Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 105. Die Zeugenpflicht. Wenn Personen zur Erstattung von Gutachten gewisser Art Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeug- 1) Civilproz.O. §. 369 Abs. 2. Strafproz.O. §. 73. 2) Strafproz.O. §. 76 Abs. 1. Civilproz.O. §. 373. Desgleichen gilt das Verbot, einen öffentlichen Beamten als Sachverständigen zu vernehmen, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Vernehmung den dienst- lichen Interessen Nachtheile bereiten würde. 3) Strafproz.O. §. 77. Civilproz.O. §. 374. Gegen Militärpersonen im
§. 105. Die Zeugenpflicht. Wenn Perſonen zur Erſtattung von Gutachten gewiſſer Art Dieſelben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeug- 1) Civilproz.O. §. 369 Abſ. 2. Strafproz.O. §. 73. 2) Strafproz.O. §. 76 Abſ. 1. Civilproz.O. §. 373. Desgleichen gilt das Verbot, einen öffentlichen Beamten als Sachverſtändigen zu vernehmen, wenn die vorgeſetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Vernehmung den dienſt- lichen Intereſſen Nachtheile bereiten würde. 3) Strafproz.O. §. 77. Civilproz.O. §. 374. Gegen Militärperſonen im
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§. 105. Die Zeugenpflicht.
Wenn Perſonen zur Erſtattung von Gutachten gewiſſer Art
öffentlich beſtellt ſind, ſo ſollen andere Perſonen nur dann als
Sachverſtändige berufen werden, wenn beſondere Umſtände es er-
fordern 1); hierin liegt die Anerkennung der Subſidiarität der ge-
ſetzlichen Begutachtungspflicht.
Dieſelben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeug-
niß zu verweigern, berechtigen einen Sachverſtändigen zur Ver-
weigerung des Gutachtens 2); die Unterſchiede, welche in dieſer
Beziehung zwiſchen dem Strafverfahren und dem Civilprozeß hin-
ſichtlich der Zeugenpflicht beſtehen, gelten daher auch für die Pflicht
als Sachverſtändiger zu fungiren. Allein praktiſch iſt dies von
geringer Bedeutung; denn das Gericht iſt befugt, „auch aus an-
deren Gründen“ d. h. nach freiem Ermeſſen einen Sachverſtän-
digen von der Verpflichtung zur Erſtattung des Gutachtens zu ent-
binden, und da nach der Natur der Sache die Fähigkeit zur Be-
gutachtung nicht wie die zur Zeugenausſage auf eine oder einige in-
dividuell beſtimmte, unvertretbare Perſonen beſchränkt iſt, ſondern
den Behörden und Parteien faſt immer die Auswahl unter einer
größeren Zahl von Sachverſtändigen frei ſteht, ſo kann man trotz
der formellen Anerkennung der geſetzlichen Begutachtungspflicht
annehmen, daß in der Regel Niemand gegen ſeinen begründeten
Widerſpruch zur Abgabe gerichtlicher Gutachten angehalten wird.
Dem entſpricht es, daß ein Zwang zur Abgabe des Gutachtens
durch Vorführung oder durch Haft nicht ausgeübt werden darf.
Iſt ein zur Erſtattung des Gutachtens (freiwillig oder geſetzlich)
verpflichteter Sachverſtändiger gegen den Befehl des Gerichts un-
gehorſam, indem er auf Vorladung nicht erſcheint oder indem er
ſich weigert, das Gutachten zu ertheilen oder den erforderlichen
Eid zu leiſten, ſo iſt er zum Erſatz der dadurch verurſachten Koſten
und in eine Ordnungsſtrafe bis zu 300 Mark zu verurtheilen,
die im Falle wiederholten Ungehorſams noch einmal und zwar
bis zu 600 Mark verhängt werden kann 3). Die Subſtituirung
1) Civilproz.O. §. 369 Abſ. 2. Strafproz.O. §. 73.
2) Strafproz.O. §. 76 Abſ. 1. Civilproz.O. §. 373. Desgleichen gilt das
Verbot, einen öffentlichen Beamten als Sachverſtändigen zu vernehmen, wenn
die vorgeſetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Vernehmung den dienſt-
lichen Intereſſen Nachtheile bereiten würde.
3) Strafproz.O. §. 77. Civilproz.O. §. 374. Gegen Militärperſonen im
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