich verſchieden; die Schöffen üben während der Hauptver-
handlung das Richteramt in vollem Umfange und mit gleichem
Stimmrechte wie die Amtsrichter aus 4), die Geſchworenen dagegen
haben als ein von den richterlichen Mitgliedern des Schwurge-
richts geſondertes Collegium zu berathen und nur die ihnen vor-
gelegten, die Schuld des Angeklagten betreffenden Fragen mit Ja
oder Nein zu beantworten 5). Zu den gemeinſamen Pflichten der
Schöffen und Geſchworenen gehört die Amtsverſchwiegenheit über
den Hergang bei der Berathung und Abſtimmung 6).
Schöffen und Geſchworene werden vereidigt 7); die Schöffen
bei ihrer erſten Dienſtleiſtung in öffentlicher Sitzung, ihre Beeidi-
gung gilt für die Dauer des Geſchäftsjahres 8); die Geſchworenen
nach Bildung der Geſchworenenbank in Gegenwart derjenigen An-
geklagten, über welche ſie richten ſollen 9).
b) Der Umfang der Dienſtpflicht. Hinſichtlich des Schöffen-
1) Bei den in der Spruchliſte aufgeführten Geſchworenen beſteht der
active Dienſt zunächſt nur darin, ſich rechtzeitig in der Sitzung einzufinden;
die Pflicht zur Theilnahme an der Verhandlung und Urtheilsfindung iſt nur
eine eventuelle und wird nur bei denjenigen Geſchworenen verwirklicht, mit
welchen die Geſchworenenbank beſetzt wird.
2) Strafproz.Ordn. §. §. 225. 227.
3) Gerichtsverf.Geſ. §. 197.
4) Gerichtsverf.Geſ. §. 30.
5) Strafprozeß-Ordn. §. 290 ff.
6) Gerichtsverf.Geſ. §. 200.
7) Landesgeſetze können den Mitgliedern gewiſſer Religionsgeſellſchaften
den Gebrauch beſtimmter Betheuerungsformeln an Stelle des Eides geſtatten.
8) Gerichtsverf.Geſ. §. 51, woſelbſt die Eidesformel feſtgeſtellt iſt.
9) Strafproz.Ordn. §. 288. Daſelbſt auch die Eidesformel.
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