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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 123. Bedeutung und Feststellung des Haushalts-Etats-Gesetzes.
ein besonderes Etatsgesetz festgestellt werden und dasselbe muß die
Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres umfassen. Die
Wirthschaftsperiode des Reiches fiel anfänglich mit dem Kalender-
jahr zusammen; durch das Reichsgesetz vom 29. Febr. 1876 1)
wurde jedoch festgesetzt, daß das Etatsjahr für den Reichshaushalt
vom 1. April 1877 ab mit dem 1. April beginnt und mit dem
31. März schließt 2).

2. Im Zusammenhange damit steht der Satz des Art. 71
Abs. 1, daß die gemeinschaftlichen Ausgaben in der Regel für ein
Jahr bewilligt werden. Aber auch, wenn von der eben daselbst
gestatteten Ausnahme, daß Ausgaben in besonderen Fällen auch
für eine längere Dauer bewilligt werden können, Gebrauch gemacht
wird, sind in den Etat jedes Jahres diejenigen Beträge einzu-
stellen, welche in dem betreffenden Jahre zur Verwendung kommen
sollen. Dies gilt namentlich von dem Falle, daß für größere
Bauten oder andere Anlagen Gesammtsummen bewilligt werden,
welche nach und nach im Laufe mehrerer Jahre aufgebraucht wer-
den 3). Denn nach Art. 69 der R.V. müssen alle Einnahmen
und Ausgaben für jedes Jahr veranschlagt werden, so daß eine
vollständige Uebersicht des gesammten Finanzplanes gewonnen wird.

3. Als Regel stellt der Art. 69 die Vorschrift auf, daß alle
Einnahmen und Ausgaben des Reiches in einem einheitlichen

1) R.G.Bl. 1876 S. 121.
2) In Folge dieses Gesetzes mußte ein besonderer Etat für das Viertel-
jahr vom 1. Januar bis 31. März 1877 festgestellt werden. R.G. v. 23. Dez. 1876
(R.G.Bl. S. 239). Ein solcher Quartals-Etat steht mit der unzweideutigen
und klaren Anordnung des Art. 69 im Widerspruch. Wäre die Theorie richtig,
daß Gesetze, welche einer Verfassungsbestimmung widersprechen, trotzdem sie
formell ordnungsmäßig zu Stande gekommen sind, ungültig seien, so
müßte man consequenter Weise auch dieses Etatsgesetz für ungültig
erklären
, weil nicht vorher Art. 69 der R.V. eine entsprechende Verände-
rung oder Ergänzung erfahren habe. An solchen Consequenzen erweist sich
die Unrichtigkeit der erwähnten Theorie. Vgl. Bd. II. S. 37 ff.
3) Die Reichsgesetzgebung hat diesen Grundsatz in einer erheblichen Zahl
von Fällen und ganz consequent zur Geltung gebracht. Anwendungsfälle
sind: R.G. v. 8. Juli 1872 Art. II. (R.G.Bl. S. 290). R.G. v. 23. Mai 1873
(Invalidenfonds) §§. 6. 7. (R.G.Bl. S. 119). R.G. v. 30. Mai 1873 (Festungs-
baufonds) Art. II. (R.G.Bl. S. 123). R.G. v. 12. Juni 1873 Art. II. a. E.
(R.G.Bl. S. 128). R.G. v. 14. Febr. 1875 §. 2 Abs. 2 (R.G.Bl. S. 62).
R.G. v. 17. Febr. 1876 §. 3 (R.G.Bl. S. 21).

§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes.
ein beſonderes Etatsgeſetz feſtgeſtellt werden und daſſelbe muß die
Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres umfaſſen. Die
Wirthſchaftsperiode des Reiches fiel anfänglich mit dem Kalender-
jahr zuſammen; durch das Reichsgeſetz vom 29. Febr. 1876 1)
wurde jedoch feſtgeſetzt, daß das Etatsjahr für den Reichshaushalt
vom 1. April 1877 ab mit dem 1. April beginnt und mit dem
31. März ſchließt 2).

2. Im Zuſammenhange damit ſteht der Satz des Art. 71
Abſ. 1, daß die gemeinſchaftlichen Ausgaben in der Regel für ein
Jahr bewilligt werden. Aber auch, wenn von der eben daſelbſt
geſtatteten Ausnahme, daß Ausgaben in beſonderen Fällen auch
für eine längere Dauer bewilligt werden können, Gebrauch gemacht
wird, ſind in den Etat jedes Jahres diejenigen Beträge einzu-
ſtellen, welche in dem betreffenden Jahre zur Verwendung kommen
ſollen. Dies gilt namentlich von dem Falle, daß für größere
Bauten oder andere Anlagen Geſammtſummen bewilligt werden,
welche nach und nach im Laufe mehrerer Jahre aufgebraucht wer-
den 3). Denn nach Art. 69 der R.V. müſſen alle Einnahmen
und Ausgaben für jedes Jahr veranſchlagt werden, ſo daß eine
vollſtändige Ueberſicht des geſammten Finanzplanes gewonnen wird.

3. Als Regel ſtellt der Art. 69 die Vorſchrift auf, daß alle
Einnahmen und Ausgaben des Reiches in einem einheitlichen

1) R.G.Bl. 1876 S. 121.
2) In Folge dieſes Geſetzes mußte ein beſonderer Etat für das Viertel-
jahr vom 1. Januar bis 31. März 1877 feſtgeſtellt werden. R.G. v. 23. Dez. 1876
(R.G.Bl. S. 239). Ein ſolcher Quartals-Etat ſteht mit der unzweideutigen
und klaren Anordnung des Art. 69 im Widerſpruch. Wäre die Theorie richtig,
daß Geſetze, welche einer Verfaſſungsbeſtimmung widerſprechen, trotzdem ſie
formell ordnungsmäßig zu Stande gekommen ſind, ungültig ſeien, ſo
müßte man conſequenter Weiſe auch dieſes Etatsgeſetz für ungültig
erklären
, weil nicht vorher Art. 69 der R.V. eine entſprechende Verände-
rung oder Ergänzung erfahren habe. An ſolchen Conſequenzen erweiſt ſich
die Unrichtigkeit der erwähnten Theorie. Vgl. Bd. II. S. 37 ff.
3) Die Reichsgeſetzgebung hat dieſen Grundſatz in einer erheblichen Zahl
von Fällen und ganz conſequent zur Geltung gebracht. Anwendungsfälle
ſind: R.G. v. 8. Juli 1872 Art. II. (R.G.Bl. S. 290). R.G. v. 23. Mai 1873
(Invalidenfonds) §§. 6. 7. (R.G.Bl. S. 119). R.G. v. 30. Mai 1873 (Feſtungs-
baufonds) Art. II. (R.G.Bl. S. 123). R.G. v. 12. Juni 1873 Art. II. a. E.
(R.G.Bl. S. 128). R.G. v. 14. Febr. 1875 §. 2 Abſ. 2 (R.G.Bl. S. 62).
R.G. v. 17. Febr. 1876 §. 3 (R.G.Bl. S. 21).
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[343/0353] §. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes. ein beſonderes Etatsgeſetz feſtgeſtellt werden und daſſelbe muß die Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres umfaſſen. Die Wirthſchaftsperiode des Reiches fiel anfänglich mit dem Kalender- jahr zuſammen; durch das Reichsgeſetz vom 29. Febr. 1876 1) wurde jedoch feſtgeſetzt, daß das Etatsjahr für den Reichshaushalt vom 1. April 1877 ab mit dem 1. April beginnt und mit dem 31. März ſchließt 2). 2. Im Zuſammenhange damit ſteht der Satz des Art. 71 Abſ. 1, daß die gemeinſchaftlichen Ausgaben in der Regel für ein Jahr bewilligt werden. Aber auch, wenn von der eben daſelbſt geſtatteten Ausnahme, daß Ausgaben in beſonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden können, Gebrauch gemacht wird, ſind in den Etat jedes Jahres diejenigen Beträge einzu- ſtellen, welche in dem betreffenden Jahre zur Verwendung kommen ſollen. Dies gilt namentlich von dem Falle, daß für größere Bauten oder andere Anlagen Geſammtſummen bewilligt werden, welche nach und nach im Laufe mehrerer Jahre aufgebraucht wer- den 3). Denn nach Art. 69 der R.V. müſſen alle Einnahmen und Ausgaben für jedes Jahr veranſchlagt werden, ſo daß eine vollſtändige Ueberſicht des geſammten Finanzplanes gewonnen wird. 3. Als Regel ſtellt der Art. 69 die Vorſchrift auf, daß alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches in einem einheitlichen 1) R.G.Bl. 1876 S. 121. 2) In Folge dieſes Geſetzes mußte ein beſonderer Etat für das Viertel- jahr vom 1. Januar bis 31. März 1877 feſtgeſtellt werden. R.G. v. 23. Dez. 1876 (R.G.Bl. S. 239). Ein ſolcher Quartals-Etat ſteht mit der unzweideutigen und klaren Anordnung des Art. 69 im Widerſpruch. Wäre die Theorie richtig, daß Geſetze, welche einer Verfaſſungsbeſtimmung widerſprechen, trotzdem ſie formell ordnungsmäßig zu Stande gekommen ſind, ungültig ſeien, ſo müßte man conſequenter Weiſe auch dieſes Etatsgeſetz für ungültig erklären, weil nicht vorher Art. 69 der R.V. eine entſprechende Verände- rung oder Ergänzung erfahren habe. An ſolchen Conſequenzen erweiſt ſich die Unrichtigkeit der erwähnten Theorie. Vgl. Bd. II. S. 37 ff. 3) Die Reichsgeſetzgebung hat dieſen Grundſatz in einer erheblichen Zahl von Fällen und ganz conſequent zur Geltung gebracht. Anwendungsfälle ſind: R.G. v. 8. Juli 1872 Art. II. (R.G.Bl. S. 290). R.G. v. 23. Mai 1873 (Invalidenfonds) §§. 6. 7. (R.G.Bl. S. 119). R.G. v. 30. Mai 1873 (Feſtungs- baufonds) Art. II. (R.G.Bl. S. 123). R.G. v. 12. Juni 1873 Art. II. a. E. (R.G.Bl. S. 128). R.G. v. 14. Febr. 1875 §. 2 Abſ. 2 (R.G.Bl. S. 62). R.G. v. 17. Febr. 1876 §. 3 (R.G.Bl. S. 21).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/353>, abgerufen am 21.11.2024.