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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe

wenn sie der Sonne näher kommen. Ich achte nicht,
daß diese Vergrösserung nur eine zufällige Wirkung
von der Wärme der Sonne seye. Der Dunstkreyß
mag einen wesentlichen Nutzen haben, und vermuthlich
dient er zum Schirme wider die allzugrosse Hitze. Un-
sere Erde mag in gleicher Absicht die Wolken gebrau-
chen, obgleich diese noch lange nicht so nothwendig sind,
um die Hitze zu vermindern. Auf eine vorzüglichere
Art scheint die Erdfläche einen Schirm wider die Kälte
des Winters nöthig zu haben, und dafür dient ihr der
Schnee zur Decke. Da also der Dunstkreyß der Co-
meten nur wenige Monate größer ist, so werde ich den
Aufenthalt ihrer Bewohner noch lange nicht, als mit
beständigem Nebel und Dampfe eingehüllt ansehen, da-
durch sie sollten verhindert werden, das Weltgebäud
deutlich zu betrachten. Unsere Athmosphaere wird
zwar niemals so groß, als die von Cometen werden
kann, aber sie bleibt uns beständig, und die Helfte un-
serer Lebenszeit ist uns der Himmel mit Wolken bedeckt.
Auf eine ähnliche Art bedeckt uns des Winters der
Schnee die Erdfläche. Bleibt uns aber deswegen
Himmel und Erde unbekandt, wenn wir die Zeit ge-
brauchen wollen, wo sie sich beyde wieder aufdecken?

Dieses Aufschwellen der Athmosphaere der Co-
meten ist demnach als eine Folge von ihrer elliptischen
Laufbahn anzusehen, und mag in Absicht auf ihre Be-
schirmung nothwendig seyn. Aber deswegen sind Pla-
neten und Cometen noch nicht anders als in Absicht auf
ihre Laufbahn verschieden. Bey jenen ist sie beynahe

circular,
Coſmologiſche Briefe

wenn ſie der Sonne naͤher kommen. Ich achte nicht,
daß dieſe Vergroͤſſerung nur eine zufaͤllige Wirkung
von der Waͤrme der Sonne ſeye. Der Dunſtkreyß
mag einen weſentlichen Nutzen haben, und vermuthlich
dient er zum Schirme wider die allzugroſſe Hitze. Un-
ſere Erde mag in gleicher Abſicht die Wolken gebrau-
chen, obgleich dieſe noch lange nicht ſo nothwendig ſind,
um die Hitze zu vermindern. Auf eine vorzuͤglichere
Art ſcheint die Erdflaͤche einen Schirm wider die Kaͤlte
des Winters noͤthig zu haben, und dafuͤr dient ihr der
Schnee zur Decke. Da alſo der Dunſtkreyß der Co-
meten nur wenige Monate groͤßer iſt, ſo werde ich den
Aufenthalt ihrer Bewohner noch lange nicht, als mit
beſtaͤndigem Nebel und Dampfe eingehuͤllt anſehen, da-
durch ſie ſollten verhindert werden, das Weltgebaͤud
deutlich zu betrachten. Unſere Athmoſphære wird
zwar niemals ſo groß, als die von Cometen werden
kann, aber ſie bleibt uns beſtaͤndig, und die Helfte un-
ſerer Lebenszeit iſt uns der Himmel mit Wolken bedeckt.
Auf eine aͤhnliche Art bedeckt uns des Winters der
Schnee die Erdflaͤche. Bleibt uns aber deswegen
Himmel und Erde unbekandt, wenn wir die Zeit ge-
brauchen wollen, wo ſie ſich beyde wieder aufdecken?

Dieſes Aufſchwellen der Athmoſphære der Co-
meten iſt demnach als eine Folge von ihrer elliptiſchen
Laufbahn anzuſehen, und mag in Abſicht auf ihre Be-
ſchirmung nothwendig ſeyn. Aber deswegen ſind Pla-
neten und Cometen noch nicht anders als in Abſicht auf
ihre Laufbahn verſchieden. Bey jenen iſt ſie beynahe

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[68/0101] Coſmologiſche Briefe wenn ſie der Sonne naͤher kommen. Ich achte nicht, daß dieſe Vergroͤſſerung nur eine zufaͤllige Wirkung von der Waͤrme der Sonne ſeye. Der Dunſtkreyß mag einen weſentlichen Nutzen haben, und vermuthlich dient er zum Schirme wider die allzugroſſe Hitze. Un- ſere Erde mag in gleicher Abſicht die Wolken gebrau- chen, obgleich dieſe noch lange nicht ſo nothwendig ſind, um die Hitze zu vermindern. Auf eine vorzuͤglichere Art ſcheint die Erdflaͤche einen Schirm wider die Kaͤlte des Winters noͤthig zu haben, und dafuͤr dient ihr der Schnee zur Decke. Da alſo der Dunſtkreyß der Co- meten nur wenige Monate groͤßer iſt, ſo werde ich den Aufenthalt ihrer Bewohner noch lange nicht, als mit beſtaͤndigem Nebel und Dampfe eingehuͤllt anſehen, da- durch ſie ſollten verhindert werden, das Weltgebaͤud deutlich zu betrachten. Unſere Athmoſphære wird zwar niemals ſo groß, als die von Cometen werden kann, aber ſie bleibt uns beſtaͤndig, und die Helfte un- ſerer Lebenszeit iſt uns der Himmel mit Wolken bedeckt. Auf eine aͤhnliche Art bedeckt uns des Winters der Schnee die Erdflaͤche. Bleibt uns aber deswegen Himmel und Erde unbekandt, wenn wir die Zeit ge- brauchen wollen, wo ſie ſich beyde wieder aufdecken? Dieſes Aufſchwellen der Athmoſphære der Co- meten iſt demnach als eine Folge von ihrer elliptiſchen Laufbahn anzuſehen, und mag in Abſicht auf ihre Be- ſchirmung nothwendig ſeyn. Aber deswegen ſind Pla- neten und Cometen noch nicht anders als in Abſicht auf ihre Laufbahn verſchieden. Bey jenen iſt ſie beynahe circular,

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/101>, abgerufen am 21.11.2024.