Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 123. Bedeutung und Feststellung des Haushalts-Etats-Gesetzes. daß der Reichshaushalts-Etat nur unter Zustimmung des Bundes-raths und des Reichstags festgestellt werden kann und daß die verfassungsrechtlichen Regeln über das Zustandekommen eines Reichsgesetzes auch auf die formelle Behandlung des Reichshaus- halts-Etats Anwendung finden 1). Dagegen ist aus den ange- führten Worten darüber Nichts zu entnehmen, welche materielle Rechtswirkung der Feststellung des Haushaltsetats zukommt 2). Aus dem im Art. 69 der R.V. sanctionirten Prinzip ergiebt 1. Zur Feststellung des Etats ist die Uebereinstimmung der 1) Uebereinstimmend G. Meyer Lehrb. §. 209. 2) v. Martitz wendet sich in der erwähnten Abhandlung gegen die Unterscheidung von Gesetzen im formellen und im materiellen Sinne und schreibt dem Etatsgesetz in allen seinen Positionen materielle Gesetzeskraft zu; eine kritische Prüfung seiner, meines Erachtens durchaus unhaltbaren und in sich selbst widerspruchsvollen Behauptungen erfordert ein ausführlicheres Eingehen auf seine Erörterungen, als an dieser Stelle möglich ist und muß für eine andere Gelegenheit vorbehalten werden. Er schießt jetzt ebenso sehr über das Ziel hinaus wie er es in entgegengesetzter Richtung in seinen "Betrachtungen" 1868 gethan hat, wo er S. 99 den Art. 69 der Verf. "eine geradezu absurde Bestimmung" nennt und wo er es S. 101 für eine juristische "Monstrosität" erklärt, den Etat "Gesetz" zu nennen. 3) Vgl. Bd. I. S. 280. Bd. II. S. 36.
§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes. daß der Reichshaushalts-Etat nur unter Zuſtimmung des Bundes-raths und des Reichstags feſtgeſtellt werden kann und daß die verfaſſungsrechtlichen Regeln über das Zuſtandekommen eines Reichsgeſetzes auch auf die formelle Behandlung des Reichshaus- halts-Etats Anwendung finden 1). Dagegen iſt aus den ange- führten Worten darüber Nichts zu entnehmen, welche materielle Rechtswirkung der Feſtſtellung des Haushaltsetats zukommt 2). Aus dem im Art. 69 der R.V. ſanctionirten Prinzip ergiebt 1. Zur Feſtſtellung des Etats iſt die Uebereinſtimmung der 1) Uebereinſtimmend G. Meyer Lehrb. §. 209. 2) v. Martitz wendet ſich in der erwähnten Abhandlung gegen die Unterſcheidung von Geſetzen im formellen und im materiellen Sinne und ſchreibt dem Etatsgeſetz in allen ſeinen Poſitionen materielle Geſetzeskraft zu; eine kritiſche Prüfung ſeiner, meines Erachtens durchaus unhaltbaren und in ſich ſelbſt widerſpruchsvollen Behauptungen erfordert ein ausführlicheres Eingehen auf ſeine Erörterungen, als an dieſer Stelle möglich iſt und muß für eine andere Gelegenheit vorbehalten werden. Er ſchießt jetzt ebenſo ſehr über das Ziel hinaus wie er es in entgegengeſetzter Richtung in ſeinen „Betrachtungen“ 1868 gethan hat, wo er S. 99 den Art. 69 der Verf. „eine geradezu abſurde Beſtimmung“ nennt und wo er es S. 101 für eine juriſtiſche „Monſtroſität“ erklärt, den Etat „Geſetz“ zu nennen. 3) Vgl. Bd. I. S. 280. Bd. II. S. 36.
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§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes.
daß der Reichshaushalts-Etat nur unter Zuſtimmung des Bundes-
raths und des Reichstags feſtgeſtellt werden kann und daß die
verfaſſungsrechtlichen Regeln über das Zuſtandekommen eines
Reichsgeſetzes auch auf die formelle Behandlung des Reichshaus-
halts-Etats Anwendung finden 1). Dagegen iſt aus den ange-
führten Worten darüber Nichts zu entnehmen, welche materielle
Rechtswirkung der Feſtſtellung des Haushaltsetats zukommt 2).
Aus dem im Art. 69 der R.V. ſanctionirten Prinzip ergiebt
ſich im Einzelnen Folgendes:
1. Zur Feſtſtellung des Etats iſt die Uebereinſtimmung der
Mehrheitsbeſchlüſſe des Bundesraths und des Reichstages erfor-
derlich und ausreichend. Falls jedoch der Etat die beſtehenden
Einrichtungen auf dem Gebiete des Militairweſens, der Kriegs-
marine und der im Art. 35 bezeichneten Abgaben unmittelbar
oder mittelbar verändern oder ihre Aufrechterhaltung unmöglich
machen würde, giebt nach Art. 5 Abſ. 2 der R.V. im Bundes-
rathe die Stimme des Präſidiums den Ausſchlag, wenn ſie ſich
für die Aufrechthaltung der beſtehenden Einrichtungen, alſo für
Verwerfung des Etats ausſpricht 3). Art. 5 Abſ. 2 beſchränkt
ſich nicht auf die Beſeitigung geſetzlicher Anordnungen durch neue
Geſetze, ſondern er ſpricht ganz allgemein von „beſtehenden Ein-
richtungen“, gleichviel ob dieſelben auf Geſetzen oder Verord-
nungen oder Verwaltungsmaßregeln beruhen; andererſeits ſpricht
der Art. 5 Abſ. 2 nur von „Geſetzesvorſchlägen“, nicht von Ver-
waltungsmaßregeln; da aber der Etatsentwurf formell wie ein
Geſetzesvorſchlag zu behandeln iſt, ſo findet die Regel des Art. 5
Abſ. 2 auf ihn Anwendung.
1) Uebereinſtimmend G. Meyer Lehrb. §. 209.
2) v. Martitz wendet ſich in der erwähnten Abhandlung gegen die
Unterſcheidung von Geſetzen im formellen und im materiellen Sinne und ſchreibt
dem Etatsgeſetz in allen ſeinen Poſitionen materielle Geſetzeskraft zu; eine
kritiſche Prüfung ſeiner, meines Erachtens durchaus unhaltbaren und in ſich
ſelbſt widerſpruchsvollen Behauptungen erfordert ein ausführlicheres Eingehen
auf ſeine Erörterungen, als an dieſer Stelle möglich iſt und muß für eine
andere Gelegenheit vorbehalten werden. Er ſchießt jetzt ebenſo ſehr über das
Ziel hinaus wie er es in entgegengeſetzter Richtung in ſeinen „Betrachtungen“
1868 gethan hat, wo er S. 99 den Art. 69 der Verf. „eine geradezu abſurde
Beſtimmung“ nennt und wo er es S. 101 für eine juriſtiſche „Monſtroſität“
erklärt, den Etat „Geſetz“ zu nennen.
3) Vgl. Bd. I. S. 280. Bd. II. S. 36.
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