Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Strophen findet; woraus denn doch zum allerwenigsten er-
hellt, daß der geschickte Urheber der Sanct-Galler Recen-
sion einen Unterschied zwischen jenen Liedern bemerkte, von
denen er einige vieler Veränderungen und Zusätze, andere
nur einer geringen Nachhülfe bedürftig glaubte. Wenn
nun gerade dieselben Lieder auch an anderen Kennzeichen,
mit denen Inhalt oder Darstellung behaftet wären, sich
von den übrigen verschieden zeigten, so möchte sich auch
daraus Manches für die weitere Erörterung unserer Frage
ergeben. Es sei erlaubt, hier in Voraus das Resultat
anzuzeigen, daß gerade in den Liedern, welche in der
Sanct-Galler Recension keinen bedeutenden neuen Zu-
wachs erhalten haben, sich am häufigsten die Hand des
früheren Ordners, dessen Arbeit uns das Hohenemser Ma-
nuscript liefert, zu erkennen ist, und daß insbesondere, um
gleich etwas ganz Einzelnes anzuführen, alle Strophen
mit inneren Reimen theils dem Ordner, theils dem Sanct-
Galler Verbesserer, aber nie der ursprünglichen Gestalt un-
serer Lieder angehören.

Aber es wird besser sein, auch hier die einzelnen
Theile des Gedichts durchzusehen und überall auf die in-
neren Merkmahle, wie auf die Punkte, zu denen uns
die Vergleichung jener Handschriften führt, aufmerksam zu
machen.

28.

Zunächst geben sich die ersten Strophen sogleich als eine
besonders für die jetzige Gestalt des Gedichts verfertigte
Einleitung kund, der man darum, weil wir gerade alle
späterhin vorkommende Personen und keine mehr noch

Strophen findet; woraus denn doch zum allerwenigſten er-
hellt, daß der geſchickte Urheber der Sanct-Galler Recen-
ſion einen Unterſchied zwiſchen jenen Liedern bemerkte, von
denen er einige vieler Veränderungen und Zuſätze, andere
nur einer geringen Nachhülfe bedürftig glaubte. Wenn
nun gerade dieſelben Lieder auch an anderen Kennzeichen,
mit denen Inhalt oder Darſtellung behaftet wären, ſich
von den übrigen verſchieden zeigten, ſo möchte ſich auch
daraus Manches für die weitere Erörterung unſerer Frage
ergeben. Es ſei erlaubt, hier in Voraus das Reſultat
anzuzeigen, daß gerade in den Liedern, welche in der
Sanct-Galler Recenſion keinen bedeutenden neuen Zu-
wachs erhalten haben, ſich am häufigſten die Hand des
früheren Ordners, deſſen Arbeit uns das Hohenemſer Ma-
nuſcript liefert, zu erkennen iſt, und daß insbeſondere, um
gleich etwas ganz Einzelnes anzuführen, alle Strophen
mit inneren Reimen theils dem Ordner, theils dem Sanct-
Galler Verbeſſerer, aber nie der urſprünglichen Geſtalt un-
ſerer Lieder angehören.

Aber es wird beſſer ſein, auch hier die einzelnen
Theile des Gedichts durchzuſehen und überall auf die in-
neren Merkmahle, wie auf die Punkte, zu denen uns
die Vergleichung jener Handſchriften führt, aufmerkſam zu
machen.

28.

Zunächſt geben ſich die erſten Strophen ſogleich als eine
beſonders für die jetzige Geſtalt des Gedichts verfertigte
Einleitung kund, der man darum, weil wir gerade alle
ſpäterhin vorkommende Perſonen und keine mehr noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="69"/>
Strophen findet; woraus denn doch zum allerwenig&#x017F;ten er-<lb/>
hellt, daß der ge&#x017F;chickte Urheber der Sanct-Galler Recen-<lb/>
&#x017F;ion einen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen jenen Liedern bemerkte, von<lb/>
denen er einige vieler Veränderungen und Zu&#x017F;ätze, andere<lb/>
nur einer geringen Nachhülfe bedürftig glaubte. Wenn<lb/>
nun gerade die&#x017F;elben Lieder auch an anderen Kennzeichen,<lb/>
mit denen Inhalt oder Dar&#x017F;tellung behaftet wären, &#x017F;ich<lb/>
von den übrigen ver&#x017F;chieden zeigten, &#x017F;o möchte &#x017F;ich auch<lb/>
daraus Manches für die weitere Erörterung un&#x017F;erer Frage<lb/>
ergeben. Es &#x017F;ei erlaubt, hier in Voraus das Re&#x017F;ultat<lb/>
anzuzeigen, daß gerade in den Liedern, welche in der<lb/>
Sanct-Galler Recen&#x017F;ion keinen bedeutenden neuen Zu-<lb/>
wachs erhalten haben, &#x017F;ich am häufig&#x017F;ten die Hand des<lb/>
früheren Ordners, de&#x017F;&#x017F;en Arbeit uns das Hohenem&#x017F;er Ma-<lb/>
nu&#x017F;cript liefert, zu erkennen i&#x017F;t, und daß insbe&#x017F;ondere, um<lb/>
gleich etwas ganz Einzelnes anzuführen, alle Strophen<lb/>
mit inneren Reimen theils dem Ordner, theils dem Sanct-<lb/>
Galler Verbe&#x017F;&#x017F;erer, aber nie der ur&#x017F;prünglichen Ge&#x017F;talt un-<lb/>
&#x017F;erer Lieder angehören.</p><lb/>
        <p>Aber es wird be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ein, auch hier die einzelnen<lb/>
Theile des Gedichts durchzu&#x017F;ehen und überall auf die in-<lb/>
neren Merkmahle, wie auf die Punkte, zu denen uns<lb/>
die Vergleichung jener Hand&#x017F;chriften führt, aufmerk&#x017F;am zu<lb/>
machen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>28.</head><lb/>
        <p>Zunäch&#x017F;t geben &#x017F;ich die er&#x017F;ten Strophen &#x017F;ogleich als eine<lb/>
be&#x017F;onders für die jetzige Ge&#x017F;talt des Gedichts verfertigte<lb/>
Einleitung kund, der man darum, weil wir gerade alle<lb/>
&#x017F;päterhin vorkommende Per&#x017F;onen und keine mehr noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0077] Strophen findet; woraus denn doch zum allerwenigſten er- hellt, daß der geſchickte Urheber der Sanct-Galler Recen- ſion einen Unterſchied zwiſchen jenen Liedern bemerkte, von denen er einige vieler Veränderungen und Zuſätze, andere nur einer geringen Nachhülfe bedürftig glaubte. Wenn nun gerade dieſelben Lieder auch an anderen Kennzeichen, mit denen Inhalt oder Darſtellung behaftet wären, ſich von den übrigen verſchieden zeigten, ſo möchte ſich auch daraus Manches für die weitere Erörterung unſerer Frage ergeben. Es ſei erlaubt, hier in Voraus das Reſultat anzuzeigen, daß gerade in den Liedern, welche in der Sanct-Galler Recenſion keinen bedeutenden neuen Zu- wachs erhalten haben, ſich am häufigſten die Hand des früheren Ordners, deſſen Arbeit uns das Hohenemſer Ma- nuſcript liefert, zu erkennen iſt, und daß insbeſondere, um gleich etwas ganz Einzelnes anzuführen, alle Strophen mit inneren Reimen theils dem Ordner, theils dem Sanct- Galler Verbeſſerer, aber nie der urſprünglichen Geſtalt un- ſerer Lieder angehören. Aber es wird beſſer ſein, auch hier die einzelnen Theile des Gedichts durchzuſehen und überall auf die in- neren Merkmahle, wie auf die Punkte, zu denen uns die Vergleichung jener Handſchriften führt, aufmerkſam zu machen. 28. Zunächſt geben ſich die erſten Strophen ſogleich als eine beſonders für die jetzige Geſtalt des Gedichts verfertigte Einleitung kund, der man darum, weil wir gerade alle ſpäterhin vorkommende Perſonen und keine mehr noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/77
Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/77>, abgerufen am 09.11.2024.