Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 123. Bedeutung und Feststellung des Haushalts-Etats-Gesetzes.

Dagegen ist die Bestimmung im Art. 7 Abs. 4 der R.V. auf
die Beschlußfassung des Bundesrathes über den Etat nicht an-
wendbar 1), weil die Regelung des Reichshaushaltsplanes eine allen
Bundesgliedern gemeinsame Angelegenheit ist, die Feststellung des
Reichshaushalts im Ganzen aber von der Beschlußfassung über
die einzelnen Positionen sich nicht trennen läßt.

2. Art. 78 Abs. 2 der R.V., wonach diejenigen Vorschriften
der Reichsverfassung, durch welche bestimmte Rechte einzelner
Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammtheit festgestellt
sind, nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abge-
ändert werden können, erstreckt seine Wirkung auch auf die Beschluß-
fassung über den Etat. Denn eine Abänderung der Sonderrechte
einzelner Staaten kann auch ohne formelle Aufhebung bestimmter
Artikel der Verfassungsurkunde dadurch eintreten, daß man sie
thatsächlich nicht berücksichtigt und dazu bietet gerade der Etat
vielfache Gelegenheit. Der verfassungsmäßige Schutz der Reservat-
rechte wäre illusorisch, wenn man sie von Jahr zu Jahr durch
das Etatsgesetz ohne Zustimmung der berechtigten Einzelstaaten
suspendiren könnte.

3. Das ordnungsmäßig beschlossene Etatsgesetz ist gemäß
Art. 17 der R.V. vom Kaiser auszufertigen und zu ver-
kündigen
. Es ist dies das Recht des Kaisers, zugleich aber
auch seine verfassungsmäßige Pflicht 2). Die Publikation erfolgt
nach der Vorschrift im Art. 2 der R.V. vermittelst des Reichs-
gesetzblattes; das Etatsgesetz nebst dem ihm beiliegenden Haus-
halts-Etat muß unverändert in derjenigen Form erfolgen, welche
durch die übereinstimmenden Beschlüsse des Bundesraths und des
Reichstages festgestellt worden ist. Die Verantwortlichkeit dafür
trägt der Reichskanzler.

II. Art. 69 der R.V. bestimmt: "Alle Einnahmen und Aus-
gaben des Reiches müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf
den Reichshaushalts-Etat gebracht werden". Hierin sind folgende
Regeln enthalten:

1. Die Wirthschaftsperiode des Reiches ist verfassungsmäßig
auf ein Jahr bestimmt worden; es muß daher für jedes Jahr

1) Vgl. Bd. I. S. 246.
2) Vgl. Bd. II. S. 41 ff.
§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes.

Dagegen iſt die Beſtimmung im Art. 7 Abſ. 4 der R.V. auf
die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes über den Etat nicht an-
wendbar 1), weil die Regelung des Reichshaushaltsplanes eine allen
Bundesgliedern gemeinſame Angelegenheit iſt, die Feſtſtellung des
Reichshaushalts im Ganzen aber von der Beſchlußfaſſung über
die einzelnen Poſitionen ſich nicht trennen läßt.

2. Art. 78 Abſ. 2 der R.V., wonach diejenigen Vorſchriften
der Reichsverfaſſung, durch welche beſtimmte Rechte einzelner
Bundesſtaaten in deren Verhältniß zur Geſammtheit feſtgeſtellt
ſind, nur mit Zuſtimmung des berechtigten Bundesſtaates abge-
ändert werden können, erſtreckt ſeine Wirkung auch auf die Beſchluß-
faſſung über den Etat. Denn eine Abänderung der Sonderrechte
einzelner Staaten kann auch ohne formelle Aufhebung beſtimmter
Artikel der Verfaſſungsurkunde dadurch eintreten, daß man ſie
thatſächlich nicht berückſichtigt und dazu bietet gerade der Etat
vielfache Gelegenheit. Der verfaſſungsmäßige Schutz der Reſervat-
rechte wäre illuſoriſch, wenn man ſie von Jahr zu Jahr durch
das Etatsgeſetz ohne Zuſtimmung der berechtigten Einzelſtaaten
ſuſpendiren könnte.

3. Das ordnungsmäßig beſchloſſene Etatsgeſetz iſt gemäß
Art. 17 der R.V. vom Kaiſer auszufertigen und zu ver-
kündigen
. Es iſt dies das Recht des Kaiſers, zugleich aber
auch ſeine verfaſſungsmäßige Pflicht 2). Die Publikation erfolgt
nach der Vorſchrift im Art. 2 der R.V. vermittelſt des Reichs-
geſetzblattes; das Etatsgeſetz nebſt dem ihm beiliegenden Haus-
halts-Etat muß unverändert in derjenigen Form erfolgen, welche
durch die übereinſtimmenden Beſchlüſſe des Bundesraths und des
Reichstages feſtgeſtellt worden iſt. Die Verantwortlichkeit dafür
trägt der Reichskanzler.

II. Art. 69 der R.V. beſtimmt: „Alle Einnahmen und Aus-
gaben des Reiches müſſen für jedes Jahr veranſchlagt und auf
den Reichshaushalts-Etat gebracht werden“. Hierin ſind folgende
Regeln enthalten:

1. Die Wirthſchaftsperiode des Reiches iſt verfaſſungsmäßig
auf ein Jahr beſtimmt worden; es muß daher für jedes Jahr

1) Vgl. Bd. I. S. 246.
2) Vgl. Bd. II. S. 41 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0352" n="342"/>
            <fw place="top" type="header">§. 123. Bedeutung und Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Haushalts-Etats-Ge&#x017F;etzes.</fw><lb/>
            <p>Dagegen i&#x017F;t die Be&#x017F;timmung im Art. 7 Ab&#x017F;. 4 der R.V. auf<lb/>
die Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung des Bundesrathes über den Etat nicht an-<lb/>
wendbar <note place="foot" n="1)">Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 246.</note>, weil die Regelung des Reichshaushaltsplanes eine allen<lb/>
Bundesgliedern gemein&#x017F;ame Angelegenheit i&#x017F;t, die Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des<lb/>
Reichshaushalts im Ganzen aber von der Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung über<lb/>
die einzelnen Po&#x017F;itionen &#x017F;ich nicht trennen läßt.</p><lb/>
            <p>2. Art. 78 Ab&#x017F;. 2 der R.V., wonach diejenigen Vor&#x017F;chriften<lb/>
der Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung, durch welche be&#x017F;timmte Rechte einzelner<lb/>
Bundes&#x017F;taaten in deren Verhältniß zur Ge&#x017F;ammtheit fe&#x017F;tge&#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ind, nur mit Zu&#x017F;timmung des berechtigten Bundes&#x017F;taates abge-<lb/>
ändert werden können, er&#x017F;treckt &#x017F;eine Wirkung auch auf die Be&#x017F;chluß-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung über den Etat. Denn eine Abänderung der Sonderrechte<lb/>
einzelner Staaten kann auch ohne formelle Aufhebung be&#x017F;timmter<lb/>
Artikel der Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde dadurch eintreten, daß man &#x017F;ie<lb/>
that&#x017F;ächlich nicht berück&#x017F;ichtigt und dazu bietet gerade der Etat<lb/>
vielfache Gelegenheit. Der verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßige Schutz der Re&#x017F;ervat-<lb/>
rechte wäre illu&#x017F;ori&#x017F;ch, wenn man &#x017F;ie von Jahr zu Jahr durch<lb/>
das Etatsge&#x017F;etz ohne Zu&#x017F;timmung der berechtigten Einzel&#x017F;taaten<lb/>
&#x017F;u&#x017F;pendiren könnte.</p><lb/>
            <p>3. Das ordnungsmäßig be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Etatsge&#x017F;etz i&#x017F;t gemäß<lb/>
Art. 17 der R.V. vom Kai&#x017F;er <hi rendition="#g">auszufertigen</hi> und zu <hi rendition="#g">ver-<lb/>
kündigen</hi>. Es i&#x017F;t dies das Recht des Kai&#x017F;ers, zugleich aber<lb/>
auch &#x017F;eine verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßige Pflicht <note place="foot" n="2)">Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 41 ff.</note>. Die Publikation erfolgt<lb/>
nach der Vor&#x017F;chrift im Art. 2 der R.V. vermittel&#x017F;t des Reichs-<lb/>
ge&#x017F;etzblattes; das Etatsge&#x017F;etz neb&#x017F;t dem ihm beiliegenden Haus-<lb/>
halts-Etat muß unverändert in derjenigen Form erfolgen, welche<lb/>
durch die überein&#x017F;timmenden Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e des Bundesraths und des<lb/>
Reichstages fe&#x017F;tge&#x017F;tellt worden i&#x017F;t. Die Verantwortlichkeit dafür<lb/>
trägt der Reichskanzler.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Art. 69 der R.V. be&#x017F;timmt: &#x201E;Alle Einnahmen und Aus-<lb/>
gaben des Reiches mü&#x017F;&#x017F;en für jedes Jahr veran&#x017F;chlagt und auf<lb/>
den Reichshaushalts-Etat gebracht werden&#x201C;. Hierin &#x017F;ind folgende<lb/>
Regeln enthalten:</p><lb/>
            <p>1. Die Wirth&#x017F;chaftsperiode des Reiches i&#x017F;t verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßig<lb/>
auf <hi rendition="#g">ein Jahr</hi> be&#x017F;timmt worden; es muß daher für <hi rendition="#g">jedes</hi> Jahr<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0352] §. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes. Dagegen iſt die Beſtimmung im Art. 7 Abſ. 4 der R.V. auf die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes über den Etat nicht an- wendbar 1), weil die Regelung des Reichshaushaltsplanes eine allen Bundesgliedern gemeinſame Angelegenheit iſt, die Feſtſtellung des Reichshaushalts im Ganzen aber von der Beſchlußfaſſung über die einzelnen Poſitionen ſich nicht trennen läßt. 2. Art. 78 Abſ. 2 der R.V., wonach diejenigen Vorſchriften der Reichsverfaſſung, durch welche beſtimmte Rechte einzelner Bundesſtaaten in deren Verhältniß zur Geſammtheit feſtgeſtellt ſind, nur mit Zuſtimmung des berechtigten Bundesſtaates abge- ändert werden können, erſtreckt ſeine Wirkung auch auf die Beſchluß- faſſung über den Etat. Denn eine Abänderung der Sonderrechte einzelner Staaten kann auch ohne formelle Aufhebung beſtimmter Artikel der Verfaſſungsurkunde dadurch eintreten, daß man ſie thatſächlich nicht berückſichtigt und dazu bietet gerade der Etat vielfache Gelegenheit. Der verfaſſungsmäßige Schutz der Reſervat- rechte wäre illuſoriſch, wenn man ſie von Jahr zu Jahr durch das Etatsgeſetz ohne Zuſtimmung der berechtigten Einzelſtaaten ſuſpendiren könnte. 3. Das ordnungsmäßig beſchloſſene Etatsgeſetz iſt gemäß Art. 17 der R.V. vom Kaiſer auszufertigen und zu ver- kündigen. Es iſt dies das Recht des Kaiſers, zugleich aber auch ſeine verfaſſungsmäßige Pflicht 2). Die Publikation erfolgt nach der Vorſchrift im Art. 2 der R.V. vermittelſt des Reichs- geſetzblattes; das Etatsgeſetz nebſt dem ihm beiliegenden Haus- halts-Etat muß unverändert in derjenigen Form erfolgen, welche durch die übereinſtimmenden Beſchlüſſe des Bundesraths und des Reichstages feſtgeſtellt worden iſt. Die Verantwortlichkeit dafür trägt der Reichskanzler. II. Art. 69 der R.V. beſtimmt: „Alle Einnahmen und Aus- gaben des Reiches müſſen für jedes Jahr veranſchlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden“. Hierin ſind folgende Regeln enthalten: 1. Die Wirthſchaftsperiode des Reiches iſt verfaſſungsmäßig auf ein Jahr beſtimmt worden; es muß daher für jedes Jahr 1) Vgl. Bd. I. S. 246. 2) Vgl. Bd. II. S. 41 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/352
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/352>, abgerufen am 21.11.2024.