Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Gesetzgebung etc. mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtiggeregelt in folgenden Gesetzen: 1. Das Zollgesetz v. 1. Juli 1869 1). Dasselbe ist eine 1) Bundes-Gesetzbl. 1869 S. 317--369. Denkschrift zu dem Entw. des Gesetzes in den Aktenstücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu Hirth's Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufseß ebendas. 1880 S. 650. 2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Hessen vereinbarten Verfassung (B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfassungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871 S. 21). Reichsges. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth- lich empfand man kein praktisches Bedürfniß, ein Gesetz, welches im ganzen Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung stand, als Reichsgesetz einzuführen. 3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der
Interpretation derjenigen Gesetzesvorschriften führen, welche sich auf "Reichs- gesetze" beziehen. Es gilt dies besonders von der Bestimmung des Art. 5 des Einführungs-Gesetzes zur Strafproz.Ordn.: "Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt." Man wollte damit gerade auch gewisse Bestimmungen der Zoll- und Steuergesetze aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war sich wol kaum be- wußt, daß diese Gesetze gar keine "Reichsgesetze" sind. §. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc. mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtiggeregelt in folgenden Geſetzen: 1. Das Zollgeſetz v. 1. Juli 1869 1). Daſſelbe iſt eine 1) Bundes-Geſetzbl. 1869 S. 317—369. Denkſchrift zu dem Entw. des Geſetzes in den Aktenſtücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu Hirth’s Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufſeß ebendaſ. 1880 S. 650. 2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Heſſen vereinbarten Verfaſſung (B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfaſſungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871 S. 21). Reichsgeſ. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth- lich empfand man kein praktiſches Bedürfniß, ein Geſetz, welches im ganzen Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung ſtand, als Reichsgeſetz einzuführen. 3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der
Interpretation derjenigen Geſetzesvorſchriften führen, welche ſich auf „Reichs- geſetze“ beziehen. Es gilt dies beſonders von der Beſtimmung des Art. 5 des Einführungs-Geſetzes zur Strafproz.Ordn.: „Die prozeßrechtlichen Vorſchriften der Reichsgeſetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt.“ Man wollte damit gerade auch gewiſſe Beſtimmungen der Zoll- und Steuergeſetze aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war ſich wol kaum be- wußt, daß dieſe Geſetze gar keine „Reichsgeſetze“ ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0280" n="270"/><fw place="top" type="header">§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc.</fw><lb/> mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtig<lb/> geregelt in folgenden Geſetzen:</p><lb/> <p>1. Das <hi rendition="#g">Zollgeſetz</hi> v. 1. Juli 1869 <note place="foot" n="1)">Bundes-Geſetzbl. 1869 S. 317—369. Denkſchrift zu dem Entw. des<lb/> Geſetzes in den Aktenſtücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu<lb/> Hirth’s <hi rendition="#g">Annalen</hi> 1869 S. 511 ff. v. <hi rendition="#g">Aufſeß</hi> ebendaſ. 1880 S. 650.</note>. Daſſelbe iſt eine<lb/> umfaſſende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zoll-<lb/> ſtrafrechts, und iſt an die Stelle der im ehemaligen Zollverein<lb/> im Jahre 1836 vereinbarten Satzungen, nämlich des Zollgeſetzes,<lb/> der Zollordnung und der „Grundſätze, betreffend das Zollſtraf-<lb/> geſetz“, getreten. Das Zollgeſetz iſt ſtreng genommen <hi rendition="#g">kein Reichs-<lb/> geſetz</hi>. Es iſt im Zollverein nach Maßgabe des Vertrages vom<lb/> 8. Juli 1867 vereinbart worden und demgemäß zur Entſtehung<lb/> gekommen als ein gleichlautendes Geſetz der fünf zum Zollverein<lb/> verbundenen Staaten d. h. des Norddeutſchen Bundes, Bayerns,<lb/> Württemberg’s, Badens und Heſſen’s; <hi rendition="#g">bei der Gründung des<lb/> deutſchen Reiches iſt es nicht unter den Geſetzen des<lb/> Norddeutſchen Bundes, welche zu Reichsgeſetzen<lb/> erklärt worden ſind, mit aufgeführt worden</hi> <note place="foot" n="2)">Vgl. Art. 80 der mit Baden und Heſſen vereinbarten Verfaſſung<lb/> (B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfaſſungsvertrag <hi rendition="#aq">III.</hi> §. 8 (R.G.Bl. 1871<lb/> S. 21). <hi rendition="#g">Reichsgeſ</hi>. v. 16. <hi rendition="#g">April</hi> 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth-<lb/> lich empfand man kein praktiſches Bedürfniß, ein Geſetz, welches im ganzen<lb/> Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung ſtand, als Reichsgeſetz einzuführen.</note>; dem-<lb/> nach iſt keine Veränderung hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner<lb/> Geltung eingetreten. Allein praktiſch iſt dies in Betreff der Geſetz-<lb/> gebungs-Befugniß unerheblich; denn da den Einzelſtaaten die Be-<lb/> fugniß zur Geſetzgebung in Zollſachen <hi rendition="#g">gänzlich</hi> entzogen iſt, ſo<lb/> ſind ſie außer Stande, an dem Vereinszollgeſetz irgend eine Ver-<lb/> änderung vorzunehmen, und es iſt mithin die gleichmäßige Geltung<lb/> des Zollgeſetzes im Reichsgebiete ebenſo geſichert, als wäre es<lb/> ausdrücklich zum Reichsgeſetz erklärt worden <note place="foot" n="3)">Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der<lb/> Interpretation derjenigen Geſetzesvorſchriften führen, welche ſich auf „Reichs-<lb/> geſetze“ beziehen. Es gilt dies beſonders von der Beſtimmung des Art. 5 des<lb/> Einführungs-Geſetzes zur Strafproz.Ordn.: „Die prozeßrechtlichen Vorſchriften<lb/> der Reichsgeſetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt.“ Man<lb/> wollte damit gerade auch gewiſſe Beſtimmungen der Zoll- und Steuergeſetze<lb/> aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war ſich wol kaum be-<lb/> wußt, daß dieſe Geſetze gar keine „Reichsgeſetze“ ſind.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0280]
§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc.
mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtig
geregelt in folgenden Geſetzen:
1. Das Zollgeſetz v. 1. Juli 1869 1). Daſſelbe iſt eine
umfaſſende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zoll-
ſtrafrechts, und iſt an die Stelle der im ehemaligen Zollverein
im Jahre 1836 vereinbarten Satzungen, nämlich des Zollgeſetzes,
der Zollordnung und der „Grundſätze, betreffend das Zollſtraf-
geſetz“, getreten. Das Zollgeſetz iſt ſtreng genommen kein Reichs-
geſetz. Es iſt im Zollverein nach Maßgabe des Vertrages vom
8. Juli 1867 vereinbart worden und demgemäß zur Entſtehung
gekommen als ein gleichlautendes Geſetz der fünf zum Zollverein
verbundenen Staaten d. h. des Norddeutſchen Bundes, Bayerns,
Württemberg’s, Badens und Heſſen’s; bei der Gründung des
deutſchen Reiches iſt es nicht unter den Geſetzen des
Norddeutſchen Bundes, welche zu Reichsgeſetzen
erklärt worden ſind, mit aufgeführt worden 2); dem-
nach iſt keine Veränderung hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner
Geltung eingetreten. Allein praktiſch iſt dies in Betreff der Geſetz-
gebungs-Befugniß unerheblich; denn da den Einzelſtaaten die Be-
fugniß zur Geſetzgebung in Zollſachen gänzlich entzogen iſt, ſo
ſind ſie außer Stande, an dem Vereinszollgeſetz irgend eine Ver-
änderung vorzunehmen, und es iſt mithin die gleichmäßige Geltung
des Zollgeſetzes im Reichsgebiete ebenſo geſichert, als wäre es
ausdrücklich zum Reichsgeſetz erklärt worden 3).
1) Bundes-Geſetzbl. 1869 S. 317—369. Denkſchrift zu dem Entw. des
Geſetzes in den Aktenſtücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu
Hirth’s Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufſeß ebendaſ. 1880 S. 650.
2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Heſſen vereinbarten Verfaſſung
(B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfaſſungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871
S. 21). Reichsgeſ. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth-
lich empfand man kein praktiſches Bedürfniß, ein Geſetz, welches im ganzen
Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung ſtand, als Reichsgeſetz einzuführen.
3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der
Interpretation derjenigen Geſetzesvorſchriften führen, welche ſich auf „Reichs-
geſetze“ beziehen. Es gilt dies beſonders von der Beſtimmung des Art. 5 des
Einführungs-Geſetzes zur Strafproz.Ordn.: „Die prozeßrechtlichen Vorſchriften
der Reichsgeſetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt.“ Man
wollte damit gerade auch gewiſſe Beſtimmungen der Zoll- und Steuergeſetze
aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war ſich wol kaum be-
wußt, daß dieſe Geſetze gar keine „Reichsgeſetze“ ſind.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |