Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 122. Die Matrikularbeiträge. Für die Finanzwirthschaft führen daher die in Rede Das Rechtsverhältniß zwischen dem Reich und den Einzel- 1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch sogen. "konstitutionelle
Garantien" für das Ausgabenbewilligungsrecht zu schaffen. Für praktisch er- heblich kann ich dieselben aber nicht erachten. Ohne den Grundsatz des §. 8 würde durch das Reichsetatsgesetz (die Ausgaben-Bewilligung) festgesetzt werden, welche Summe zur Vertheilung an die Einzelstaaten übrig bleibt; mit dem Grundsatz des §. 8 wird durch das Etatsgesetz bestimmt, welcher Betrag in der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel- staaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch politisch auf dasselbe hinaus. Fürst Bismarck erklärte im Reichstag: "Der Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc oder blanc bonnet oder ob ich spreche von einem schwazen Tuchrock oder von einem Rock von schwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterschied nicht, jeder weitere Unterschied, den Sie hineinlegen, ist fingirt, widerspricht der Sachlage und widerspricht unserer Verfassung". Stenograph. Berichte 1879 Bd. III S. 2193. §. 122. Die Matrikularbeiträge. Für die Finanzwirthſchaft führen daher die in Rede Das Rechtsverhältniß zwiſchen dem Reich und den Einzel- 1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch ſogen. „konſtitutionelle
Garantien“ für das Ausgabenbewilligungsrecht zu ſchaffen. Für praktiſch er- heblich kann ich dieſelben aber nicht erachten. Ohne den Grundſatz des §. 8 würde durch das Reichsetatsgeſetz (die Ausgaben-Bewilligung) feſtgeſetzt werden, welche Summe zur Vertheilung an die Einzelſtaaten übrig bleibt; mit dem Grundſatz des §. 8 wird durch das Etatsgeſetz beſtimmt, welcher Betrag in der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel- ſtaaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch politiſch auf daſſelbe hinaus. Fürſt Bismarck erklärte im Reichstag: „Der Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc oder blanc bonnet oder ob ich ſpreche von einem ſchwazen Tuchrock oder von einem Rock von ſchwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterſchied nicht, jeder weitere Unterſchied, den Sie hineinlegen, iſt fingirt, widerſpricht der Sachlage und widerſpricht unſerer Verfaſſung“. Stenograph. Berichte 1879 Bd. III S. 2193. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0344" n="334"/> <fw place="top" type="header">§. 122. Die Matrikularbeiträge.</fw><lb/> <p>Für die <hi rendition="#g">Finanzwirthſchaft</hi> führen daher die in Rede<lb/> ſtehenden Vorſchriften der Reichsgeſetze kein anderes praktiſches<lb/> Reſultat herbei, als wenn die Matrikularbeiträge abgeſchafft worden<lb/> wären und nur die <hi rendition="#g">Ueberſchüſſe</hi> der „eigenen“ Einnahmen<lb/> des Reiches über die Geſammtſumme der Ausgaben zur Verthei-<lb/> lung gebracht würden; nur die Abrechnung zwiſchen den Einzel-<lb/> ſtaaten und der Reichskaſſe hätte in dieſem Falle eine andere Ge-<lb/> ſtalt. Dagegen liegt die Bedeutung der reichsgeſetzlichen Anord-<lb/> nungen auf dem Gebiete des <hi rendition="#g">Budgetrechts</hi>; ſie haben zur<lb/> Folge, daß derjenige Betrag, welchen die Einzelſtaaten aus den<lb/> ihnen zukommenden Zoll-, Tabakſteuer- und Stempel-Einnahmen<lb/> an die Reichskaſſe unter dem Namen von Matrikularbeiträgen<lb/> wieder zurückzugeben haben, durch das Etatsgeſetz feſtgeſtellt wer-<lb/> den muß <note place="foot" n="1)">Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch ſogen. „konſtitutionelle<lb/> Garantien“ für das Ausgabenbewilligungsrecht zu ſchaffen. Für praktiſch er-<lb/> heblich kann ich dieſelben aber nicht erachten. <hi rendition="#g">Ohne</hi> den Grundſatz des §. 8<lb/> würde durch das Reichsetatsgeſetz (die Ausgaben-Bewilligung) feſtgeſetzt werden,<lb/> welche Summe zur Vertheilung an die Einzelſtaaten <hi rendition="#g">übrig</hi> bleibt; <hi rendition="#g">mit</hi> dem<lb/> Grundſatz des §. 8 wird durch das Etatsgeſetz beſtimmt, welcher Betrag in<lb/> der Form der Matrikularbeiträge <hi rendition="#aq">compensando</hi> von dem Antheil der Einzel-<lb/> ſtaaten (oder <hi rendition="#aq">via versa</hi>) <hi rendition="#g">in Abzug gebracht</hi> wird. Dies kommt auch<lb/> politiſch auf daſſelbe hinaus. Fürſt <hi rendition="#g">Bismarck</hi> erklärte im Reichstag: „Der<lb/> Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort <hi rendition="#aq">bonnet blanc</hi><lb/> oder <hi rendition="#aq">blanc bonnet</hi> oder ob ich ſpreche von einem ſchwazen Tuchrock oder von<lb/> einem Rock von ſchwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterſchied nicht,<lb/> jeder weitere Unterſchied, den Sie hineinlegen, iſt fingirt, widerſpricht der<lb/> Sachlage und widerſpricht unſerer Verfaſſung“. Stenograph. Berichte 1879<lb/> Bd. <hi rendition="#aq">III</hi> S. 2193.</note>.</p><lb/> <p>Das Rechtsverhältniß zwiſchen dem Reich und den Einzel-<lb/> ſtaaten iſt hierdurch ſehr complizirt worden. Die Einzelſtaaten<lb/><hi rendition="#g">erheben</hi> die Zölle, die Tabakſteuer und die Stempelſteuer und<lb/> werden alſo zunächſt Eigenthümer des in ihren Zoll- und Steuer-<lb/> kaſſen eingegangenen Geldes; ſie erheben aber dieſe Abgaben für<lb/> gemeinſchaftliche Rechnung der Bundesſtaaten (<hi rendition="#g">für die Reichs-<lb/> kaſſe</hi>) und ſind demnach für den <hi rendition="#g">ganzen</hi> von ihnen erhobenen<lb/> Betrag, abzüglich der Rückvergütungen und Erhebungskoſten, Schuld-<lb/> ner des Reichsfiskus. Das Reichsſchatzamt berechnet ſodann nach<lb/> dem Geſammterträgniß dieſer Steuern diejenigen Summen, welche<lb/> den einzelnen Bundesſtaaten zu überweiſen ſind, und zieht hievon<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0344]
§. 122. Die Matrikularbeiträge.
Für die Finanzwirthſchaft führen daher die in Rede
ſtehenden Vorſchriften der Reichsgeſetze kein anderes praktiſches
Reſultat herbei, als wenn die Matrikularbeiträge abgeſchafft worden
wären und nur die Ueberſchüſſe der „eigenen“ Einnahmen
des Reiches über die Geſammtſumme der Ausgaben zur Verthei-
lung gebracht würden; nur die Abrechnung zwiſchen den Einzel-
ſtaaten und der Reichskaſſe hätte in dieſem Falle eine andere Ge-
ſtalt. Dagegen liegt die Bedeutung der reichsgeſetzlichen Anord-
nungen auf dem Gebiete des Budgetrechts; ſie haben zur
Folge, daß derjenige Betrag, welchen die Einzelſtaaten aus den
ihnen zukommenden Zoll-, Tabakſteuer- und Stempel-Einnahmen
an die Reichskaſſe unter dem Namen von Matrikularbeiträgen
wieder zurückzugeben haben, durch das Etatsgeſetz feſtgeſtellt wer-
den muß 1).
Das Rechtsverhältniß zwiſchen dem Reich und den Einzel-
ſtaaten iſt hierdurch ſehr complizirt worden. Die Einzelſtaaten
erheben die Zölle, die Tabakſteuer und die Stempelſteuer und
werden alſo zunächſt Eigenthümer des in ihren Zoll- und Steuer-
kaſſen eingegangenen Geldes; ſie erheben aber dieſe Abgaben für
gemeinſchaftliche Rechnung der Bundesſtaaten (für die Reichs-
kaſſe) und ſind demnach für den ganzen von ihnen erhobenen
Betrag, abzüglich der Rückvergütungen und Erhebungskoſten, Schuld-
ner des Reichsfiskus. Das Reichsſchatzamt berechnet ſodann nach
dem Geſammterträgniß dieſer Steuern diejenigen Summen, welche
den einzelnen Bundesſtaaten zu überweiſen ſind, und zieht hievon
1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch ſogen. „konſtitutionelle
Garantien“ für das Ausgabenbewilligungsrecht zu ſchaffen. Für praktiſch er-
heblich kann ich dieſelben aber nicht erachten. Ohne den Grundſatz des §. 8
würde durch das Reichsetatsgeſetz (die Ausgaben-Bewilligung) feſtgeſetzt werden,
welche Summe zur Vertheilung an die Einzelſtaaten übrig bleibt; mit dem
Grundſatz des §. 8 wird durch das Etatsgeſetz beſtimmt, welcher Betrag in
der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel-
ſtaaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch
politiſch auf daſſelbe hinaus. Fürſt Bismarck erklärte im Reichstag: „Der
Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc
oder blanc bonnet oder ob ich ſpreche von einem ſchwazen Tuchrock oder von
einem Rock von ſchwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterſchied nicht,
jeder weitere Unterſchied, den Sie hineinlegen, iſt fingirt, widerſpricht der
Sachlage und widerſpricht unſerer Verfaſſung“. Stenograph. Berichte 1879
Bd. III S. 2193.
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