Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 105. Die Zeugenpflicht. VII. Die Pflicht zur Erstattung sachverständiger 1) Personen, welche zur Erstattung von Gutachten der erfor- derten Art öffentlich bestellt sind, also sich zur Erstattung derselben freiwillig verbindlich gemacht haben. 2) Personen, welche sich zur Erstattung des Gutachtens in der concreten Rechtssache vor Gericht bereit erklärt haben. 3) Personen, welche die Wissenschaft, die Kunst oder das Ge- werbe, deren Kenntniß Voraussetzung der Begutachtung ist, öffent- lich zum Erwerbe ausüben oder zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt sind. doch die Voraussetzung, von welcher §. 166 ausgeht, in Wegfall gekommen und Abs. 2 kann keine Anwendung finden, wenn der Zeuge innerhalb des Bundes- gebietes sich aufhält. Da nun aber die erwähnte Gebühren-Ordnung und das Gerichtskostengesetz gleichzeitig in Kraft getreten sind und nicht anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber eine Anordnung erläßt, und gleichzeitig die Voraus- setzungen ihrer Anwendbarkeit beseitigt, so muß diese Anordnung so ausgelegt werden, daß sie eine rechtliche Wirksamkeit behält, und dies ist nur der Fall, wenn man sie auch auf diejenigen vor ein inländisches Gericht geladenen Zeu- gen, welche im Auslande ihren Aufenthaltsort haben, bezieht. Auch praktische Erwägungen sprechen hierfür; da der Staat keine gesetzlichen Zwangsmittel gegen solche Zeugen hat, sondern darauf angewiesen ist, daß die letzteren frei- willig der Ladung Folge leisten, so würde er seinem eigenen Interesse durch ungenügende Entschädigung des Zeugen entgegenhandeln. 1) Auf die Verschiedenheit zwischen der Stellung der Zeugen und der Stellung der Sachverständigen im Prozeß ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. hierüber Seuffert Civilprozeß-Ordnung S. 433 ff. Schwarze Straf- proz.Ordn. S. 207 und die daselbst Citirten. Ferner Wach Vorträge S. 57 ff. und Binding Grundriß S. 109 ff. und insbesondere die eingehende histori- sche und dogmatische Erörterung von Obermeyer Die Lehre von den Sach- verständigen im Civilprozeß. München 1880. 2) Civilproz.O. §. 372. Strafproz.O. §. 75.
§. 105. Die Zeugenpflicht. VII. Die Pflicht zur Erſtattung ſachverſtändiger 1) Perſonen, welche zur Erſtattung von Gutachten der erfor- derten Art öffentlich beſtellt ſind, alſo ſich zur Erſtattung derſelben freiwillig verbindlich gemacht haben. 2) Perſonen, welche ſich zur Erſtattung des Gutachtens in der concreten Rechtsſache vor Gericht bereit erklärt haben. 3) Perſonen, welche die Wiſſenſchaft, die Kunſt oder das Ge- werbe, deren Kenntniß Vorausſetzung der Begutachtung iſt, öffent- lich zum Erwerbe ausüben oder zur Ausübung derſelben öffentlich beſtellt oder ermächtigt ſind. doch die Vorausſetzung, von welcher §. 166 ausgeht, in Wegfall gekommen und Abſ. 2 kann keine Anwendung finden, wenn der Zeuge innerhalb des Bundes- gebietes ſich aufhält. Da nun aber die erwähnte Gebühren-Ordnung und das Gerichtskoſtengeſetz gleichzeitig in Kraft getreten ſind und nicht anzunehmen iſt, daß der Geſetzgeber eine Anordnung erläßt, und gleichzeitig die Voraus- ſetzungen ihrer Anwendbarkeit beſeitigt, ſo muß dieſe Anordnung ſo ausgelegt werden, daß ſie eine rechtliche Wirkſamkeit behält, und dies iſt nur der Fall, wenn man ſie auch auf diejenigen vor ein inländiſches Gericht geladenen Zeu- gen, welche im Auslande ihren Aufenthaltsort haben, bezieht. Auch praktiſche Erwägungen ſprechen hierfür; da der Staat keine geſetzlichen Zwangsmittel gegen ſolche Zeugen hat, ſondern darauf angewieſen iſt, daß die letzteren frei- willig der Ladung Folge leiſten, ſo würde er ſeinem eigenen Intereſſe durch ungenügende Entſchädigung des Zeugen entgegenhandeln. 1) Auf die Verſchiedenheit zwiſchen der Stellung der Zeugen und der Stellung der Sachverſtändigen im Prozeß iſt hier nicht näher einzugehen. Vgl. hierüber Seuffert Civilprozeß-Ordnung S. 433 ff. Schwarze Straf- proz.Ordn. S. 207 und die daſelbſt Citirten. Ferner Wach Vorträge S. 57 ff. und Binding Grundriß S. 109 ff. und insbeſondere die eingehende hiſtori- ſche und dogmatiſche Erörterung von Obermeyer Die Lehre von den Sach- verſtändigen im Civilprozeß. München 1880. 2) Civilproz.O. §. 372. Strafproz.O. §. 75.
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§. 105. Die Zeugenpflicht.
VII. Die Pflicht zur Erſtattung ſachverſtändiger
Gutachten iſt der Zeugenpflicht analog. Nicht nur prozeßrecht-
lich ſteht der Beweis durch Sachverſtändige hinſichtlich des Ver-
fahrens zum großen Theil unter denſelben Regeln wie der Zeugen-
beweis, ſondern auch ſtaatsrechtlich ſind beide Pflichten gleich-
artig 1). Nur inſofern macht ſich ein erheblicher Unterſchied bemerk-
bar, als die freiwillige Uebernahme dieſer Pflicht in weitem Um-
fang zur Anwendung kommt, ſo daß die geſetzliche Verpflich-
tung nur ſubſidiär geltend gemacht wird. Es ſind gutachten-
pflichtig 2):
1) Perſonen, welche zur Erſtattung von Gutachten der erfor-
derten Art öffentlich beſtellt ſind, alſo ſich zur Erſtattung
derſelben freiwillig verbindlich gemacht haben.
2) Perſonen, welche ſich zur Erſtattung des Gutachtens in der
concreten Rechtsſache vor Gericht bereit erklärt haben.
3) Perſonen, welche die Wiſſenſchaft, die Kunſt oder das Ge-
werbe, deren Kenntniß Vorausſetzung der Begutachtung iſt, öffent-
lich zum Erwerbe ausüben oder zur Ausübung derſelben
öffentlich beſtellt oder ermächtigt ſind.
5)
1) Auf die Verſchiedenheit zwiſchen der Stellung der Zeugen und der
Stellung der Sachverſtändigen im Prozeß iſt hier nicht näher einzugehen.
Vgl. hierüber Seuffert Civilprozeß-Ordnung S. 433 ff. Schwarze Straf-
proz.Ordn. S. 207 und die daſelbſt Citirten. Ferner Wach Vorträge S. 57 ff.
und Binding Grundriß S. 109 ff. und insbeſondere die eingehende hiſtori-
ſche und dogmatiſche Erörterung von Obermeyer Die Lehre von den Sach-
verſtändigen im Civilprozeß. München 1880.
2) Civilproz.O. §. 372. Strafproz.O. §. 75.
5) doch die Vorausſetzung, von welcher §. 166 ausgeht, in Wegfall gekommen und
Abſ. 2 kann keine Anwendung finden, wenn der Zeuge innerhalb des Bundes-
gebietes ſich aufhält. Da nun aber die erwähnte Gebühren-Ordnung und das
Gerichtskoſtengeſetz gleichzeitig in Kraft getreten ſind und nicht anzunehmen
iſt, daß der Geſetzgeber eine Anordnung erläßt, und gleichzeitig die Voraus-
ſetzungen ihrer Anwendbarkeit beſeitigt, ſo muß dieſe Anordnung ſo ausgelegt
werden, daß ſie eine rechtliche Wirkſamkeit behält, und dies iſt nur der Fall,
wenn man ſie auch auf diejenigen vor ein inländiſches Gericht geladenen Zeu-
gen, welche im Auslande ihren Aufenthaltsort haben, bezieht. Auch praktiſche
Erwägungen ſprechen hierfür; da der Staat keine geſetzlichen Zwangsmittel
gegen ſolche Zeugen hat, ſondern darauf angewieſen iſt, daß die letzteren frei-
willig der Ladung Folge leiſten, ſo würde er ſeinem eigenen Intereſſe durch
ungenügende Entſchädigung des Zeugen entgegenhandeln.
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