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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 97. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit.
Lehre vom Gerichtsstande einzugehen, die stets als ein Theil der
Prozeßrechtswissenschaft angesehen und behandelt worden ist.

Vom staatsrechtlichen Gesichtspunkte aus ist dagegen die Frage,
welche Personen der staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen sind,
identisch mit der Frage, welche Personen der Staatsgewalt
unterworfen sind; denn die Gerichtsbarkeit als Ganzes ist ja nichts
Anderes als eine bestimmte Aeußerung der Staatsgewalt. Nur
ist die Möglichkeit gegeben, daß der Staat auf die Ausübung
dieses Hoheitsrechts gewissen Personen gegenüber ganz oder zum
Theil verzichtet, gegen die er andere Herrschaftsrechte zur Geltung
bringt, daß er sie von seiner Gerichtsbarkeit eximirt.

Den Einzelstaaten ist diese Befugniß hinsicht-
lich der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit
entzogen
; sie dürfen keine Exemtionen ertheilen 1). Der Kreis
der Personen, welche der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit
unterworfen sind, ist durch das Reich festgestellt. Dasselbe hat
lediglich folgende Befreiungen anerkannt, welche theils auf völker-
rechtlichen, theils auf staatsrechtlichen Gründen beruhen.

1. Befreiungen aus Gründen des Völker-
rechts
.

a) Exterritorialität und in Folge derselben vollständige Exem-
tion von der ganzen inländischen Gerichtsbarkeit genießen die Chefs
und Mitglieder der bei dem deutschen Reiche beglaubigten Mis-
sionen 2). Dasselbe gilt von ihren Familienmitgliedern, ihrem Ge-
schäftspersonal und von solchen Bediensteten derselben, welche nicht
Deutsche sind 3). Die Exterritorialität erstreckt sich jedoch nicht auf
den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten 4).

Die im deutschen Reiche angestellten Konsuln sind von der

1) Hiervon macht nur der in §. 18 Abs. 1 des G.V.G. erwähnte Fall
eine Ausnahme. Siehe die folgende Anmerkung.
2) Gerichtsverf.Ges. §. 18 Abs. 1. Ausgenommen ist nur der selten vor-
kommende Fall, daß solche Personen reichsangehörig sind; alsdann sind
sie von der inländischen Gerichtsbarkeit nur dann befreit, wenn der Staat,
dem sie angehören, sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben hat.
3) Gerichtsverf.Ges. §. 19. Die Exterritorialität des Geschäftspersonals
ist eine unbedingte, die des Dienstpersonals ist auf Nichtdeutsche beschränkt.
4) Gerichtsverf.Ges. §. 20. Civilproz.O. §. 25.

§. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit.
Lehre vom Gerichtsſtande einzugehen, die ſtets als ein Theil der
Prozeßrechtswiſſenſchaft angeſehen und behandelt worden iſt.

Vom ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkte aus iſt dagegen die Frage,
welche Perſonen der ſtaatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen ſind,
identiſch mit der Frage, welche Perſonen der Staatsgewalt
unterworfen ſind; denn die Gerichtsbarkeit als Ganzes iſt ja nichts
Anderes als eine beſtimmte Aeußerung der Staatsgewalt. Nur
iſt die Möglichkeit gegeben, daß der Staat auf die Ausübung
dieſes Hoheitsrechts gewiſſen Perſonen gegenüber ganz oder zum
Theil verzichtet, gegen die er andere Herrſchaftsrechte zur Geltung
bringt, daß er ſie von ſeiner Gerichtsbarkeit eximirt.

Den Einzelſtaaten iſt dieſe Befugniß hinſicht-
lich der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit
entzogen
; ſie dürfen keine Exemtionen ertheilen 1). Der Kreis
der Perſonen, welche der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit
unterworfen ſind, iſt durch das Reich feſtgeſtellt. Daſſelbe hat
lediglich folgende Befreiungen anerkannt, welche theils auf völker-
rechtlichen, theils auf ſtaatsrechtlichen Gründen beruhen.

1. Befreiungen aus Gründen des Völker-
rechts
.

a) Exterritorialität und in Folge derſelben vollſtändige Exem-
tion von der ganzen inländiſchen Gerichtsbarkeit genießen die Chefs
und Mitglieder der bei dem deutſchen Reiche beglaubigten Miſ-
ſionen 2). Daſſelbe gilt von ihren Familienmitgliedern, ihrem Ge-
ſchäftsperſonal und von ſolchen Bedienſteten derſelben, welche nicht
Deutſche ſind 3). Die Exterritorialität erſtreckt ſich jedoch nicht auf
den ausſchließlichen dinglichen Gerichtsſtand in bürgerlichen
Rechtsſtreitigkeiten 4).

Die im deutſchen Reiche angeſtellten Konſuln ſind von der

1) Hiervon macht nur der in §. 18 Abſ. 1 des G.V.G. erwähnte Fall
eine Ausnahme. Siehe die folgende Anmerkung.
2) Gerichtsverf.Geſ. §. 18 Abſ. 1. Ausgenommen iſt nur der ſelten vor-
kommende Fall, daß ſolche Perſonen reichsangehörig ſind; alsdann ſind
ſie von der inländiſchen Gerichtsbarkeit nur dann befreit, wenn der Staat,
dem ſie angehören, ſich der Gerichtsbarkeit über ſie begeben hat.
3) Gerichtsverf.Geſ. §. 19. Die Exterritorialität des Geſchäftsperſonals
iſt eine unbedingte, die des Dienſtperſonals iſt auf Nichtdeutſche beſchränkt.
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[39/0049] §. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit. Lehre vom Gerichtsſtande einzugehen, die ſtets als ein Theil der Prozeßrechtswiſſenſchaft angeſehen und behandelt worden iſt. Vom ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkte aus iſt dagegen die Frage, welche Perſonen der ſtaatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen ſind, identiſch mit der Frage, welche Perſonen der Staatsgewalt unterworfen ſind; denn die Gerichtsbarkeit als Ganzes iſt ja nichts Anderes als eine beſtimmte Aeußerung der Staatsgewalt. Nur iſt die Möglichkeit gegeben, daß der Staat auf die Ausübung dieſes Hoheitsrechts gewiſſen Perſonen gegenüber ganz oder zum Theil verzichtet, gegen die er andere Herrſchaftsrechte zur Geltung bringt, daß er ſie von ſeiner Gerichtsbarkeit eximirt. Den Einzelſtaaten iſt dieſe Befugniß hinſicht- lich der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit entzogen; ſie dürfen keine Exemtionen ertheilen 1). Der Kreis der Perſonen, welche der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit unterworfen ſind, iſt durch das Reich feſtgeſtellt. Daſſelbe hat lediglich folgende Befreiungen anerkannt, welche theils auf völker- rechtlichen, theils auf ſtaatsrechtlichen Gründen beruhen. 1. Befreiungen aus Gründen des Völker- rechts. a) Exterritorialität und in Folge derſelben vollſtändige Exem- tion von der ganzen inländiſchen Gerichtsbarkeit genießen die Chefs und Mitglieder der bei dem deutſchen Reiche beglaubigten Miſ- ſionen 2). Daſſelbe gilt von ihren Familienmitgliedern, ihrem Ge- ſchäftsperſonal und von ſolchen Bedienſteten derſelben, welche nicht Deutſche ſind 3). Die Exterritorialität erſtreckt ſich jedoch nicht auf den ausſchließlichen dinglichen Gerichtsſtand in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten 4). Die im deutſchen Reiche angeſtellten Konſuln ſind von der 1) Hiervon macht nur der in §. 18 Abſ. 1 des G.V.G. erwähnte Fall eine Ausnahme. Siehe die folgende Anmerkung. 2) Gerichtsverf.Geſ. §. 18 Abſ. 1. Ausgenommen iſt nur der ſelten vor- kommende Fall, daß ſolche Perſonen reichsangehörig ſind; alsdann ſind ſie von der inländiſchen Gerichtsbarkeit nur dann befreit, wenn der Staat, dem ſie angehören, ſich der Gerichtsbarkeit über ſie begeben hat. 3) Gerichtsverf.Geſ. §. 19. Die Exterritorialität des Geſchäftsperſonals iſt eine unbedingte, die des Dienſtperſonals iſt auf Nichtdeutſche beſchränkt. 4) Gerichtsverf.Geſ. §. 20. Civilproz.O. §. 25.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/49>, abgerufen am 23.11.2024.