Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 109. Die Reichsschulden. Sowie die Aufnahme einer Anleihe, so ist auch die Kündi- 2. Die privatrechtlichen Regeln. Das Rechtsverhält- Anschluß an die in Preußen übliche Formulirung bestimmte das Anleihe- gesetz des Nordd. Bundes vom 9. Nov. 1867 §. 1: "Zur Bestreitung der außer- ordentlichen Bedürfnisse für . . . . sind die erforderlichen Geldmittel . . . . durch eine verzinsliche Anleihe zu beschaffen"; fügte dann aber im §. 10 hinzu: "Die Ausführung dieses Gesetzes wird dem Bundeskanzler übertragen"; während es treffender gewesen wäre zu sagen: "Die Ausführung dieses Gesetzes erfolgt nach Anordnung des Bundespräsidiums (Kaisers)". Vgl. §. 2 dieses Gesetzes. Schon das Bundesgesetz v. 21. Juli 1870 über die Kriegsanleihe (B.G.Bl. S. 491) hat die in die Reichsgesetzgebung übergegangene Formel. 1) Gesetz v. 6. April 1870 §. 4 Abs. 1 (B.G.Bl. S. 65). 2) Daß die R.V. über die Tilgung der Anleihen keine Bestimmung ent-
hält, beruht darauf, daß bei Darlehensschulden, welche amortisirt oder an bestimmten Terminen fällig werden, der Tilgungsmodus schon bei der Con- trahirung der Anleihe festgestellt wird. Vgl. das Anleihe-Gesetz des Nordd. Bundes v. 9. Nov. 1867 §. 3. §. 109. Die Reichsſchulden. Sowie die Aufnahme einer Anleihe, ſo iſt auch die Kündi- 2. Die privatrechtlichen Regeln. Das Rechtsverhält- Anſchluß an die in Preußen übliche Formulirung beſtimmte das Anleihe- geſetz des Nordd. Bundes vom 9. Nov. 1867 §. 1: „Zur Beſtreitung der außer- ordentlichen Bedürfniſſe für . . . . ſind die erforderlichen Geldmittel . . . . durch eine verzinsliche Anleihe zu beſchaffen“; fügte dann aber im §. 10 hinzu: „Die Ausführung dieſes Geſetzes wird dem Bundeskanzler übertragen“; während es treffender geweſen wäre zu ſagen: „Die Ausführung dieſes Geſetzes erfolgt nach Anordnung des Bundespräſidiums (Kaiſers)“. Vgl. §. 2 dieſes Geſetzes. Schon das Bundesgeſetz v. 21. Juli 1870 über die Kriegsanleihe (B.G.Bl. S. 491) hat die in die Reichsgeſetzgebung übergegangene Formel. 1) Geſetz v. 6. April 1870 §. 4 Abſ. 1 (B.G.Bl. S. 65). 2) Daß die R.V. über die Tilgung der Anleihen keine Beſtimmung ent-
hält, beruht darauf, daß bei Darlehensſchulden, welche amortiſirt oder an beſtimmten Terminen fällig werden, der Tilgungsmodus ſchon bei der Con- trahirung der Anleihe feſtgeſtellt wird. Vgl. das Anleihe-Geſetz des Nordd. Bundes v. 9. Nov. 1867 §. 3. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0247" n="237"/> <fw place="top" type="header">§. 109. Die Reichsſchulden.</fw><lb/> <p>Sowie die Aufnahme einer Anleihe, ſo iſt auch die <hi rendition="#g">Kündi-<lb/> gung</hi> und Tilgung derſelben ein Rechtsgeſchäft des Vermögens-<lb/> verkehrs, alſo ein <hi rendition="#g">Verwaltungsg</hi>eſchäft, kein Akt der Geſetz-<lb/> gebung (im materiellen Sinn). Da aber dieſes Geſchäft in die<lb/> Finanzwirthſchaft des Reiches nicht minder tief eingreift, wie die<lb/> Aufnahme der Anleihe, ſo iſt auch hierzu die Genehmigung des<lb/> Bundesrathes und des Reichstages, „der Weg der Geſetzgebung“<lb/> für erforderlich erklärt. Zwar nicht in der Reichsverfaſſung, wol<lb/> aber nach dem typiſchen Inhalt ſämmtlicher Anleihegeſetze und<lb/> auch hier nur in einer verſteckten Weiſe, indem dem Reich das<lb/> Recht vorbehalten iſt, die Schuldverſchreibungen der einzelnen<lb/> Renten-Emiſſionen „binnen einer <hi rendition="#g">geſetzlich</hi> feſtzuſetzenden Friſt<lb/> zu kündigen“ <note place="foot" n="1)">Geſetz v. 6. April 1870 §. 4 Abſ. 1 (B.G.Bl. S. 65).</note>. Hiernach braucht zwar nur die Beſtimmung der<lb/> Kündigung<hi rendition="#g">sfriſt</hi> durch Geſetz zu erfolgen; aber es verſteht ſich<lb/> von ſelbſt, daß der Bundesrath und der Reichstag dieſe Friſt nur<lb/> dann feſtſetzen werden, wenn ſie die Tilgung der Schuld überhaupt<lb/> beſchließen wollen <note place="foot" n="2)">Daß die R.V. über die Tilgung der Anleihen keine Beſtimmung ent-<lb/> hält, beruht darauf, daß bei <hi rendition="#g">Darlehensſ</hi>chulden, welche amortiſirt oder<lb/> an beſtimmten Terminen fällig werden, der Tilgungsmodus ſchon bei der Con-<lb/> trahirung der Anleihe feſtgeſtellt wird. Vgl. das Anleihe-Geſetz des Nordd.<lb/> Bundes v. 9. Nov. 1867 §. 3.</note>. Demgemäß hat auch das Reichsgeſetz vom<lb/> 28. Oktob. 1871 (R.G.Bl. S. 343) ſich nicht auf die Feſtſtellung<lb/> der Kündigung<hi rendition="#g">sfriſt</hi> beſchränkt, ſondern „den Reichskanzler er-<lb/> mächtigt, die . . . . Anleihe des vormal. Nordd. Bundes zur Ein-<lb/> löſung . . . . mit einer Friſt von drei Monaten kündigen zu laſſen“.</p><lb/> <p>2. <hi rendition="#g">Die privatrechtlichen Regeln</hi>. Das Rechtsverhält-<lb/> niß zwiſchen dem Fiskus und den Anleihegläubigern beſtimmt<lb/> ſich nach der Art der Kreditbeſchaffung; es iſt bei Emiſſion von<lb/><note xml:id="seg2pn_25_2" prev="#seg2pn_25_1" place="foot" n="2)">Anſchluß an die in <hi rendition="#g">Preußen</hi> übliche Formulirung beſtimmte das Anleihe-<lb/> geſetz des Nordd. Bundes vom 9. Nov. 1867 §. 1: „Zur Beſtreitung der außer-<lb/> ordentlichen Bedürfniſſe für . . . . <hi rendition="#g">ſind</hi> die erforderlichen Geldmittel . . . .<lb/> durch eine verzinsliche Anleihe zu beſchaffen“; fügte dann aber im §. 10<lb/> hinzu: „Die Ausführung dieſes Geſetzes wird dem Bundeskanzler übertragen“;<lb/> während es treffender geweſen wäre zu ſagen: „Die Ausführung dieſes Geſetzes<lb/> erfolgt nach Anordnung des Bundespräſidiums (Kaiſers)“. Vgl. §. 2 dieſes<lb/> Geſetzes. Schon das Bundesgeſetz v. 21. Juli 1870 über die Kriegsanleihe<lb/> (B.G.Bl. S. 491) hat die in die Reichsgeſetzgebung übergegangene Formel.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [237/0247]
§. 109. Die Reichsſchulden.
Sowie die Aufnahme einer Anleihe, ſo iſt auch die Kündi-
gung und Tilgung derſelben ein Rechtsgeſchäft des Vermögens-
verkehrs, alſo ein Verwaltungsgeſchäft, kein Akt der Geſetz-
gebung (im materiellen Sinn). Da aber dieſes Geſchäft in die
Finanzwirthſchaft des Reiches nicht minder tief eingreift, wie die
Aufnahme der Anleihe, ſo iſt auch hierzu die Genehmigung des
Bundesrathes und des Reichstages, „der Weg der Geſetzgebung“
für erforderlich erklärt. Zwar nicht in der Reichsverfaſſung, wol
aber nach dem typiſchen Inhalt ſämmtlicher Anleihegeſetze und
auch hier nur in einer verſteckten Weiſe, indem dem Reich das
Recht vorbehalten iſt, die Schuldverſchreibungen der einzelnen
Renten-Emiſſionen „binnen einer geſetzlich feſtzuſetzenden Friſt
zu kündigen“ 1). Hiernach braucht zwar nur die Beſtimmung der
Kündigungsfriſt durch Geſetz zu erfolgen; aber es verſteht ſich
von ſelbſt, daß der Bundesrath und der Reichstag dieſe Friſt nur
dann feſtſetzen werden, wenn ſie die Tilgung der Schuld überhaupt
beſchließen wollen 2). Demgemäß hat auch das Reichsgeſetz vom
28. Oktob. 1871 (R.G.Bl. S. 343) ſich nicht auf die Feſtſtellung
der Kündigungsfriſt beſchränkt, ſondern „den Reichskanzler er-
mächtigt, die . . . . Anleihe des vormal. Nordd. Bundes zur Ein-
löſung . . . . mit einer Friſt von drei Monaten kündigen zu laſſen“.
2. Die privatrechtlichen Regeln. Das Rechtsverhält-
niß zwiſchen dem Fiskus und den Anleihegläubigern beſtimmt
ſich nach der Art der Kreditbeſchaffung; es iſt bei Emiſſion von
2)
1) Geſetz v. 6. April 1870 §. 4 Abſ. 1 (B.G.Bl. S. 65).
2) Daß die R.V. über die Tilgung der Anleihen keine Beſtimmung ent-
hält, beruht darauf, daß bei Darlehensſchulden, welche amortiſirt oder
an beſtimmten Terminen fällig werden, der Tilgungsmodus ſchon bei der Con-
trahirung der Anleihe feſtgeſtellt wird. Vgl. das Anleihe-Geſetz des Nordd.
Bundes v. 9. Nov. 1867 §. 3.
2) Anſchluß an die in Preußen übliche Formulirung beſtimmte das Anleihe-
geſetz des Nordd. Bundes vom 9. Nov. 1867 §. 1: „Zur Beſtreitung der außer-
ordentlichen Bedürfniſſe für . . . . ſind die erforderlichen Geldmittel . . . .
durch eine verzinsliche Anleihe zu beſchaffen“; fügte dann aber im §. 10
hinzu: „Die Ausführung dieſes Geſetzes wird dem Bundeskanzler übertragen“;
während es treffender geweſen wäre zu ſagen: „Die Ausführung dieſes Geſetzes
erfolgt nach Anordnung des Bundespräſidiums (Kaiſers)“. Vgl. §. 2 dieſes
Geſetzes. Schon das Bundesgeſetz v. 21. Juli 1870 über die Kriegsanleihe
(B.G.Bl. S. 491) hat die in die Reichsgeſetzgebung übergegangene Formel.
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