Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich was ein wenic kindelin, do Sivrit vlos den
lip.

Außer den vier Gesellen, die zusammen nach Island fuh-
ren, erwähnt das Lied auch Gernot und Giselher 62).

Übrigens mag sich, bis auf weniges Einzelne 63), die
ursprüngliche Gestalt des ganzen Liedes schon erkennen
lassen, wenn man die vielen Zusätze der Sanct-Galler
Handschrift wegläßt 64). Nur möchte ich einen größeren
Abschnitt (Z. 1921 -- 2060) nebst zweien ihm anhängenden
Strophen (Z. 2333 -- 2336. 2401 -- 2404), in denen
Siegfrieds Fahrt zu den Nibelungen erzählt und diese
selbst erwähnt werden, gern aus dem Liede ausscheiden,
schon weil sie der Manier des Übrigen nicht gleichen und
in der Sanct-Galler Handschrift nicht weiter ausgeführt
worden sind.

Und so scheint es mir auch, daß der Abschnitt, wie
Siegfried Brünhilden für Günthern bezwang, von dem
Vorigen müsse geschieden werden. Das Lied von Brün-
hilden endigt:
Der kunic beite kume, daz man von tische gie;
Du schonen Brunhilde man do komen lie,
Und ouch froun Kriemhilde, bedu an ir gemach;
Hei, waz man sneller degene vor den kuneginnen
sach!

Und nun hebt hier ein neues Lied an, mehr ausgebildet
und nicht in der Manier des vorhergehenden (Z. 2657):
Sivrit der herre vil minneclichen saz
Bi sinem schönen wibe, mit freuden, ane haz etc.

Zuletzt kommt auch hier noch (Z. 2765 -- 2768) eine

Ich was ein wenic kindelin, do Sivrit vlos den
lip.

Außer den vier Geſellen, die zuſammen nach Island fuh-
ren, erwähnt das Lied auch Gernot und Giſelher 62).

Übrigens mag ſich, bis auf weniges Einzelne 63), die
urſprüngliche Geſtalt des ganzen Liedes ſchon erkennen
laſſen, wenn man die vielen Zuſätze der Sanct-Galler
Handſchrift wegläßt 64). Nur möchte ich einen größeren
Abſchnitt (Z. 1921 — 2060) nebſt zweien ihm anhängenden
Strophen (Z. 2333 — 2336. 2401 — 2404), in denen
Siegfrieds Fahrt zu den Nibelungen erzählt und dieſe
ſelbſt erwähnt werden, gern aus dem Liede ausſcheiden,
ſchon weil ſie der Manier des Übrigen nicht gleichen und
in der Sanct-Galler Handſchrift nicht weiter ausgeführt
worden ſind.

Und ſo ſcheint es mir auch, daß der Abſchnitt, wie
Siegfried Brünhilden für Günthern bezwang, von dem
Vorigen müſſe geſchieden werden. Das Lied von Brün-
hilden endigt:
Der ku̓nic beite kume, daz man von tiſche gie;
Du̓ ſchonen Bru̓nhilde man do komen lie,
Und oͧch froͧn Kriemhilde, bedu̓ an ir gemach;
Hei, waz man ſneller degene vor den ku̓neginnen
ſach!

Und nun hebt hier ein neues Lied an, mehr ausgebildet
und nicht in der Manier des vorhergehenden (Z. 2657):
Sivrit der herre vil minneclichen ſaz
Bi ſinem ſchönen wibe, mit freuden, ane haz ꝛc.

Zuletzt kommt auch hier noch (Z. 2765 — 2768) eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0084" n="76"/><quote rendition="#et" xml:lang="gmh">Ich was ein wenic kindelin, do Sivrit vlos den<lb/><hi rendition="#et2">lip.</hi></quote><lb/>
Außer den vier Ge&#x017F;ellen, die zu&#x017F;ammen nach Island fuh-<lb/>
ren, erwähnt das Lied auch Gernot und Gi&#x017F;elher <note xml:id="en62" next="#en62-text" place="end" n="62)"/>.</p><lb/>
        <p>Übrigens mag &#x017F;ich, bis auf weniges Einzelne <note xml:id="en63" next="#en63-text" place="end" n="63)"/>, die<lb/>
ur&#x017F;prüngliche Ge&#x017F;talt des ganzen Liedes &#x017F;chon erkennen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, wenn man die vielen Zu&#x017F;ätze der Sanct-Galler<lb/>
Hand&#x017F;chrift wegläßt <note xml:id="en64" next="#en64-text" place="end" n="64)"/>. Nur möchte ich einen größeren<lb/>
Ab&#x017F;chnitt (Z. 1921 &#x2014; 2060) neb&#x017F;t zweien ihm anhängenden<lb/>
Strophen (Z. 2333 &#x2014; 2336. 2401 &#x2014; 2404), in denen<lb/>
Siegfrieds Fahrt zu den Nibelungen erzählt und die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erwähnt werden, gern aus dem Liede aus&#x017F;cheiden,<lb/>
&#x017F;chon weil &#x017F;ie der Manier des Übrigen nicht gleichen und<lb/>
in der Sanct-Galler Hand&#x017F;chrift nicht weiter ausgeführt<lb/>
worden &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Und &#x017F;o &#x017F;cheint es mir auch, daß der Ab&#x017F;chnitt, wie<lb/>
Siegfried Brünhilden für Günthern bezwang, von dem<lb/>
Vorigen mü&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;chieden werden. Das Lied von Brün-<lb/>
hilden endigt:<lb/><quote rendition="#et" xml:lang="gmh"><hi rendition="#et2">Der ku&#x0313;nic beite kume, daz man von ti&#x017F;che gie;</hi><lb/>
Du&#x0313; &#x017F;chonen Bru&#x0313;nhilde man do komen lie,<lb/>
Und o&#x0367;ch fro&#x0367;n Kriemhilde, bedu&#x0313; an ir gemach;<lb/>
Hei, waz man &#x017F;neller degene vor den ku&#x0313;neginnen<lb/>
&#x017F;ach!</quote><lb/>
Und nun hebt hier ein neues Lied an, mehr ausgebildet<lb/>
und nicht in der Manier des vorhergehenden (Z. 2657):<lb/><quote rendition="#et" xml:lang="gmh"><hi rendition="#et2">Sivrit der herre vil minneclichen &#x017F;az</hi><lb/>
Bi &#x017F;inem &#x017F;chönen wibe, mit freuden, ane haz &#xA75B;c.</quote><lb/>
Zuletzt kommt auch hier noch (Z. 2765 &#x2014; 2768) eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0084] Ich was ein wenic kindelin, do Sivrit vlos den lip. Außer den vier Geſellen, die zuſammen nach Island fuh- ren, erwähnt das Lied auch Gernot und Giſelher ⁶²⁾ . Übrigens mag ſich, bis auf weniges Einzelne ⁶³⁾ , die urſprüngliche Geſtalt des ganzen Liedes ſchon erkennen laſſen, wenn man die vielen Zuſätze der Sanct-Galler Handſchrift wegläßt ⁶⁴⁾ . Nur möchte ich einen größeren Abſchnitt (Z. 1921 — 2060) nebſt zweien ihm anhängenden Strophen (Z. 2333 — 2336. 2401 — 2404), in denen Siegfrieds Fahrt zu den Nibelungen erzählt und dieſe ſelbſt erwähnt werden, gern aus dem Liede ausſcheiden, ſchon weil ſie der Manier des Übrigen nicht gleichen und in der Sanct-Galler Handſchrift nicht weiter ausgeführt worden ſind. Und ſo ſcheint es mir auch, daß der Abſchnitt, wie Siegfried Brünhilden für Günthern bezwang, von dem Vorigen müſſe geſchieden werden. Das Lied von Brün- hilden endigt: Der ku̓nic beite kume, daz man von tiſche gie; Du̓ ſchonen Bru̓nhilde man do komen lie, Und oͧch froͧn Kriemhilde, bedu̓ an ir gemach; Hei, waz man ſneller degene vor den ku̓neginnen ſach! Und nun hebt hier ein neues Lied an, mehr ausgebildet und nicht in der Manier des vorhergehenden (Z. 2657): Sivrit der herre vil minneclichen ſaz Bi ſinem ſchönen wibe, mit freuden, ane haz ꝛc. Zuletzt kommt auch hier noch (Z. 2765 — 2768) eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/84
Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/84>, abgerufen am 22.12.2024.