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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Die einfache Gestalt der Größe.
tungen von der Art, wie wir sie in dem 524sten §. an-
geführet haben, hätten dazu wenig getaugt. Wir
haben auch daselbst erinnert, daß man es in der Geo-
metrie ganz anders angegriffen habe, um sie zu erfin-
den und in eine wissenschaftliche Form zu bringen.
Die Figuren, so verschieden sie auch in ihrer Gestalt
sind, haben allerdings viel gemeinsames. Es sind
Figuren, und sie haben einen Raum, und diesem
Raume nach lassen sie sich mit einander vergleichen,
und selbst die Gründe und Mittel zur Vergleichung
müssen etwas gemeinsames haben. Durch solche ab-
stracte Betrachtungen aber würden sich diese Mittel
schwerlich finden lassen, weil hiebey noch gar zu viele
Unähnlichkeiten zurücke bleiben. Man hat daher an-
gefangen auf Mittel zu denken, diese Unähnlichkeit
zu vermindern, und diese fand man darinn, daß sich
die Flächen, so vieleckicht sie auch seyn mögen, in
Triangel und die körperliche Räume, so viele Flä-
chen sie auch haben mögen, in trianguläre Pyrami-
den zertheilen ließen. Und dadurch wurde die Aus-
messung jeder Flächen und körperlichen Räume auf
die Ausmessung der einfachsten Figuren reducirt.

§. 748.

Dieser Einfall war eben nicht so leicht, so einfältig
er auch nunmehr scheinen mag. Jndessen mag er al-
lerdings in Absicht auf die Geometrie noch am leichte-
sten gewesen seyn. Hingegen giebt es unzählige andere
Fälle, wobey Ausmessungen und allgemeine Regeln da-
zu möglich sind, die aber, wenn man sie sämmtlich über-
denket, nicht weniger Mannichfaltigkeit und Verwir-
rung anbiethen, als die unendlich viele Arten von Flä-
chen und Räumen in der Geometrie, und da man mehr
Mühe findet, nur die Möglichkeit einzusehen, wie

man
Lamb. Archit. II. B. A a

Die einfache Geſtalt der Groͤße.
tungen von der Art, wie wir ſie in dem 524ſten §. an-
gefuͤhret haben, haͤtten dazu wenig getaugt. Wir
haben auch daſelbſt erinnert, daß man es in der Geo-
metrie ganz anders angegriffen habe, um ſie zu erfin-
den und in eine wiſſenſchaftliche Form zu bringen.
Die Figuren, ſo verſchieden ſie auch in ihrer Geſtalt
ſind, haben allerdings viel gemeinſames. Es ſind
Figuren, und ſie haben einen Raum, und dieſem
Raume nach laſſen ſie ſich mit einander vergleichen,
und ſelbſt die Gruͤnde und Mittel zur Vergleichung
muͤſſen etwas gemeinſames haben. Durch ſolche ab-
ſtracte Betrachtungen aber wuͤrden ſich dieſe Mittel
ſchwerlich finden laſſen, weil hiebey noch gar zu viele
Unaͤhnlichkeiten zuruͤcke bleiben. Man hat daher an-
gefangen auf Mittel zu denken, dieſe Unaͤhnlichkeit
zu vermindern, und dieſe fand man darinn, daß ſich
die Flaͤchen, ſo vieleckicht ſie auch ſeyn moͤgen, in
Triangel und die koͤrperliche Raͤume, ſo viele Flaͤ-
chen ſie auch haben moͤgen, in triangulaͤre Pyrami-
den zertheilen ließen. Und dadurch wurde die Aus-
meſſung jeder Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤume auf
die Ausmeſſung der einfachſten Figuren reducirt.

§. 748.

Dieſer Einfall war eben nicht ſo leicht, ſo einfaͤltig
er auch nunmehr ſcheinen mag. Jndeſſen mag er al-
lerdings in Abſicht auf die Geometrie noch am leichte-
ſten geweſen ſeyn. Hingegen giebt es unzaͤhlige andere
Faͤlle, wobey Ausmeſſungen und allgemeine Regeln da-
zu moͤglich ſind, die aber, wenn man ſie ſaͤmmtlich uͤber-
denket, nicht weniger Mannichfaltigkeit und Verwir-
rung anbiethen, als die unendlich viele Arten von Flaͤ-
chen und Raͤumen in der Geometrie, und da man mehr
Muͤhe findet, nur die Moͤglichkeit einzuſehen, wie

man
Lamb. Archit. II. B. A a
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[369/0377] Die einfache Geſtalt der Groͤße. tungen von der Art, wie wir ſie in dem 524ſten §. an- gefuͤhret haben, haͤtten dazu wenig getaugt. Wir haben auch daſelbſt erinnert, daß man es in der Geo- metrie ganz anders angegriffen habe, um ſie zu erfin- den und in eine wiſſenſchaftliche Form zu bringen. Die Figuren, ſo verſchieden ſie auch in ihrer Geſtalt ſind, haben allerdings viel gemeinſames. Es ſind Figuren, und ſie haben einen Raum, und dieſem Raume nach laſſen ſie ſich mit einander vergleichen, und ſelbſt die Gruͤnde und Mittel zur Vergleichung muͤſſen etwas gemeinſames haben. Durch ſolche ab- ſtracte Betrachtungen aber wuͤrden ſich dieſe Mittel ſchwerlich finden laſſen, weil hiebey noch gar zu viele Unaͤhnlichkeiten zuruͤcke bleiben. Man hat daher an- gefangen auf Mittel zu denken, dieſe Unaͤhnlichkeit zu vermindern, und dieſe fand man darinn, daß ſich die Flaͤchen, ſo vieleckicht ſie auch ſeyn moͤgen, in Triangel und die koͤrperliche Raͤume, ſo viele Flaͤ- chen ſie auch haben moͤgen, in triangulaͤre Pyrami- den zertheilen ließen. Und dadurch wurde die Aus- meſſung jeder Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤume auf die Ausmeſſung der einfachſten Figuren reducirt. §. 748. Dieſer Einfall war eben nicht ſo leicht, ſo einfaͤltig er auch nunmehr ſcheinen mag. Jndeſſen mag er al- lerdings in Abſicht auf die Geometrie noch am leichte- ſten geweſen ſeyn. Hingegen giebt es unzaͤhlige andere Faͤlle, wobey Ausmeſſungen und allgemeine Regeln da- zu moͤglich ſind, die aber, wenn man ſie ſaͤmmtlich uͤber- denket, nicht weniger Mannichfaltigkeit und Verwir- rung anbiethen, als die unendlich viele Arten von Flaͤ- chen und Raͤumen in der Geometrie, und da man mehr Muͤhe findet, nur die Moͤglichkeit einzuſehen, wie man Lamb. Archit. II. B. A a

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/377>, abgerufen am 22.11.2024.