Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.Das Ausmeßbare. Aehnlichen und Verschiedenen eine Art von Schön-heit und Vollkommenheit suche, und daß sich zwi- schen dem zu viel Aehnlichen und zu viel Verschiede- nen ein Maximum gedenken lasse, wobey die Aehn- lich[k]eiten und Verschiedenheiten in solcher Anzahl und so verflochten sind, daß sie sämmtlich wahrge- nommen werden können, und weder durch die zu gro- ße Menge noch durch die Verwickelung ehender einem Cahos und bunten Wesen, als einer wohlgeordneten Sache gleichen. Hiebey ist nun das Wahrnehmen, sowohl in Absicht auf die Sache, als in Absicht auf die Fähigkeiten dessen, der sie wahrnehmen soll, re- lativ, und daher können die Dinge zwar unter sich stückweise verglichen und mit andern von gleicher Art gegen einander gehalten werden, hingegen in Absicht auf die Fähigkeiten derer, die sie bemerken, läßt sich dieses nicht so unbedingt thun, und man kann im Ge- gentheile die Dinge selbst ehender als Maaßstäbe zur Bestimmung des Grades der Fähigkeiten ansehen, weil sonsten der eine eben dasjenige bunt, schwülstig, übertrieben etc. nennet, was der andere ganz recht und natürlich findet, und der dritte etwann als ein- fältig, kahl, kriechend ansieht. Denn diese Aus- drücke sind relativ, und Kunstrichter nehmen dabey sehr leicht und unvermerkt, theils ihre Erkenntniß- kräfte, theils gewisse Stücke, die sie diesen Kräften angemessen finden, und daher für Muster angeben, als Maaßstäbe und absolute Einheiten an, die man entweder nicht überschreiten, oder nicht innert den- selben zurücke bleiben soll. Jndessen richten sich sol- che, und besonders die einfachen Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, wo man sie schätzen will, theils nach der Anzahl, und zwar so fern man sie als gleich er- heblich und gleich bemerkbar ansieht, theils auch jede beson- D d 5
Das Ausmeßbare. Aehnlichen und Verſchiedenen eine Art von Schoͤn-heit und Vollkommenheit ſuche, und daß ſich zwi- ſchen dem zu viel Aehnlichen und zu viel Verſchiede- nen ein Maximum gedenken laſſe, wobey die Aehn- lich[k]eiten und Verſchiedenheiten in ſolcher Anzahl und ſo verflochten ſind, daß ſie ſaͤmmtlich wahrge- nommen werden koͤnnen, und weder durch die zu gro- ße Menge noch durch die Verwickelung ehender einem Cahos und bunten Weſen, als einer wohlgeordneten Sache gleichen. Hiebey iſt nun das Wahrnehmen, ſowohl in Abſicht auf die Sache, als in Abſicht auf die Faͤhigkeiten deſſen, der ſie wahrnehmen ſoll, re- lativ, und daher koͤnnen die Dinge zwar unter ſich ſtuͤckweiſe verglichen und mit andern von gleicher Art gegen einander gehalten werden, hingegen in Abſicht auf die Faͤhigkeiten derer, die ſie bemerken, laͤßt ſich dieſes nicht ſo unbedingt thun, und man kann im Ge- gentheile die Dinge ſelbſt ehender als Maaßſtaͤbe zur Beſtimmung des Grades der Faͤhigkeiten anſehen, weil ſonſten der eine eben dasjenige bunt, ſchwuͤlſtig, uͤbertrieben ꝛc. nennet, was der andere ganz recht und natuͤrlich findet, und der dritte etwann als ein- faͤltig, kahl, kriechend anſieht. Denn dieſe Aus- druͤcke ſind relativ, und Kunſtrichter nehmen dabey ſehr leicht und unvermerkt, theils ihre Erkenntniß- kraͤfte, theils gewiſſe Stuͤcke, die ſie dieſen Kraͤften angemeſſen finden, und daher fuͤr Muſter angeben, als Maaßſtaͤbe und abſolute Einheiten an, die man entweder nicht uͤberſchreiten, oder nicht innert den- ſelben zuruͤcke bleiben ſoll. Jndeſſen richten ſich ſol- che, und beſonders die einfachen Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten, wo man ſie ſchaͤtzen will, theils nach der Anzahl, und zwar ſo fern man ſie als gleich er- heblich und gleich bemerkbar anſieht, theils auch jede beſon- D d 5
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Das Ausmeßbare.
Aehnlichen und Verſchiedenen eine Art von Schoͤn-
heit und Vollkommenheit ſuche, und daß ſich zwi-
ſchen dem zu viel Aehnlichen und zu viel Verſchiede-
nen ein Maximum gedenken laſſe, wobey die Aehn-
lichkeiten und Verſchiedenheiten in ſolcher Anzahl
und ſo verflochten ſind, daß ſie ſaͤmmtlich wahrge-
nommen werden koͤnnen, und weder durch die zu gro-
ße Menge noch durch die Verwickelung ehender einem
Cahos und bunten Weſen, als einer wohlgeordneten
Sache gleichen. Hiebey iſt nun das Wahrnehmen,
ſowohl in Abſicht auf die Sache, als in Abſicht auf
die Faͤhigkeiten deſſen, der ſie wahrnehmen ſoll, re-
lativ, und daher koͤnnen die Dinge zwar unter ſich
ſtuͤckweiſe verglichen und mit andern von gleicher Art
gegen einander gehalten werden, hingegen in Abſicht
auf die Faͤhigkeiten derer, die ſie bemerken, laͤßt ſich
dieſes nicht ſo unbedingt thun, und man kann im Ge-
gentheile die Dinge ſelbſt ehender als Maaßſtaͤbe zur
Beſtimmung des Grades der Faͤhigkeiten anſehen,
weil ſonſten der eine eben dasjenige bunt, ſchwuͤlſtig,
uͤbertrieben ꝛc. nennet, was der andere ganz recht
und natuͤrlich findet, und der dritte etwann als ein-
faͤltig, kahl, kriechend anſieht. Denn dieſe Aus-
druͤcke ſind relativ, und Kunſtrichter nehmen dabey
ſehr leicht und unvermerkt, theils ihre Erkenntniß-
kraͤfte, theils gewiſſe Stuͤcke, die ſie dieſen Kraͤften
angemeſſen finden, und daher fuͤr Muſter angeben,
als Maaßſtaͤbe und abſolute Einheiten an, die man
entweder nicht uͤberſchreiten, oder nicht innert den-
ſelben zuruͤcke bleiben ſoll. Jndeſſen richten ſich ſol-
che, und beſonders die einfachen Aehnlichkeiten und
Verſchiedenheiten, wo man ſie ſchaͤtzen will, theils nach
der Anzahl, und zwar ſo fern man ſie als gleich er-
heblich und gleich bemerkbar anſieht, theils auch jede
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