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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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und das Nicht nothwendig seyn.
braucht, und ist daher vieldeutig, so fern man im
Lateinischen, und besonders in der Metaphysic zwi-
schen diesen Wörtern einen Unterschied macht, und die
Modificationen dem Essentialen, das Accidens der
Substanz, den Casum den aus den Ursachen vorher-
gesehenen Begebenheiten, und das Contingens dem
Nothwendigen entgegensetzet. Ueberhaupt aber ist
in diesen Wörtern eine Verwirrung und Veränder-
lichkeit der Bedeutung, welche macht, daß sie schick-
licher zu Prädicaten als zu Subjecten von Sätzen
gebraucht werden können (§. 267.), und daß man sie
nicht wohl durch Wörter von eben so veränderlicher
Bedeutung definiren kann, weil die Sprache eben
nicht dazu eingerichtet ist. Man weiß, daß diese
Wörter und ihre Definitionen zu dem Spinosismo,
Fatalisino,
zu dem System des blinden Ungefährs etc.
Anlaß gegeben haben. Werden solche Wörter durch
Definitionen an fixe Begriffe gebunden, so fallen da-
durch viele Redensarten aus der Sprache weg, die
in besondern Fällen im geringsten keine Vieldeutigkeit
haben, und die Sprache hat nicht Wörter genug, sie
mit andern zu ersetzen. Man kann auch ohnehin nicht
über den Gebrauch zu reden befehlen. Das Beste,
was man demnach in der Metaphysic, wo man eine
Menge solcher Wörter zu Subjecten machen und de-
finiren will, thun kann, ist, daß man ihre Vieldeu-
tigkeiten aufsuche, und dadurch erhält man, anstatt
solcher Sätze, die nur eine scheinbare Allgemeinheit
haben, mehrere, die zwar nicht so allgemein, aber
desto bestimmter und brauchbarer sind. Man sehe
hierüber das Umständlichere in dem dritten Haupt-
stücke der Alethiologie (§. 137-158.) und in dem letz-
ten Hauptstücke der Semiotic.

§. 280.

und das Nicht nothwendig ſeyn.
braucht, und iſt daher vieldeutig, ſo fern man im
Lateiniſchen, und beſonders in der Metaphyſic zwi-
ſchen dieſen Woͤrtern einen Unterſchied macht, und die
Modificationen dem Eſſentialen, das Accidens der
Subſtanz, den Caſum den aus den Urſachen vorher-
geſehenen Begebenheiten, und das Contingens dem
Nothwendigen entgegenſetzet. Ueberhaupt aber iſt
in dieſen Woͤrtern eine Verwirrung und Veraͤnder-
lichkeit der Bedeutung, welche macht, daß ſie ſchick-
licher zu Praͤdicaten als zu Subjecten von Saͤtzen
gebraucht werden koͤnnen (§. 267.), und daß man ſie
nicht wohl durch Woͤrter von eben ſo veraͤnderlicher
Bedeutung definiren kann, weil die Sprache eben
nicht dazu eingerichtet iſt. Man weiß, daß dieſe
Woͤrter und ihre Definitionen zu dem Spinoſiſmo,
Fataliſino,
zu dem Syſtem des blinden Ungefaͤhrs ꝛc.
Anlaß gegeben haben. Werden ſolche Woͤrter durch
Definitionen an fixe Begriffe gebunden, ſo fallen da-
durch viele Redensarten aus der Sprache weg, die
in beſondern Faͤllen im geringſten keine Vieldeutigkeit
haben, und die Sprache hat nicht Woͤrter genug, ſie
mit andern zu erſetzen. Man kann auch ohnehin nicht
uͤber den Gebrauch zu reden befehlen. Das Beſte,
was man demnach in der Metaphyſic, wo man eine
Menge ſolcher Woͤrter zu Subjecten machen und de-
finiren will, thun kann, iſt, daß man ihre Vieldeu-
tigkeiten aufſuche, und dadurch erhaͤlt man, anſtatt
ſolcher Saͤtze, die nur eine ſcheinbare Allgemeinheit
haben, mehrere, die zwar nicht ſo allgemein, aber
deſto beſtimmter und brauchbarer ſind. Man ſehe
hieruͤber das Umſtaͤndlichere in dem dritten Haupt-
ſtuͤcke der Alethiologie (§. 137-158.) und in dem letz-
ten Hauptſtuͤcke der Semiotic.

§. 280.
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[271/0307] und das Nicht nothwendig ſeyn. braucht, und iſt daher vieldeutig, ſo fern man im Lateiniſchen, und beſonders in der Metaphyſic zwi- ſchen dieſen Woͤrtern einen Unterſchied macht, und die Modificationen dem Eſſentialen, das Accidens der Subſtanz, den Caſum den aus den Urſachen vorher- geſehenen Begebenheiten, und das Contingens dem Nothwendigen entgegenſetzet. Ueberhaupt aber iſt in dieſen Woͤrtern eine Verwirrung und Veraͤnder- lichkeit der Bedeutung, welche macht, daß ſie ſchick- licher zu Praͤdicaten als zu Subjecten von Saͤtzen gebraucht werden koͤnnen (§. 267.), und daß man ſie nicht wohl durch Woͤrter von eben ſo veraͤnderlicher Bedeutung definiren kann, weil die Sprache eben nicht dazu eingerichtet iſt. Man weiß, daß dieſe Woͤrter und ihre Definitionen zu dem Spinoſiſmo, Fataliſino, zu dem Syſtem des blinden Ungefaͤhrs ꝛc. Anlaß gegeben haben. Werden ſolche Woͤrter durch Definitionen an fixe Begriffe gebunden, ſo fallen da- durch viele Redensarten aus der Sprache weg, die in beſondern Faͤllen im geringſten keine Vieldeutigkeit haben, und die Sprache hat nicht Woͤrter genug, ſie mit andern zu erſetzen. Man kann auch ohnehin nicht uͤber den Gebrauch zu reden befehlen. Das Beſte, was man demnach in der Metaphyſic, wo man eine Menge ſolcher Woͤrter zu Subjecten machen und de- finiren will, thun kann, iſt, daß man ihre Vieldeu- tigkeiten aufſuche, und dadurch erhaͤlt man, anſtatt ſolcher Saͤtze, die nur eine ſcheinbare Allgemeinheit haben, mehrere, die zwar nicht ſo allgemein, aber deſto beſtimmter und brauchbarer ſind. Man ſehe hieruͤber das Umſtaͤndlichere in dem dritten Haupt- ſtuͤcke der Alethiologie (§. 137-158.) und in dem letz- ten Hauptſtuͤcke der Semiotic. §. 280.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/307>, abgerufen am 01.10.2024.