Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Einheit.
§. 709.

Der erste Fehler, den man dabey begehen kann,
ist, wenn man die Bestimmungen verwechselt, nach
welchen eine Sache größer oder kleiner seyn kann.
Der Begriff der Existenz mag uns hier zum Bey-
spiele dienen. Man fraget, ob sie Grade habe?
Hiebey ist nun unstreitig, daß man sagen kann, eine
Sache könne länger oder kürzer existiren, und die-
ses ist in Absicht auf die Dauer; sie könne mit grö-
ßern
oder kleinern Kräften zu denken, zu wollen,
zu wirken, existiren, und dieses ist in Absicht auf
die Kraft; sie könne mit mehrern Theilen, Ver-
bindungen
und Verhältnissen existiren, und dieses
geht darauf, ob sie mehrere Theile habe, zusam-
mengesetzter, fester verbunden, in mehrern Verhält-
nissen sey etc. Dieses alles aber will nur sagen, daß
an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit
existirt, aber weder die Sache, noch was aus dersel-
ben ist etc. von allem diesem ist keines existirender als
das andere, oder eines existirt weder mehr noch min-
der als das andere, so lange es existirt. Die in dem
§. 685. und 697. angeführten Beyspiele von der Mög-
lichkeit, Zufälligkeit, Gleichheit
und Bewegung
gehören ebenfalls mit hieher. Die Redensarten:
es ist mehr Bewegung da, und: es ist eine grö-
ßere Bewegung da,
oder, die Bewegung ist
größer,
sind allerdings von einander verschieden,
wenn man durch die beyden letztere Ausdrücke nicht
eine Art von Tumult, sondern die in der Mechanic
vorkommende Quantitas motus verstehen will, wel-
che aus dem Producte der Masse in die Geschwin-
digkeit erwächst, und bey jeder einzeln Bewegung
für sich betrachtet wird.

§. 710.
Die Einheit.
§. 709.

Der erſte Fehler, den man dabey begehen kann,
iſt, wenn man die Beſtimmungen verwechſelt, nach
welchen eine Sache groͤßer oder kleiner ſeyn kann.
Der Begriff der Exiſtenz mag uns hier zum Bey-
ſpiele dienen. Man fraget, ob ſie Grade habe?
Hiebey iſt nun unſtreitig, daß man ſagen kann, eine
Sache koͤnne laͤnger oder kuͤrzer exiſtiren, und die-
ſes iſt in Abſicht auf die Dauer; ſie koͤnne mit groͤ-
ßern
oder kleinern Kraͤften zu denken, zu wollen,
zu wirken, exiſtiren, und dieſes iſt in Abſicht auf
die Kraft; ſie koͤnne mit mehrern Theilen, Ver-
bindungen
und Verhaͤltniſſen exiſtiren, und dieſes
geht darauf, ob ſie mehrere Theile habe, zuſam-
mengeſetzter, feſter verbunden, in mehrern Verhaͤlt-
niſſen ſey ꝛc. Dieſes alles aber will nur ſagen, daß
an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit
exiſtirt, aber weder die Sache, noch was aus derſel-
ben iſt ꝛc. von allem dieſem iſt keines exiſtirender als
das andere, oder eines exiſtirt weder mehr noch min-
der als das andere, ſo lange es exiſtirt. Die in dem
§. 685. und 697. angefuͤhrten Beyſpiele von der Moͤg-
lichkeit, Zufaͤlligkeit, Gleichheit
und Bewegung
gehoͤren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten:
es iſt mehr Bewegung da, und: es iſt eine groͤ-
ßere Bewegung da,
oder, die Bewegung iſt
groͤßer,
ſind allerdings von einander verſchieden,
wenn man durch die beyden letztere Ausdruͤcke nicht
eine Art von Tumult, ſondern die in der Mechanic
vorkommende Quantitas motus verſtehen will, wel-
che aus dem Producte der Maſſe in die Geſchwin-
digkeit erwaͤchſt, und bey jeder einzeln Bewegung
fuͤr ſich betrachtet wird.

§. 710.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0339" n="331"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Einheit.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 709.</head><lb/>
            <p>Der er&#x017F;te Fehler, den man dabey begehen kann,<lb/>
i&#x017F;t, wenn man die Be&#x017F;timmungen verwech&#x017F;elt, nach<lb/>
welchen eine Sache gro&#x0364;ßer oder kleiner &#x017F;eyn kann.<lb/>
Der Begriff der <hi rendition="#fr">Exi&#x017F;tenz</hi> mag uns hier zum Bey-<lb/>
&#x017F;piele dienen. Man fraget, ob &#x017F;ie Grade habe?<lb/>
Hiebey i&#x017F;t nun un&#x017F;treitig, daß man &#x017F;agen kann, eine<lb/>
Sache ko&#x0364;nne <hi rendition="#fr">la&#x0364;nger</hi> oder <hi rendition="#fr">ku&#x0364;rzer</hi> exi&#x017F;tiren, und die-<lb/>
&#x017F;es i&#x017F;t in Ab&#x017F;icht auf die <hi rendition="#fr">Dauer;</hi> &#x017F;ie ko&#x0364;nne mit <hi rendition="#fr">gro&#x0364;-<lb/>
ßern</hi> oder <hi rendition="#fr">kleinern Kra&#x0364;ften</hi> zu denken, zu wollen,<lb/>
zu wirken, exi&#x017F;tiren, und die&#x017F;es i&#x017F;t in Ab&#x017F;icht auf<lb/>
die <hi rendition="#fr">Kraft;</hi> &#x017F;ie ko&#x0364;nne mit mehrern <hi rendition="#fr">Theilen, Ver-<lb/>
bindungen</hi> und <hi rendition="#fr">Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en</hi> exi&#x017F;tiren, und die&#x017F;es<lb/>
geht darauf, ob &#x017F;ie mehrere Theile habe, zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzter, fe&#x017F;ter verbunden, in mehrern Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey &#xA75B;c. Die&#x017F;es alles aber will nur &#x017F;agen, daß<lb/>
an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit<lb/>
exi&#x017F;tirt, aber weder die Sache, noch was aus der&#x017F;el-<lb/>
ben i&#x017F;t &#xA75B;c. von allem die&#x017F;em i&#x017F;t keines exi&#x017F;tirender als<lb/>
das andere, oder eines exi&#x017F;tirt weder mehr noch min-<lb/>
der als das andere, &#x017F;o lange es exi&#x017F;tirt. Die in dem<lb/>
§. 685. und 697. angefu&#x0364;hrten Bey&#x017F;piele von der <hi rendition="#fr">Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit, Zufa&#x0364;lligkeit, Gleichheit</hi> und <hi rendition="#fr">Bewegung</hi><lb/>
geho&#x0364;ren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten:<lb/><hi rendition="#fr">es i&#x017F;t mehr Bewegung da,</hi> und: es i&#x017F;t <hi rendition="#fr">eine gro&#x0364;-<lb/>
ßere Bewegung da,</hi> oder, <hi rendition="#fr">die Bewegung i&#x017F;t<lb/>
gro&#x0364;ßer,</hi> &#x017F;ind allerdings von einander ver&#x017F;chieden,<lb/>
wenn man durch die beyden letztere Ausdru&#x0364;cke nicht<lb/>
eine Art von Tumult, &#x017F;ondern die in der Mechanic<lb/>
vorkommende <hi rendition="#aq">Quantitas motus</hi> ver&#x017F;tehen will, wel-<lb/>
che aus dem Producte der Ma&#x017F;&#x017F;e in die Ge&#x017F;chwin-<lb/>
digkeit erwa&#x0364;ch&#x017F;t, und bey jeder einzeln Bewegung<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich betrachtet wird.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 710.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0339] Die Einheit. §. 709. Der erſte Fehler, den man dabey begehen kann, iſt, wenn man die Beſtimmungen verwechſelt, nach welchen eine Sache groͤßer oder kleiner ſeyn kann. Der Begriff der Exiſtenz mag uns hier zum Bey- ſpiele dienen. Man fraget, ob ſie Grade habe? Hiebey iſt nun unſtreitig, daß man ſagen kann, eine Sache koͤnne laͤnger oder kuͤrzer exiſtiren, und die- ſes iſt in Abſicht auf die Dauer; ſie koͤnne mit groͤ- ßern oder kleinern Kraͤften zu denken, zu wollen, zu wirken, exiſtiren, und dieſes iſt in Abſicht auf die Kraft; ſie koͤnne mit mehrern Theilen, Ver- bindungen und Verhaͤltniſſen exiſtiren, und dieſes geht darauf, ob ſie mehrere Theile habe, zuſam- mengeſetzter, feſter verbunden, in mehrern Verhaͤlt- niſſen ſey ꝛc. Dieſes alles aber will nur ſagen, daß an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit exiſtirt, aber weder die Sache, noch was aus derſel- ben iſt ꝛc. von allem dieſem iſt keines exiſtirender als das andere, oder eines exiſtirt weder mehr noch min- der als das andere, ſo lange es exiſtirt. Die in dem §. 685. und 697. angefuͤhrten Beyſpiele von der Moͤg- lichkeit, Zufaͤlligkeit, Gleichheit und Bewegung gehoͤren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten: es iſt mehr Bewegung da, und: es iſt eine groͤ- ßere Bewegung da, oder, die Bewegung iſt groͤßer, ſind allerdings von einander verſchieden, wenn man durch die beyden letztere Ausdruͤcke nicht eine Art von Tumult, ſondern die in der Mechanic vorkommende Quantitas motus verſtehen will, wel- che aus dem Producte der Maſſe in die Geſchwin- digkeit erwaͤchſt, und bey jeder einzeln Bewegung fuͤr ſich betrachtet wird. §. 710.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/339
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/339>, abgerufen am 22.11.2024.