Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlastung der Verwaltung. so mußte es angemessen erscheinen, die in Preußen bestehendenVorschriften und Einrichtungen auf die Bundesverwaltung einfach auszudehnen. Man hätte zwar eine besondere Rechnungs- behörde für die Finanzcontrole der Bundesverwaltung neben der Preußischen Oberrechnungskammer ohne Schwierigkeiten errichten können; dagegen hätte es große Unzuträglichkeiten im Gefolge haben müssen, wenn die Grundsätze über die Rechnungslegung und Rech- nungsprüfung, über die Funktionen der Rechnungsbehörde, über das Verhältniß derselben zu den Verwaltungsbehörden einerseits und zur Volksvertretung andererseits für die Bundesverwaltung anders normirt worden wären wie für die Preußische Staatsver- waltung. In Preußen war aber das durch Art. 104 der Ver- fassungs-Urkunde verheißene Gesetz über die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer noch nicht erlassen worden, der Rechtszustand in dieser Beziehung also nicht definitiv geregelt; demgemäß mußte man auch im Norddeutschen Bunde zunächst von einer verfassungsmäßigen und definitiven Ordnung der Finanz- controle Abstand nehmen. Man begnügte sich daher, durch das Ges. v. 4. Juli 1868 (B.G.Bl. S. 433) die Kontrole der Staats- rechnungen des Nordd. Bundes für die Jahre 1867--1869 der Preußischen Oberrechnungskammer zu übertragen und das preußische Recht über die Revision der Rechnungen in complexu auf die Bundesverwaltung für anwendbar zu erklären. Diese Bestimmungen sind dann von Jahr zu Jahr auf die Verwaltungsrechnungen durch besondere Bundesgesetze erstreckt worden 1). Mit der weiteren Ausbildung der Bundesverwaltung und der 1) Vgl. die näheren Angaben Bd. I. S. 355 fg. 2) Preuß. Ges.Samml. 1872 S. 278 ff. Vgl. hierzu den Bericht der
Kommission des Abgeordnetenhauses in den Drucksachen desselben von 1871/72 Nr. 148. §. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung. ſo mußte es angemeſſen erſcheinen, die in Preußen beſtehendenVorſchriften und Einrichtungen auf die Bundesverwaltung einfach auszudehnen. Man hätte zwar eine beſondere Rechnungs- behörde für die Finanzcontrole der Bundesverwaltung neben der Preußiſchen Oberrechnungskammer ohne Schwierigkeiten errichten können; dagegen hätte es große Unzuträglichkeiten im Gefolge haben müſſen, wenn die Grundſätze über die Rechnungslegung und Rech- nungsprüfung, über die Funktionen der Rechnungsbehörde, über das Verhältniß derſelben zu den Verwaltungsbehörden einerſeits und zur Volksvertretung andererſeits für die Bundesverwaltung anders normirt worden wären wie für die Preußiſche Staatsver- waltung. In Preußen war aber das durch Art. 104 der Ver- faſſungs-Urkunde verheißene Geſetz über die Einrichtung und die Befugniſſe der Oberrechnungskammer noch nicht erlaſſen worden, der Rechtszuſtand in dieſer Beziehung alſo nicht definitiv geregelt; demgemäß mußte man auch im Norddeutſchen Bunde zunächſt von einer verfaſſungsmäßigen und definitiven Ordnung der Finanz- controle Abſtand nehmen. Man begnügte ſich daher, durch das Geſ. v. 4. Juli 1868 (B.G.Bl. S. 433) die Kontrole der Staats- rechnungen des Nordd. Bundes für die Jahre 1867—1869 der Preußiſchen Oberrechnungskammer zu übertragen und das preußiſche Recht über die Reviſion der Rechnungen in complexu auf die Bundesverwaltung für anwendbar zu erklären. Dieſe Beſtimmungen ſind dann von Jahr zu Jahr auf die Verwaltungsrechnungen durch beſondere Bundesgeſetze erſtreckt worden 1). Mit der weiteren Ausbildung der Bundesverwaltung und der 1) Vgl. die näheren Angaben Bd. I. S. 355 fg. 2) Preuß. Geſ.Samml. 1872 S. 278 ff. Vgl. hierzu den Bericht der
Kommiſſion des Abgeordnetenhauſes in den Druckſachen deſſelben von 1871/72 Nr. 148. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0388" n="378"/><fw place="top" type="header">§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.</fw><lb/> ſo mußte es angemeſſen erſcheinen, die in Preußen beſtehenden<lb/> Vorſchriften und Einrichtungen auf die Bundesverwaltung einfach<lb/> auszudehnen. Man hätte zwar eine <hi rendition="#g">beſondere Rechnungs-<lb/> behörde</hi> für die Finanzcontrole der Bundesverwaltung neben<lb/> der Preußiſchen Oberrechnungskammer ohne Schwierigkeiten errichten<lb/> können; dagegen hätte es große Unzuträglichkeiten im Gefolge haben<lb/> müſſen, wenn die Grundſätze über die Rechnungslegung und Rech-<lb/> nungsprüfung, über die Funktionen der Rechnungsbehörde, über<lb/> das Verhältniß derſelben zu den Verwaltungsbehörden einerſeits<lb/> und zur Volksvertretung andererſeits für die Bundesverwaltung<lb/> anders normirt worden wären wie für die Preußiſche Staatsver-<lb/> waltung. In Preußen war aber das durch Art. 104 der Ver-<lb/><choice><sic>faſſnngs</sic><corr>faſſungs</corr></choice>-Urkunde verheißene Geſetz über die Einrichtung und die<lb/> Befugniſſe der Oberrechnungskammer noch nicht erlaſſen worden,<lb/> der Rechtszuſtand in dieſer Beziehung alſo nicht definitiv geregelt;<lb/> demgemäß mußte man auch im Norddeutſchen Bunde zunächſt von<lb/> einer verfaſſungsmäßigen und definitiven Ordnung der Finanz-<lb/> controle Abſtand nehmen. Man begnügte ſich daher, durch das<lb/> Geſ. v. 4. Juli 1868 (B.G.Bl. S. 433) die Kontrole der Staats-<lb/> rechnungen des Nordd. Bundes für die Jahre 1867—1869 der<lb/> Preußiſchen Oberrechnungskammer zu übertragen und das preußiſche<lb/> Recht über die Reviſion der Rechnungen <hi rendition="#aq">in complexu</hi> auf die<lb/> Bundesverwaltung für anwendbar zu erklären. Dieſe Beſtimmungen<lb/> ſind dann von Jahr zu Jahr auf die Verwaltungsrechnungen durch<lb/> beſondere Bundesgeſetze erſtreckt worden <note place="foot" n="1)">Vgl. die näheren Angaben Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 355 fg.</note>.</p><lb/> <p>Mit der weiteren Ausbildung der Bundesverwaltung und der<lb/> räumlichen und ſachlichen Erweiterung, welche dieſelbe in Folge der<lb/> Reichsgründung erfahren hat, machte ſich das Bedürfniß nach einer<lb/> ſelbſtſtändigen reichsgeſetzlichen Regelung der Reichskontrole in ver-<lb/> ſtärktem Maße geltend. Auch iſt in Preußen das durch Art. 104 der<lb/> Verf.-Urk. in Ausſicht geſtellte Geſetz am 27. März 1872 erlaſſen<lb/> worden <note place="foot" n="2)">Preuß. Geſ.Samml. 1872 S. 278 ff. Vgl. hierzu den Bericht der<lb/> Kommiſſion des Abgeordnetenhauſes in den Druckſachen deſſelben von 1871/72<lb/> Nr. 148.</note> und dadurch die Grundlage für ein entſprechendes Reichs-<lb/> geſetz hergeſtellt worden. Der Reichskanzler legte daher dem Reichs-<lb/> tage bereits im Jahre 1872 einen den Anordnungen des Preuß.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [378/0388]
§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.
ſo mußte es angemeſſen erſcheinen, die in Preußen beſtehenden
Vorſchriften und Einrichtungen auf die Bundesverwaltung einfach
auszudehnen. Man hätte zwar eine beſondere Rechnungs-
behörde für die Finanzcontrole der Bundesverwaltung neben
der Preußiſchen Oberrechnungskammer ohne Schwierigkeiten errichten
können; dagegen hätte es große Unzuträglichkeiten im Gefolge haben
müſſen, wenn die Grundſätze über die Rechnungslegung und Rech-
nungsprüfung, über die Funktionen der Rechnungsbehörde, über
das Verhältniß derſelben zu den Verwaltungsbehörden einerſeits
und zur Volksvertretung andererſeits für die Bundesverwaltung
anders normirt worden wären wie für die Preußiſche Staatsver-
waltung. In Preußen war aber das durch Art. 104 der Ver-
faſſungs-Urkunde verheißene Geſetz über die Einrichtung und die
Befugniſſe der Oberrechnungskammer noch nicht erlaſſen worden,
der Rechtszuſtand in dieſer Beziehung alſo nicht definitiv geregelt;
demgemäß mußte man auch im Norddeutſchen Bunde zunächſt von
einer verfaſſungsmäßigen und definitiven Ordnung der Finanz-
controle Abſtand nehmen. Man begnügte ſich daher, durch das
Geſ. v. 4. Juli 1868 (B.G.Bl. S. 433) die Kontrole der Staats-
rechnungen des Nordd. Bundes für die Jahre 1867—1869 der
Preußiſchen Oberrechnungskammer zu übertragen und das preußiſche
Recht über die Reviſion der Rechnungen in complexu auf die
Bundesverwaltung für anwendbar zu erklären. Dieſe Beſtimmungen
ſind dann von Jahr zu Jahr auf die Verwaltungsrechnungen durch
beſondere Bundesgeſetze erſtreckt worden 1).
Mit der weiteren Ausbildung der Bundesverwaltung und der
räumlichen und ſachlichen Erweiterung, welche dieſelbe in Folge der
Reichsgründung erfahren hat, machte ſich das Bedürfniß nach einer
ſelbſtſtändigen reichsgeſetzlichen Regelung der Reichskontrole in ver-
ſtärktem Maße geltend. Auch iſt in Preußen das durch Art. 104 der
Verf.-Urk. in Ausſicht geſtellte Geſetz am 27. März 1872 erlaſſen
worden 2) und dadurch die Grundlage für ein entſprechendes Reichs-
geſetz hergeſtellt worden. Der Reichskanzler legte daher dem Reichs-
tage bereits im Jahre 1872 einen den Anordnungen des Preuß.
1) Vgl. die näheren Angaben Bd. I. S. 355 fg.
2) Preuß. Geſ.Samml. 1872 S. 278 ff. Vgl. hierzu den Bericht der
Kommiſſion des Abgeordnetenhauſes in den Druckſachen deſſelben von 1871/72
Nr. 148.
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