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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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über die Einrichtung des Weltbaues.

Es freuete mich, daß meine Berechnung über
die Hitze des Cometen von 1680, Ihnen, mein Herr,
Gelegenheit gabe, an die Bewohnbarkeit dieser Welt-
körper auf eine bestimmtere Art zu denken, wenn Sie
je nicht längst vorhin daran gedacht haben. Ihre Be-
trachtungen darüber waren mir immer neu, und sehr
angenehm. Sie wissen, wie viele Schwierigkeiten
man an dieser Sache gefunden. Allem Ansehen nach
kamen diese Schwierigkeiten daher, weil man die Ver-
gleichung zwischen der Erde und den Weltkörpern zu
weit ausdehnte. So fande Columbus nach einer
weiten Schiffart eine neue Welt, und bracht die Nach-
richt zurück, daß sie bewohnt wäre. Man konnte ihn
mit Grunde fragen, ob es Menschen daselbst gebe?
Das Land ware auf der Erdfläche, und daher für
Menschen bewohnbar. Entdeckte aber ein Astronome
in dem Monde, der Venus und andern Planeten,
Berge, Meere, Atmosphaeren, etc. und schloße dar-
aus, daß es Einwohner daselbst geben müsse, so gien-
ge diese Folgerung an, aber man würde zu weit ge-
hen, wenn man gleich Menschen aus ihnen machen
wollte. Man würde eben so gut Menschen in der
Tiefe des Meeres suchen müssen. Wir sind über-
haupt zu sehr daran gewöhnt, alles individual zu se-
tzen, und der allgemeine Begiff, den wir uns von
den Einwohnern der Welt überhaupt machen sollten,
ist noch viel zu enge eingeschränkt, weil wir keine an-
dere Mannigfaltigkeiten gesehen haben, als die, so um
uns her auf der Erde sind. Es ist wahr, ihre Anzahl
reicht bis ins Unendliche; sollte sie aber die Schätze

der
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.

Es freuete mich, daß meine Berechnung uͤber
die Hitze des Cometen von 1680, Ihnen, mein Herr,
Gelegenheit gabe, an die Bewohnbarkeit dieſer Welt-
koͤrper auf eine beſtimmtere Art zu denken, wenn Sie
je nicht laͤngſt vorhin daran gedacht haben. Ihre Be-
trachtungen daruͤber waren mir immer neu, und ſehr
angenehm. Sie wiſſen, wie viele Schwierigkeiten
man an dieſer Sache gefunden. Allem Anſehen nach
kamen dieſe Schwierigkeiten daher, weil man die Ver-
gleichung zwiſchen der Erde und den Weltkoͤrpern zu
weit ausdehnte. So fande Columbus nach einer
weiten Schiffart eine neue Welt, und bracht die Nach-
richt zuruͤck, daß ſie bewohnt waͤre. Man konnte ihn
mit Grunde fragen, ob es Menſchen daſelbſt gebe?
Das Land ware auf der Erdflaͤche, und daher fuͤr
Menſchen bewohnbar. Entdeckte aber ein Aſtronome
in dem Monde, der Venus und andern Planeten,
Berge, Meere, Atmoſphæren, ꝛc. und ſchloße dar-
aus, daß es Einwohner daſelbſt geben muͤſſe, ſo gien-
ge dieſe Folgerung an, aber man wuͤrde zu weit ge-
hen, wenn man gleich Menſchen aus ihnen machen
wollte. Man wuͤrde eben ſo gut Menſchen in der
Tiefe des Meeres ſuchen muͤſſen. Wir ſind uͤber-
haupt zu ſehr daran gewoͤhnt, alles individual zu ſe-
tzen, und der allgemeine Begiff, den wir uns von
den Einwohnern der Welt uͤberhaupt machen ſollten,
iſt noch viel zu enge eingeſchraͤnkt, weil wir keine an-
dere Mannigfaltigkeiten geſehen haben, als die, ſo um
uns her auf der Erde ſind. Es iſt wahr, ihre Anzahl
reicht bis ins Unendliche; ſollte ſie aber die Schaͤtze

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[85/0118] uͤber die Einrichtung des Weltbaues. Es freuete mich, daß meine Berechnung uͤber die Hitze des Cometen von 1680, Ihnen, mein Herr, Gelegenheit gabe, an die Bewohnbarkeit dieſer Welt- koͤrper auf eine beſtimmtere Art zu denken, wenn Sie je nicht laͤngſt vorhin daran gedacht haben. Ihre Be- trachtungen daruͤber waren mir immer neu, und ſehr angenehm. Sie wiſſen, wie viele Schwierigkeiten man an dieſer Sache gefunden. Allem Anſehen nach kamen dieſe Schwierigkeiten daher, weil man die Ver- gleichung zwiſchen der Erde und den Weltkoͤrpern zu weit ausdehnte. So fande Columbus nach einer weiten Schiffart eine neue Welt, und bracht die Nach- richt zuruͤck, daß ſie bewohnt waͤre. Man konnte ihn mit Grunde fragen, ob es Menſchen daſelbſt gebe? Das Land ware auf der Erdflaͤche, und daher fuͤr Menſchen bewohnbar. Entdeckte aber ein Aſtronome in dem Monde, der Venus und andern Planeten, Berge, Meere, Atmoſphæren, ꝛc. und ſchloße dar- aus, daß es Einwohner daſelbſt geben muͤſſe, ſo gien- ge dieſe Folgerung an, aber man wuͤrde zu weit ge- hen, wenn man gleich Menſchen aus ihnen machen wollte. Man wuͤrde eben ſo gut Menſchen in der Tiefe des Meeres ſuchen muͤſſen. Wir ſind uͤber- haupt zu ſehr daran gewoͤhnt, alles individual zu ſe- tzen, und der allgemeine Begiff, den wir uns von den Einwohnern der Welt uͤberhaupt machen ſollten, iſt noch viel zu enge eingeſchraͤnkt, weil wir keine an- dere Mannigfaltigkeiten geſehen haben, als die, ſo um uns her auf der Erde ſind. Es iſt wahr, ihre Anzahl reicht bis ins Unendliche; ſollte ſie aber die Schaͤtze der F 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/118>, abgerufen am 24.11.2024.