Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 104. Der Gerichtsdienst.
Gegenleistung des Staates für dieselbe ist die Gewährung des
Rechtsschutzes, die Aufrechthaltung der Rechtsordnung 1). Nur für
die Reisekosten erhalten Geschworene und Schöffen, sowie die Ver-
trauensmänner des Ausschusses, eine Vergütung, deren Höhe von
den Einzelstaaten bestimmt wird 2).

7. Die Verletzung der Dienstpflicht.

a) Die schuldbare Nichterfüllung der Dienstpflicht wird
an Geschworenen und Schöffen sowie an den Vertrauensmännern
des Ausschusses mit einer Ordnungsstrafe von 5 bis zu 1000
Mark und dem Ersatz der verursachten Kosten bestraft 3). Der
Thatbestand kann darin bestehen, daß der zum Dienst Einberufene
sich ohne genügende Eutschuldigung nicht rechtzeitig einfindet oder
darin, daß er sich seinen Obliegenheiten entzieht z. B. durch Verwei-
gerung des Eides oder der Abstimmung, oder auch durch sein Ver-
halten während der Verhandlung. Das Verfahren ist nicht das
strafprozessualische, sondern ein außerordentliches. Die Verurthei-
lung wird, ohne daß es vorheriger Ladung und rechtlichen Ge-
hörs des Säumigen bedarf, nach Anhörung der Staatsanwalt-
schaft vom Amtsrichter hinsichtlich der Schöffen und Vertrauens-
männer, von den richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts hin-
sichtlich der Geschworenen ausgesprochen. Diesem Verfahren ohne
Gehör entspricht es, daß die Verurtheilung einen nur provisorischen
Charakter hat; sie kann ganz oder theilweise zurückgenommen wer-

1) Auch in dieser Hinsicht gelten von der Gerichtspflicht dieselben Grund-
sätze wie von der Wehrpflicht. Vgl. Bd. III. 1. S. 171.
2) Gerichtsverf.Ges. §. 55. §. 96 Abs. 1.
3) In den §§. 46 u. 93 ebenda ist angeordnet, daß die Einberufung der Schöffen
und Geschworenen "unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens"
erfolgen soll. Darauf hat man die Meinung gestützt, daß wenn die Androhung
der Bestrafung in der Ladung unterblieben ist, eine Verurtheilung wegen Nicht-
erscheinens unstatthaft sei. Seuffert S. 82 Löwe Note 2 zu §. 56 (in der
zweiten Auflage hat jedoch Löwe seine Ansicht geändert). Allein die §§. 46
u. 93 enthalten nur Vorschriften für die Amtsrichter und Schwurgerichtsvor-
sitzenden über Geschäfte der Gerichtsverwaltung; im §. 56, der den Thatbestand
des Delicts bestimmt, ist die Bestrafung von einer "Androhung" derselben oder
von einer "ordnungsmäßigen" Ladung nicht abhängig gemacht und die Nicht-
beachtung der Vorschrift des §. 46 oder 93 Seitens des Richters giebt dem
Schöffen oder Geschworenen kein Recht, sich seinerseits der Erfüllung der Ge-
richtspflicht zu entziehen. Uebereinstimmend Keller S. 70.

§. 104. Der Gerichtsdienſt.
Gegenleiſtung des Staates für dieſelbe iſt die Gewährung des
Rechtsſchutzes, die Aufrechthaltung der Rechtsordnung 1). Nur für
die Reiſekoſten erhalten Geſchworene und Schöffen, ſowie die Ver-
trauensmänner des Ausſchuſſes, eine Vergütung, deren Höhe von
den Einzelſtaaten beſtimmt wird 2).

7. Die Verletzung der Dienſtpflicht.

a) Die ſchuldbare Nichterfüllung der Dienſtpflicht wird
an Geſchworenen und Schöffen ſowie an den Vertrauensmännern
des Ausſchuſſes mit einer Ordnungsſtrafe von 5 bis zu 1000
Mark und dem Erſatz der verurſachten Koſten beſtraft 3). Der
Thatbeſtand kann darin beſtehen, daß der zum Dienſt Einberufene
ſich ohne genügende Eutſchuldigung nicht rechtzeitig einfindet oder
darin, daß er ſich ſeinen Obliegenheiten entzieht z. B. durch Verwei-
gerung des Eides oder der Abſtimmung, oder auch durch ſein Ver-
halten während der Verhandlung. Das Verfahren iſt nicht das
ſtrafprozeſſualiſche, ſondern ein außerordentliches. Die Verurthei-
lung wird, ohne daß es vorheriger Ladung und rechtlichen Ge-
hörs des Säumigen bedarf, nach Anhörung der Staatsanwalt-
ſchaft vom Amtsrichter hinſichtlich der Schöffen und Vertrauens-
männer, von den richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts hin-
ſichtlich der Geſchworenen ausgeſprochen. Dieſem Verfahren ohne
Gehör entſpricht es, daß die Verurtheilung einen nur proviſoriſchen
Charakter hat; ſie kann ganz oder theilweiſe zurückgenommen wer-

1) Auch in dieſer Hinſicht gelten von der Gerichtspflicht dieſelben Grund-
ſätze wie von der Wehrpflicht. Vgl. Bd. III. 1. S. 171.
2) Gerichtsverf.Geſ. §. 55. §. 96 Abſ. 1.
3) In den §§. 46 u. 93 ebenda iſt angeordnet, daß die Einberufung der Schöffen
und Geſchworenen „unter Hinweis auf die geſetzlichen Folgen des Ausbleibens“
erfolgen ſoll. Darauf hat man die Meinung geſtützt, daß wenn die Androhung
der Beſtrafung in der Ladung unterblieben iſt, eine Verurtheilung wegen Nicht-
erſcheinens unſtatthaft ſei. Seuffert S. 82 Löwe Note 2 zu §. 56 (in der
zweiten Auflage hat jedoch Löwe ſeine Anſicht geändert). Allein die §§. 46
u. 93 enthalten nur Vorſchriften für die Amtsrichter und Schwurgerichtsvor-
ſitzenden über Geſchäfte der Gerichtsverwaltung; im §. 56, der den Thatbeſtand
des Delicts beſtimmt, iſt die Beſtrafung von einer „Androhung“ derſelben oder
von einer „ordnungsmäßigen“ Ladung nicht abhängig gemacht und die Nicht-
beachtung der Vorſchrift des §. 46 oder 93 Seitens des Richters giebt dem
Schöffen oder Geſchworenen kein Recht, ſich ſeinerſeits der Erfüllung der Ge-
richtspflicht zu entziehen. Uebereinſtimmend Keller S. 70.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0151" n="141"/><fw place="top" type="header">§. 104. Der Gerichtsdien&#x017F;t.</fw><lb/>
Gegenlei&#x017F;tung des Staates für die&#x017F;elbe i&#x017F;t die Gewährung des<lb/>
Rechts&#x017F;chutzes, die Aufrechthaltung der Rechtsordnung <note place="foot" n="1)">Auch in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht gelten von der Gerichtspflicht die&#x017F;elben Grund-<lb/>
&#x017F;ätze wie von der Wehrpflicht. Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> 1. S. 171.</note>. Nur für<lb/>
die Rei&#x017F;eko&#x017F;ten erhalten Ge&#x017F;chworene und Schöffen, &#x017F;owie die Ver-<lb/>
trauensmänner des Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es, eine Vergütung, deren Höhe von<lb/>
den Einzel&#x017F;taaten be&#x017F;timmt wird <note place="foot" n="2)">Gerichtsverf.Ge&#x017F;. §. 55. §. 96 Ab&#x017F;. 1.</note>.</p><lb/>
            <p>7. <hi rendition="#g">Die Verletzung der Dien&#x017F;tpflicht</hi>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">a</hi>) Die &#x017F;chuldbare <hi rendition="#g">Nichterfüllung</hi> der Dien&#x017F;tpflicht wird<lb/>
an Ge&#x017F;chworenen und Schöffen &#x017F;owie an den Vertrauensmännern<lb/>
des Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es mit einer <hi rendition="#g">Ordnungs&#x017F;trafe</hi> von 5 bis zu 1000<lb/>
Mark und dem Er&#x017F;atz der verur&#x017F;achten Ko&#x017F;ten be&#x017F;traft <note place="foot" n="3)">In den §§. 46 u. 93 ebenda i&#x017F;t angeordnet, daß die Einberufung der Schöffen<lb/>
und Ge&#x017F;chworenen &#x201E;unter Hinweis auf die ge&#x017F;etzlichen Folgen des Ausbleibens&#x201C;<lb/>
erfolgen &#x017F;oll. Darauf hat man die Meinung ge&#x017F;tützt, daß wenn die Androhung<lb/>
der Be&#x017F;trafung in der Ladung unterblieben i&#x017F;t, eine Verurtheilung wegen Nicht-<lb/>
er&#x017F;cheinens un&#x017F;tatthaft &#x017F;ei. <hi rendition="#g">Seuffert</hi> S. 82 <hi rendition="#g">Löwe</hi> Note 2 zu §. 56 (in der<lb/>
zweiten Auflage hat jedoch Löwe &#x017F;eine An&#x017F;icht geändert). Allein die §§. 46<lb/>
u. 93 enthalten nur Vor&#x017F;chriften für die Amtsrichter und Schwurgerichtsvor-<lb/>
&#x017F;itzenden über Ge&#x017F;chäfte der Gerichtsverwaltung; im §. 56, der den Thatbe&#x017F;tand<lb/>
des Delicts be&#x017F;timmt, i&#x017F;t die Be&#x017F;trafung von einer &#x201E;Androhung&#x201C; der&#x017F;elben oder<lb/>
von einer &#x201E;ordnungsmäßigen&#x201C; Ladung nicht abhängig gemacht und die Nicht-<lb/>
beachtung der Vor&#x017F;chrift des §. 46 oder 93 Seitens des Richters giebt dem<lb/>
Schöffen oder Ge&#x017F;chworenen kein Recht, &#x017F;ich &#x017F;einer&#x017F;eits der Erfüllung der Ge-<lb/>
richtspflicht zu entziehen. Ueberein&#x017F;timmend <hi rendition="#g">Keller</hi> S. 70.</note>. Der<lb/>
Thatbe&#x017F;tand kann darin be&#x017F;tehen, daß der zum Dien&#x017F;t Einberufene<lb/>
&#x017F;ich ohne genügende Eut&#x017F;chuldigung nicht rechtzeitig einfindet oder<lb/>
darin, daß er &#x017F;ich &#x017F;einen Obliegenheiten entzieht z. B. durch Verwei-<lb/>
gerung des Eides oder der Ab&#x017F;timmung, oder auch durch &#x017F;ein Ver-<lb/>
halten während der Verhandlung. Das Verfahren i&#x017F;t nicht das<lb/>
&#x017F;trafproze&#x017F;&#x017F;uali&#x017F;che, &#x017F;ondern ein außerordentliches. Die Verurthei-<lb/>
lung wird, ohne daß es vorheriger Ladung und rechtlichen Ge-<lb/>
hörs des Säumigen bedarf, nach Anhörung der Staatsanwalt-<lb/>
&#x017F;chaft vom Amtsrichter hin&#x017F;ichtlich der Schöffen und Vertrauens-<lb/>
männer, von den richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts hin-<lb/>
&#x017F;ichtlich der Ge&#x017F;chworenen ausge&#x017F;prochen. Die&#x017F;em Verfahren ohne<lb/>
Gehör ent&#x017F;pricht es, daß die Verurtheilung einen nur provi&#x017F;ori&#x017F;chen<lb/>
Charakter hat; &#x017F;ie kann ganz oder theilwei&#x017F;e zurückgenommen wer-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0151] §. 104. Der Gerichtsdienſt. Gegenleiſtung des Staates für dieſelbe iſt die Gewährung des Rechtsſchutzes, die Aufrechthaltung der Rechtsordnung 1). Nur für die Reiſekoſten erhalten Geſchworene und Schöffen, ſowie die Ver- trauensmänner des Ausſchuſſes, eine Vergütung, deren Höhe von den Einzelſtaaten beſtimmt wird 2). 7. Die Verletzung der Dienſtpflicht. a) Die ſchuldbare Nichterfüllung der Dienſtpflicht wird an Geſchworenen und Schöffen ſowie an den Vertrauensmännern des Ausſchuſſes mit einer Ordnungsſtrafe von 5 bis zu 1000 Mark und dem Erſatz der verurſachten Koſten beſtraft 3). Der Thatbeſtand kann darin beſtehen, daß der zum Dienſt Einberufene ſich ohne genügende Eutſchuldigung nicht rechtzeitig einfindet oder darin, daß er ſich ſeinen Obliegenheiten entzieht z. B. durch Verwei- gerung des Eides oder der Abſtimmung, oder auch durch ſein Ver- halten während der Verhandlung. Das Verfahren iſt nicht das ſtrafprozeſſualiſche, ſondern ein außerordentliches. Die Verurthei- lung wird, ohne daß es vorheriger Ladung und rechtlichen Ge- hörs des Säumigen bedarf, nach Anhörung der Staatsanwalt- ſchaft vom Amtsrichter hinſichtlich der Schöffen und Vertrauens- männer, von den richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts hin- ſichtlich der Geſchworenen ausgeſprochen. Dieſem Verfahren ohne Gehör entſpricht es, daß die Verurtheilung einen nur proviſoriſchen Charakter hat; ſie kann ganz oder theilweiſe zurückgenommen wer- 1) Auch in dieſer Hinſicht gelten von der Gerichtspflicht dieſelben Grund- ſätze wie von der Wehrpflicht. Vgl. Bd. III. 1. S. 171. 2) Gerichtsverf.Geſ. §. 55. §. 96 Abſ. 1. 3) In den §§. 46 u. 93 ebenda iſt angeordnet, daß die Einberufung der Schöffen und Geſchworenen „unter Hinweis auf die geſetzlichen Folgen des Ausbleibens“ erfolgen ſoll. Darauf hat man die Meinung geſtützt, daß wenn die Androhung der Beſtrafung in der Ladung unterblieben iſt, eine Verurtheilung wegen Nicht- erſcheinens unſtatthaft ſei. Seuffert S. 82 Löwe Note 2 zu §. 56 (in der zweiten Auflage hat jedoch Löwe ſeine Anſicht geändert). Allein die §§. 46 u. 93 enthalten nur Vorſchriften für die Amtsrichter und Schwurgerichtsvor- ſitzenden über Geſchäfte der Gerichtsverwaltung; im §. 56, der den Thatbeſtand des Delicts beſtimmt, iſt die Beſtrafung von einer „Androhung“ derſelben oder von einer „ordnungsmäßigen“ Ladung nicht abhängig gemacht und die Nicht- beachtung der Vorſchrift des §. 46 oder 93 Seitens des Richters giebt dem Schöffen oder Geſchworenen kein Recht, ſich ſeinerſeits der Erfüllung der Ge- richtspflicht zu entziehen. Uebereinſtimmend Keller S. 70.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/151
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/151>, abgerufen am 21.11.2024.