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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.
seiner für alle Zollvereinssatzungen gemeinsamen Anordnung das
Anerkenntniß dieser fortdauernden Verschiedenheit enthält. Zum
Verständniß dieses Satzes dient Folgendes.

Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver-
trägen die völkerrechtliche und die staatsrechtliche
Wirkung zu unterscheiden. In völkerrechtlicher Beziehung hatten
alle Bestimmungen derselben eine und dieselbe Wirkung, sie er-
zeugten gegenseitige Rechte und Pflichten der vertragschließenden
Staaten. Ganz unabhängig davon war die staatsrechtliche Be-
deutung der verabredeten Bestimmungen in den einzelnen Staaten,
je nachdem dieselben in den Bereich des eigentlichen Verfassungs-
rechts, der Gesetzgebung oder der Verwaltung eingriffen 1). Durch
den Art. 40 ist die völkerrechtliche Bedeutung und Kraft erloschen
und aus dem übereinstimmenden Recht der verbundenen Staaten
ist ein einheitliches Recht des Reiches geworden; dies ist die für
alle Zollvereinssatzungen gemeinsame Anordung. Aber diese Er-
hebung der Gesammtmasse der Zollvereinssatzungen zum Reichs-
recht ist in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den einzelnen
Bestimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rücksicht auf die ver-
fassungsrechtlichen Grundsätze des Reiches zukommt. Hiernach
zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsverträge
in 3 Klassen: in Verfassungsvorschriften, in Gesetzesvor-
schriften und in Verwaltungsvorschriften. Welche Bestim-
mungen in jede dieser drei Klassen gehören, ist weder bei der Ab-
fassung der Norddeutschen Bundesverfassung noch bei der Berathung
der Reichsverfassung festgestellt worden, und zwar -- wie der
Präsident des Bundeskanzler-Amtes auf eine an ihn gerichtete An-
frage in der Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 er-
klärte -- weil diese Klassifikation nicht nur schwierig und zeit-
raubend, sondern auch geeignet sein würde, "eine Menge von
Fragen diskutabel zu machen, die von der Art sind, daß sie eigent-
lich nur dadurch zu Fragen werden, wenn man darauf gestoßen
wird, sie als solche zu behandeln" 2). Die Gesetzgebung hat die
Lösung dieser Schwierigkeiten der Praxis und der Wissenschaft
überlassen und die letztere hat nicht angestanden, sich dieser Auf-

1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff.
2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Sess. des Reichstages von
1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126.

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
ſeiner für alle Zollvereinsſatzungen gemeinſamen Anordnung das
Anerkenntniß dieſer fortdauernden Verſchiedenheit enthält. Zum
Verſtändniß dieſes Satzes dient Folgendes.

Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver-
trägen die völkerrechtliche und die ſtaatsrechtliche
Wirkung zu unterſcheiden. In völkerrechtlicher Beziehung hatten
alle Beſtimmungen derſelben eine und dieſelbe Wirkung, ſie er-
zeugten gegenſeitige Rechte und Pflichten der vertragſchließenden
Staaten. Ganz unabhängig davon war die ſtaatsrechtliche Be-
deutung der verabredeten Beſtimmungen in den einzelnen Staaten,
je nachdem dieſelben in den Bereich des eigentlichen Verfaſſungs-
rechts, der Geſetzgebung oder der Verwaltung eingriffen 1). Durch
den Art. 40 iſt die völkerrechtliche Bedeutung und Kraft erloſchen
und aus dem übereinſtimmenden Recht der verbundenen Staaten
iſt ein einheitliches Recht des Reiches geworden; dies iſt die für
alle Zollvereinsſatzungen gemeinſame Anordung. Aber dieſe Er-
hebung der Geſammtmaſſe der Zollvereinsſatzungen zum Reichs-
recht iſt in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den einzelnen
Beſtimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rückſicht auf die ver-
faſſungsrechtlichen Grundſätze des Reiches zukommt. Hiernach
zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsverträge
in 3 Klaſſen: in Verfaſſungsvorſchriften, in Geſetzesvor-
ſchriften und in Verwaltungsvorſchriften. Welche Beſtim-
mungen in jede dieſer drei Klaſſen gehören, iſt weder bei der Ab-
faſſung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung noch bei der Berathung
der Reichsverfaſſung feſtgeſtellt worden, und zwar — wie der
Präſident des Bundeskanzler-Amtes auf eine an ihn gerichtete An-
frage in der Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 er-
klärte — weil dieſe Klaſſifikation nicht nur ſchwierig und zeit-
raubend, ſondern auch geeignet ſein würde, „eine Menge von
Fragen diskutabel zu machen, die von der Art ſind, daß ſie eigent-
lich nur dadurch zu Fragen werden, wenn man darauf geſtoßen
wird, ſie als ſolche zu behandeln“ 2). Die Geſetzgebung hat die
Löſung dieſer Schwierigkeiten der Praxis und der Wiſſenſchaft
überlaſſen und die letztere hat nicht angeſtanden, ſich dieſer Auf-

1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff.
2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Seſſ. des Reichstages von
1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126.
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[247/0257] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. ſeiner für alle Zollvereinsſatzungen gemeinſamen Anordnung das Anerkenntniß dieſer fortdauernden Verſchiedenheit enthält. Zum Verſtändniß dieſes Satzes dient Folgendes. Bei den Zollvereinsverträgen war wie bei allen Staatsver- trägen die völkerrechtliche und die ſtaatsrechtliche Wirkung zu unterſcheiden. In völkerrechtlicher Beziehung hatten alle Beſtimmungen derſelben eine und dieſelbe Wirkung, ſie er- zeugten gegenſeitige Rechte und Pflichten der vertragſchließenden Staaten. Ganz unabhängig davon war die ſtaatsrechtliche Be- deutung der verabredeten Beſtimmungen in den einzelnen Staaten, je nachdem dieſelben in den Bereich des eigentlichen Verfaſſungs- rechts, der Geſetzgebung oder der Verwaltung eingriffen 1). Durch den Art. 40 iſt die völkerrechtliche Bedeutung und Kraft erloſchen und aus dem übereinſtimmenden Recht der verbundenen Staaten iſt ein einheitliches Recht des Reiches geworden; dies iſt die für alle Zollvereinsſatzungen gemeinſame Anordung. Aber dieſe Er- hebung der Geſammtmaſſe der Zollvereinsſatzungen zum Reichs- recht iſt in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den einzelnen Beſtimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rückſicht auf die ver- faſſungsrechtlichen Grundſätze des Reiches zukommt. Hiernach zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsverträge in 3 Klaſſen: in Verfaſſungsvorſchriften, in Geſetzesvor- ſchriften und in Verwaltungsvorſchriften. Welche Beſtim- mungen in jede dieſer drei Klaſſen gehören, iſt weder bei der Ab- faſſung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung noch bei der Berathung der Reichsverfaſſung feſtgeſtellt worden, und zwar — wie der Präſident des Bundeskanzler-Amtes auf eine an ihn gerichtete An- frage in der Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 er- klärte — weil dieſe Klaſſifikation nicht nur ſchwierig und zeit- raubend, ſondern auch geeignet ſein würde, „eine Menge von Fragen diskutabel zu machen, die von der Art ſind, daß ſie eigent- lich nur dadurch zu Fragen werden, wenn man darauf geſtoßen wird, ſie als ſolche zu behandeln“ 2). Die Geſetzgebung hat die Löſung dieſer Schwierigkeiten der Praxis und der Wiſſenſchaft überlaſſen und die letztere hat nicht angeſtanden, ſich dieſer Auf- 1) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. Hänel Studien I. S. 124 ff. 2) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Seſſ. des Reichstages von 1870 S. 126 fg. Seydel Kommentar S. 180 fg. Hänel S. 126.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/257>, abgerufen am 21.11.2024.