Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
VI. Hauptstück.
§. 210.

Wir fangen demnach bey dem |Postulato an:
Unter dem Begriffe eines zusammengesetz-
ten
Indiuidui können so viele und so vieler-
ley und auf jede Art mit einander verbun-
dene solide Theile zusammen genommen
werden, als man will.

Man sieht leicht, daß dieses Postulatum durchaus
Statt hat, wenn man in Gedanken und a priori In-
diuidua
bildet oder zusammensetzet. Die wenigen
Einschränkungen, so dabey vorkommen, haben wir
bereits §. 118. seqq. angezeiget. Das Solide und
die Kräfte sind die Anlage zur Existenz, und so auch
zur Jndividualität, weil sich ohne Solides und Kräfte
nichts Existirendes gedenken läßt (§. 103. Axiom. 2.),
und weil ohne die Jndividualität ebenfalls nichts
existiren kann, und alles, was nicht das Solide selbst
ist, sich dennoch darauf bezieht. Fragt man aber,
ob dieses Postulatum ebenfalls so unbedingt sey, wenn
man a posteriori geht, und die Indiuidua nimmt,
wie sie wirklich in der Natur sind, so läßt sich Fol-
gendes darüber anmerken, welches die Einschrän-
kungen angiebt.

1°. Können wir allerdings das Solide nicht ver-
nichten, und anders an seiner Stelle erschaffen.
2°. Um die Theile desselben zu trennen, zu versetzen,
andere an ihre Stelle zu bringen etc. haben wir
keine anderen Kräfte, als die, so in der Natur
da sind, und diese sind der Art, den Graden
und ihren Modificationen nach bestimmet. Wir
wissen sie auch noch weder alle, noch können wir
sie alle gebrauchen.
3°. Können wir zwar, wenigstens in Gedanken,
oder auf eine bloß ideale Art, von dem Soliden
der
VI. Hauptſtuͤck.
§. 210.

Wir fangen demnach bey dem |Poſtulato an:
Unter dem Begriffe eines zuſammengeſetz-
ten
Indiuidui koͤnnen ſo viele und ſo vieler-
ley und auf jede Art mit einander verbun-
dene ſolide Theile zuſammen genommen
werden, als man will.

Man ſieht leicht, daß dieſes Poſtulatum durchaus
Statt hat, wenn man in Gedanken und a priori In-
diuidua
bildet oder zuſammenſetzet. Die wenigen
Einſchraͤnkungen, ſo dabey vorkommen, haben wir
bereits §. 118. ſeqq. angezeiget. Das Solide und
die Kraͤfte ſind die Anlage zur Exiſtenz, und ſo auch
zur Jndividualitaͤt, weil ſich ohne Solides und Kraͤfte
nichts Exiſtirendes gedenken laͤßt (§. 103. Axiom. 2.),
und weil ohne die Jndividualitaͤt ebenfalls nichts
exiſtiren kann, und alles, was nicht das Solide ſelbſt
iſt, ſich dennoch darauf bezieht. Fragt man aber,
ob dieſes Poſtulatum ebenfalls ſo unbedingt ſey, wenn
man a poſteriori geht, und die Indiuidua nimmt,
wie ſie wirklich in der Natur ſind, ſo laͤßt ſich Fol-
gendes daruͤber anmerken, welches die Einſchraͤn-
kungen angiebt.

1°. Koͤnnen wir allerdings das Solide nicht ver-
nichten, und anders an ſeiner Stelle erſchaffen.
2°. Um die Theile deſſelben zu trennen, zu verſetzen,
andere an ihre Stelle zu bringen ꝛc. haben wir
keine anderen Kraͤfte, als die, ſo in der Natur
da ſind, und dieſe ſind der Art, den Graden
und ihren Modificationen nach beſtimmet. Wir
wiſſen ſie auch noch weder alle, noch koͤnnen wir
ſie alle gebrauchen.
3°. Koͤnnen wir zwar, wenigſtens in Gedanken,
oder auf eine bloß ideale Art, von dem Soliden
der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0208" n="172"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 210.</head><lb/>
            <p>Wir fangen demnach bey dem |<hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulato</hi> an:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Unter dem Begriffe eines zu&#x017F;ammenge&#x017F;etz-<lb/>
ten</hi><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Indiuidui</hi></hi><hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnen &#x017F;o viele und &#x017F;o vieler-<lb/>
ley und auf jede Art mit einander verbun-<lb/>
dene &#x017F;olide Theile zu&#x017F;ammen genommen<lb/>
werden, als man will.</hi></hi></p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht leicht, daß die&#x017F;es <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulatum</hi> durchaus<lb/>
Statt hat, wenn man in Gedanken und <hi rendition="#aq">a priori In-<lb/>
diuidua</hi> bildet oder zu&#x017F;ammen&#x017F;etzet. Die wenigen<lb/>
Ein&#x017F;chra&#x0364;nkungen, &#x017F;o dabey vorkommen, haben wir<lb/>
bereits §. 118. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi> angezeiget. Das Solide und<lb/>
die Kra&#x0364;fte &#x017F;ind die Anlage zur Exi&#x017F;tenz, und &#x017F;o auch<lb/>
zur Jndividualita&#x0364;t, weil &#x017F;ich ohne Solides und Kra&#x0364;fte<lb/>
nichts Exi&#x017F;tirendes gedenken la&#x0364;ßt (§. 103. <hi rendition="#aq">Axiom.</hi> 2.),<lb/>
und weil ohne die Jndividualita&#x0364;t ebenfalls nichts<lb/>
exi&#x017F;tiren kann, und alles, was nicht das Solide &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ich dennoch darauf bezieht. Fragt man aber,<lb/>
ob die&#x017F;es <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulatum</hi> ebenfalls &#x017F;o unbedingt &#x017F;ey, wenn<lb/>
man <hi rendition="#aq">a po&#x017F;teriori</hi> geht, und die <hi rendition="#aq">Indiuidua</hi> nimmt,<lb/>
wie &#x017F;ie wirklich in der Natur &#x017F;ind, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich Fol-<lb/>
gendes daru&#x0364;ber anmerken, welches die Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kungen angiebt.</p><lb/>
            <list>
              <item>1°. Ko&#x0364;nnen wir allerdings das Solide nicht ver-<lb/>
nichten, und anders an &#x017F;einer Stelle er&#x017F;chaffen.</item><lb/>
              <item>2°. Um die Theile de&#x017F;&#x017F;elben zu trennen, zu ver&#x017F;etzen,<lb/>
andere an ihre Stelle zu bringen &#xA75B;c. haben wir<lb/>
keine anderen Kra&#x0364;fte, als die, &#x017F;o in der Natur<lb/>
da &#x017F;ind, und die&#x017F;e &#x017F;ind der Art, den Graden<lb/>
und ihren Modificationen nach be&#x017F;timmet. Wir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auch noch weder alle, noch ko&#x0364;nnen wir<lb/>
&#x017F;ie alle gebrauchen.</item><lb/>
              <item>3°. Ko&#x0364;nnen wir zwar, wenig&#x017F;tens in Gedanken,<lb/>
oder auf eine bloß ideale Art, von dem Soliden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0208] VI. Hauptſtuͤck. §. 210. Wir fangen demnach bey dem |Poſtulato an: Unter dem Begriffe eines zuſammengeſetz- ten Indiuidui koͤnnen ſo viele und ſo vieler- ley und auf jede Art mit einander verbun- dene ſolide Theile zuſammen genommen werden, als man will. Man ſieht leicht, daß dieſes Poſtulatum durchaus Statt hat, wenn man in Gedanken und a priori In- diuidua bildet oder zuſammenſetzet. Die wenigen Einſchraͤnkungen, ſo dabey vorkommen, haben wir bereits §. 118. ſeqq. angezeiget. Das Solide und die Kraͤfte ſind die Anlage zur Exiſtenz, und ſo auch zur Jndividualitaͤt, weil ſich ohne Solides und Kraͤfte nichts Exiſtirendes gedenken laͤßt (§. 103. Axiom. 2.), und weil ohne die Jndividualitaͤt ebenfalls nichts exiſtiren kann, und alles, was nicht das Solide ſelbſt iſt, ſich dennoch darauf bezieht. Fragt man aber, ob dieſes Poſtulatum ebenfalls ſo unbedingt ſey, wenn man a poſteriori geht, und die Indiuidua nimmt, wie ſie wirklich in der Natur ſind, ſo laͤßt ſich Fol- gendes daruͤber anmerken, welches die Einſchraͤn- kungen angiebt. 1°. Koͤnnen wir allerdings das Solide nicht ver- nichten, und anders an ſeiner Stelle erſchaffen. 2°. Um die Theile deſſelben zu trennen, zu verſetzen, andere an ihre Stelle zu bringen ꝛc. haben wir keine anderen Kraͤfte, als die, ſo in der Natur da ſind, und dieſe ſind der Art, den Graden und ihren Modificationen nach beſtimmet. Wir wiſſen ſie auch noch weder alle, noch koͤnnen wir ſie alle gebrauchen. 3°. Koͤnnen wir zwar, wenigſtens in Gedanken, oder auf eine bloß ideale Art, von dem Soliden der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/208
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/208>, abgerufen am 21.11.2024.