Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens. seiner für alle Zollvereinssatzungen gemeinsamen Anordnung dasAnerkenntniß dieser fortdauernden Verschiedenheit enthält. Zum Verständniß dieses Satzes dient Folgendes. Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver- 1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff. 2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Sess. des Reichstages von
1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126. §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. ſeiner für alle Zollvereinsſatzungen gemeinſamen Anordnung dasAnerkenntniß dieſer fortdauernden Verſchiedenheit enthält. Zum Verſtändniß dieſes Satzes dient Folgendes. Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver- 1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff. 2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Seſſ. des Reichstages von
1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0257" n="247"/><fw place="top" type="header">§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.</fw><lb/> ſeiner für <hi rendition="#g">alle</hi> Zollvereinsſatzungen gemeinſamen Anordnung das<lb/> Anerkenntniß dieſer fortdauernden Verſchiedenheit enthält. Zum<lb/> Verſtändniß dieſes Satzes dient Folgendes.</p><lb/> <p>Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver-<lb/> trägen die <hi rendition="#g">völkerrechtliche</hi> und die <hi rendition="#g">ſtaatsrechtliche</hi><lb/> Wirkung zu unterſcheiden. In völkerrechtlicher Beziehung hatten<lb/> alle Beſtimmungen derſelben eine und dieſelbe Wirkung, ſie er-<lb/> zeugten gegenſeitige Rechte und Pflichten der vertragſchließenden<lb/> Staaten. Ganz unabhängig davon war die ſtaatsrechtliche Be-<lb/> deutung der verabredeten Beſtimmungen <hi rendition="#g">in</hi> den einzelnen Staaten,<lb/> je nachdem dieſelben in den Bereich des eigentlichen Verfaſſungs-<lb/> rechts, der Geſetzgebung oder der Verwaltung eingriffen <note place="foot" n="1)">Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 152 ff. <hi rendition="#g">Hänel</hi> Studien <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 124 ff.</note>. Durch<lb/> den Art. 40 iſt die völkerrechtliche Bedeutung und Kraft erloſchen<lb/> und aus dem übereinſtimmenden Recht der verbundenen Staaten<lb/> iſt ein einheitliches Recht des Reiches geworden; dies iſt die für<lb/> alle Zollvereinsſatzungen gemeinſame Anordung. Aber dieſe Er-<lb/> hebung der Geſammtmaſſe der Zollvereinsſatzungen zum Reichs-<lb/> recht iſt in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den einzelnen<lb/> Beſtimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rückſicht auf die ver-<lb/> faſſungsrechtlichen Grundſätze des <hi rendition="#g">Reiches</hi> zukommt. Hiernach<lb/> zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsverträge<lb/> in 3 Klaſſen: in <hi rendition="#g">Verfaſſungs</hi>vorſchriften, in <hi rendition="#g">Geſetzes</hi>vor-<lb/> ſchriften und in <hi rendition="#g">Verwaltungs</hi>vorſchriften. Welche Beſtim-<lb/> mungen in jede dieſer drei Klaſſen gehören, iſt weder bei der Ab-<lb/> faſſung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung noch bei der Berathung<lb/> der Reichsverfaſſung feſtgeſtellt worden, und zwar — wie der<lb/> Präſident des Bundeskanzler-Amtes auf eine an ihn gerichtete An-<lb/> frage in der Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 er-<lb/> klärte — weil dieſe Klaſſifikation nicht nur ſchwierig und zeit-<lb/> raubend, ſondern auch geeignet ſein würde, „eine Menge von<lb/> Fragen diskutabel zu machen, die von der Art ſind, daß ſie eigent-<lb/> lich nur dadurch zu Fragen werden, wenn man darauf geſtoßen<lb/> wird, ſie als ſolche zu behandeln“ <note place="foot" n="2)">Stenograph. Berichte der <hi rendition="#aq">II.</hi> außerordentl. Seſſ. des Reichstages von<lb/> 1870 S. 126 fg. <hi rendition="#g">Seydel</hi> Kommentar S. 180 fg. <hi rendition="#g">Hänel</hi> S. 126.</note>. Die Geſetzgebung hat die<lb/> Löſung dieſer Schwierigkeiten der Praxis und der Wiſſenſchaft<lb/> überlaſſen und die letztere hat nicht angeſtanden, ſich dieſer Auf-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
ſeiner für alle Zollvereinsſatzungen gemeinſamen Anordnung das
Anerkenntniß dieſer fortdauernden Verſchiedenheit enthält. Zum
Verſtändniß dieſes Satzes dient Folgendes.
Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver-
trägen die völkerrechtliche und die ſtaatsrechtliche
Wirkung zu unterſcheiden. In völkerrechtlicher Beziehung hatten
alle Beſtimmungen derſelben eine und dieſelbe Wirkung, ſie er-
zeugten gegenſeitige Rechte und Pflichten der vertragſchließenden
Staaten. Ganz unabhängig davon war die ſtaatsrechtliche Be-
deutung der verabredeten Beſtimmungen in den einzelnen Staaten,
je nachdem dieſelben in den Bereich des eigentlichen Verfaſſungs-
rechts, der Geſetzgebung oder der Verwaltung eingriffen 1). Durch
den Art. 40 iſt die völkerrechtliche Bedeutung und Kraft erloſchen
und aus dem übereinſtimmenden Recht der verbundenen Staaten
iſt ein einheitliches Recht des Reiches geworden; dies iſt die für
alle Zollvereinsſatzungen gemeinſame Anordung. Aber dieſe Er-
hebung der Geſammtmaſſe der Zollvereinsſatzungen zum Reichs-
recht iſt in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den einzelnen
Beſtimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rückſicht auf die ver-
faſſungsrechtlichen Grundſätze des Reiches zukommt. Hiernach
zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsverträge
in 3 Klaſſen: in Verfaſſungsvorſchriften, in Geſetzesvor-
ſchriften und in Verwaltungsvorſchriften. Welche Beſtim-
mungen in jede dieſer drei Klaſſen gehören, iſt weder bei der Ab-
faſſung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung noch bei der Berathung
der Reichsverfaſſung feſtgeſtellt worden, und zwar — wie der
Präſident des Bundeskanzler-Amtes auf eine an ihn gerichtete An-
frage in der Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 er-
klärte — weil dieſe Klaſſifikation nicht nur ſchwierig und zeit-
raubend, ſondern auch geeignet ſein würde, „eine Menge von
Fragen diskutabel zu machen, die von der Art ſind, daß ſie eigent-
lich nur dadurch zu Fragen werden, wenn man darauf geſtoßen
wird, ſie als ſolche zu behandeln“ 2). Die Geſetzgebung hat die
Löſung dieſer Schwierigkeiten der Praxis und der Wiſſenſchaft
überlaſſen und die letztere hat nicht angeſtanden, ſich dieſer Auf-
1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff.
2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Seſſ. des Reichstages von
1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126.
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