Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.
§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlastung der Verwaltung. Gesetzes sich eng anschließenden Gesetzentwurf, betreffend die Ein-richtung und die Befugnisse des Rechnungshofes, vor; allein eine Uebereinstimmung zwischen dem Bundesrath und dem Reichstage war über denselben nicht zu erreichen 1) und ebensowenig glückte es in den folgenden Sitzungsperioden, in welchen der Gesetzentwurf wiederholt eingebracht wurde, zu diesem Ziele zu gelangen 2). In Folge dessen mußte man sich damit begnügen, das im Jahre 1868 eingeschlagene Verfahren beizubehalten, d. h. von Jahr zu Jahr durch besondere Gesetze die Rechnungskontrole des Reichshaushalts der Preuß. Oberrechnungskammer unter der Benennung "Rechnungs- hof des Deutschen Reiches" zu übertragen. Nur sind seit dem Jahre 1875 3) an die Stelle der im Gesetz vom 4. Juli 1868 auf- geführten Vorschriften die nunmehr in Preußen geltenden Bestim- mungen, insbesondere diejenigen des erwähnten Gesetzes vom 27. März 1872, getreten 4). 1) Ueber die Differenzpunkte, an denen das Zustandekommen des Gesetzes scheiterte, vergleiche Hirth's Annalen 1874 S. 214 ff. und besonders Zeitschr. f. die ges. Staatswissensch. Bd. 33 (1877) S. 23 ff. 2) Siehe oben S. 353 Note *. Im Folgenden wird der Reichs-Gesetz- entwurf so, wie er im Jahre 1877 dem Reichstage mit Motiven vorgelegt worden ist (Drucksachen 1877 Nr. 16), citirt. 3) R.G. v. 11. Febr. 1875 (R.G.Bl. S. 61) betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Els.Lothr. für das Jahr 1874. 4) Das Preuß. Ges. v. 27. März 1872 enthält keine vollständige Regelung
der Finanzkontrole und hat die früheren Gesetze und Verordnungen nur inso- weit außer Kraft gesetzt, als sie seinen Bestimmungen zuwiderlaufen. Das Gesetz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Einrichtung, den Geschäfts- gang, die amtlichen Obliegenheiten und Befugnisse der Oberrechnungskammer zu bestimmen, über die materiellen Grundsätze der Finanzverwaltung (auch "materielles Etatsrecht" genannt), welche zugleich materielle Grundsätze für die Finanzkontrole sind, enthält das Gesetz nur wenige, durch die Einführung der constitutionellen Staatsform erforderlich gewordene Vorschriften. Diese Regeln sind vielmehr enthalten in der, in der Preuß. Ges.Samml. nicht ver- kündeten, "Instruktion für die Ober-Rechnungs-Kammer vom 18. Dez. 1824", welche im Wesentlichen noch gegenwärtig in Geltung steht. Eine Bearbeitung derselben mit Angabe der zu ihrer Ergänzung, Erläuterung u. s. w. ergangenen Vorschriften findet sich bei Meißner a. a. O. Bd. I. S. 77 ff. Mit dieser Instruktion, die ihrem Inhalte nach sich zum großen Theil als ein Gesetz im materiellen Sinne des Wortes charakterisirt, ist nicht zu verwechseln die, lediglich den inneren Geschäftsgang betreffende Instruction des Reichskanzlers f. den Rechnungshof des D. R. v. 5. März 1875. (Bd. I. S. 356.) §. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung. Geſetzes ſich eng anſchließenden Geſetzentwurf, betreffend die Ein-richtung und die Befugniſſe des Rechnungshofes, vor; allein eine Uebereinſtimmung zwiſchen dem Bundesrath und dem Reichstage war über denſelben nicht zu erreichen 1) und ebenſowenig glückte es in den folgenden Sitzungsperioden, in welchen der Geſetzentwurf wiederholt eingebracht wurde, zu dieſem Ziele zu gelangen 2). In Folge deſſen mußte man ſich damit begnügen, das im Jahre 1868 eingeſchlagene Verfahren beizubehalten, d. h. von Jahr zu Jahr durch beſondere Geſetze die Rechnungskontrole des Reichshaushalts der Preuß. Oberrechnungskammer unter der Benennung „Rechnungs- hof des Deutſchen Reiches“ zu übertragen. Nur ſind ſeit dem Jahre 1875 3) an die Stelle der im Geſetz vom 4. Juli 1868 auf- geführten Vorſchriften die nunmehr in Preußen geltenden Beſtim- mungen, insbeſondere diejenigen des erwähnten Geſetzes vom 27. März 1872, getreten 4). 1) Ueber die Differenzpunkte, an denen das Zuſtandekommen des Geſetzes ſcheiterte, vergleiche Hirth’s Annalen 1874 S. 214 ff. und beſonders Zeitſchr. f. die geſ. Staatswiſſenſch. Bd. 33 (1877) S. 23 ff. 2) Siehe oben S. 353 Note *. Im Folgenden wird der Reichs-Geſetz- entwurf ſo, wie er im Jahre 1877 dem Reichstage mit Motiven vorgelegt worden iſt (Druckſachen 1877 Nr. 16), citirt. 3) R.G. v. 11. Febr. 1875 (R.G.Bl. S. 61) betreffend die Kontrole des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elſ.Lothr. für das Jahr 1874. 4) Das Preuß. Geſ. v. 27. März 1872 enthält keine vollſtändige Regelung
der Finanzkontrole und hat die früheren Geſetze und Verordnungen nur inſo- weit außer Kraft geſetzt, als ſie ſeinen Beſtimmungen zuwiderlaufen. Das Geſetz beſchränkt ſich im Weſentlichen darauf, die Einrichtung, den Geſchäfts- gang, die amtlichen Obliegenheiten und Befugniſſe der Oberrechnungskammer zu beſtimmen, über die materiellen Grundſätze der Finanzverwaltung (auch „materielles Etatsrecht“ genannt), welche zugleich materielle Grundſätze für die Finanzkontrole ſind, enthält das Geſetz nur wenige, durch die Einführung der conſtitutionellen Staatsform erforderlich gewordene Vorſchriften. Dieſe Regeln ſind vielmehr enthalten in der, in der Preuß. Geſ.Samml. nicht ver- kündeten, „Inſtruktion für die Ober-Rechnungs-Kammer vom 18. Dez. 1824“, welche im Weſentlichen noch gegenwärtig in Geltung ſteht. Eine Bearbeitung derſelben mit Angabe der zu ihrer Ergänzung, Erläuterung u. ſ. w. ergangenen Vorſchriften findet ſich bei Meißner a. a. O. Bd. I. S. 77 ff. Mit dieſer Inſtruktion, die ihrem Inhalte nach ſich zum großen Theil als ein Geſetz im materiellen Sinne des Wortes charakteriſirt, iſt nicht zu verwechſeln die, lediglich den inneren Geſchäftsgang betreffende Inſtruction des Reichskanzlers f. den Rechnungshof des D. R. v. 5. März 1875. (Bd. I. S. 356.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0389" n="379"/><fw place="top" type="header">§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.</fw><lb/> Geſetzes ſich eng anſchließenden Geſetzentwurf, betreffend die Ein-<lb/> richtung und die Befugniſſe des Rechnungshofes, vor; allein eine<lb/> Uebereinſtimmung zwiſchen dem Bundesrath und dem Reichstage<lb/> war über denſelben nicht zu erreichen <note place="foot" n="1)">Ueber die Differenzpunkte, an denen das Zuſtandekommen des Geſetzes<lb/> ſcheiterte, vergleiche Hirth’s Annalen 1874 S. 214 ff. und beſonders Zeitſchr.<lb/> f. die geſ. Staatswiſſenſch. Bd. 33 (1877) S. 23 ff.</note> und ebenſowenig glückte<lb/> es in den folgenden Sitzungsperioden, in welchen der Geſetzentwurf<lb/> wiederholt eingebracht wurde, zu dieſem Ziele zu gelangen <note place="foot" n="2)">Siehe oben S. 353 Note *. Im Folgenden wird der Reichs-Geſetz-<lb/> entwurf ſo, wie er im Jahre 1877 dem Reichstage mit Motiven vorgelegt<lb/> worden iſt (Druckſachen 1877 Nr. 16), citirt.</note>. In<lb/> Folge deſſen mußte man ſich damit begnügen, das im Jahre 1868<lb/> eingeſchlagene Verfahren beizubehalten, d. h. von Jahr zu Jahr<lb/> durch beſondere Geſetze die Rechnungskontrole des Reichshaushalts<lb/> der Preuß. Oberrechnungskammer unter der Benennung „Rechnungs-<lb/> hof des Deutſchen Reiches“ zu übertragen. Nur ſind ſeit dem<lb/> Jahre 1875 <note place="foot" n="3)">R.G. v. 11. Febr. 1875 (R.G.Bl. S. 61) betreffend die Kontrole des<lb/> Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elſ.Lothr. für das Jahr 1874.</note> an die Stelle der im Geſetz vom 4. Juli 1868 auf-<lb/> geführten Vorſchriften die nunmehr in Preußen geltenden Beſtim-<lb/> mungen, insbeſondere diejenigen des erwähnten Geſetzes vom 27.<lb/> März 1872, getreten <note place="foot" n="4)">Das Preuß. Geſ. v. 27. März 1872 enthält keine vollſtändige Regelung<lb/> der Finanzkontrole und hat die früheren Geſetze und Verordnungen nur inſo-<lb/> weit außer Kraft geſetzt, als ſie ſeinen Beſtimmungen zuwiderlaufen. Das<lb/> Geſetz beſchränkt ſich im Weſentlichen darauf, die Einrichtung, den Geſchäfts-<lb/> gang, die amtlichen Obliegenheiten und Befugniſſe der Oberrechnungskammer<lb/> zu beſtimmen, über die <hi rendition="#g">materiellen</hi> Grundſätze der Finanzverwaltung (auch<lb/> „materielles Etatsrecht“ genannt), welche zugleich materielle Grundſätze für<lb/> die Finanzkontrole ſind, enthält das Geſetz nur wenige, durch die Einführung<lb/> der conſtitutionellen Staatsform erforderlich gewordene Vorſchriften. Dieſe<lb/> Regeln ſind vielmehr enthalten in der, in der Preuß. Geſ.Samml. nicht ver-<lb/> kündeten, „<hi rendition="#g">Inſtruktion für die Ober-Rechnungs-Kammer vom</hi><lb/> 18. <hi rendition="#g">Dez</hi>. 1824“, welche im Weſentlichen noch gegenwärtig in Geltung ſteht.<lb/> Eine Bearbeitung derſelben mit Angabe der zu ihrer Ergänzung, Erläuterung<lb/> u. ſ. w. ergangenen Vorſchriften findet ſich bei <hi rendition="#g">Meißner</hi> a. a. O. Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> S. 77 ff. Mit dieſer Inſtruktion, die ihrem Inhalte nach ſich zum großen<lb/> Theil als ein <hi rendition="#g">Geſetz im materiellen Sinne</hi> des Wortes charakteriſirt,<lb/> iſt nicht zu verwechſeln die, lediglich den inneren Geſchäftsgang betreffende<lb/> Inſtruction des Reichskanzlers f. den Rechnungshof des D. R. v. 5. März 1875.<lb/> (Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 356.)</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [379/0389]
§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.
Geſetzes ſich eng anſchließenden Geſetzentwurf, betreffend die Ein-
richtung und die Befugniſſe des Rechnungshofes, vor; allein eine
Uebereinſtimmung zwiſchen dem Bundesrath und dem Reichstage
war über denſelben nicht zu erreichen 1) und ebenſowenig glückte
es in den folgenden Sitzungsperioden, in welchen der Geſetzentwurf
wiederholt eingebracht wurde, zu dieſem Ziele zu gelangen 2). In
Folge deſſen mußte man ſich damit begnügen, das im Jahre 1868
eingeſchlagene Verfahren beizubehalten, d. h. von Jahr zu Jahr
durch beſondere Geſetze die Rechnungskontrole des Reichshaushalts
der Preuß. Oberrechnungskammer unter der Benennung „Rechnungs-
hof des Deutſchen Reiches“ zu übertragen. Nur ſind ſeit dem
Jahre 1875 3) an die Stelle der im Geſetz vom 4. Juli 1868 auf-
geführten Vorſchriften die nunmehr in Preußen geltenden Beſtim-
mungen, insbeſondere diejenigen des erwähnten Geſetzes vom 27.
März 1872, getreten 4).
1) Ueber die Differenzpunkte, an denen das Zuſtandekommen des Geſetzes
ſcheiterte, vergleiche Hirth’s Annalen 1874 S. 214 ff. und beſonders Zeitſchr.
f. die geſ. Staatswiſſenſch. Bd. 33 (1877) S. 23 ff.
2) Siehe oben S. 353 Note *. Im Folgenden wird der Reichs-Geſetz-
entwurf ſo, wie er im Jahre 1877 dem Reichstage mit Motiven vorgelegt
worden iſt (Druckſachen 1877 Nr. 16), citirt.
3) R.G. v. 11. Febr. 1875 (R.G.Bl. S. 61) betreffend die Kontrole des
Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elſ.Lothr. für das Jahr 1874.
4) Das Preuß. Geſ. v. 27. März 1872 enthält keine vollſtändige Regelung
der Finanzkontrole und hat die früheren Geſetze und Verordnungen nur inſo-
weit außer Kraft geſetzt, als ſie ſeinen Beſtimmungen zuwiderlaufen. Das
Geſetz beſchränkt ſich im Weſentlichen darauf, die Einrichtung, den Geſchäfts-
gang, die amtlichen Obliegenheiten und Befugniſſe der Oberrechnungskammer
zu beſtimmen, über die materiellen Grundſätze der Finanzverwaltung (auch
„materielles Etatsrecht“ genannt), welche zugleich materielle Grundſätze für
die Finanzkontrole ſind, enthält das Geſetz nur wenige, durch die Einführung
der conſtitutionellen Staatsform erforderlich gewordene Vorſchriften. Dieſe
Regeln ſind vielmehr enthalten in der, in der Preuß. Geſ.Samml. nicht ver-
kündeten, „Inſtruktion für die Ober-Rechnungs-Kammer vom
18. Dez. 1824“, welche im Weſentlichen noch gegenwärtig in Geltung ſteht.
Eine Bearbeitung derſelben mit Angabe der zu ihrer Ergänzung, Erläuterung
u. ſ. w. ergangenen Vorſchriften findet ſich bei Meißner a. a. O. Bd. I.
S. 77 ff. Mit dieſer Inſtruktion, die ihrem Inhalte nach ſich zum großen
Theil als ein Geſetz im materiellen Sinne des Wortes charakteriſirt,
iſt nicht zu verwechſeln die, lediglich den inneren Geſchäftsgang betreffende
Inſtruction des Reichskanzlers f. den Rechnungshof des D. R. v. 5. März 1875.
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| Zitationshilfe: | Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/389>, abgerufen am 21.11.2024. |
