Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.über die Einrichtung des Weltbaues. Etwas Zeit nachher fiel mir erst in die Augen, daß dieMilchstrasse von den übrigen Theilen des Himmels so stark unterschieden seye, und da fieng ich an, dieselbe weiter hinaus zu rücken, und den leeren Raum zu lassen, den Sie, mein Herr, so nett in ein sinnli- ches Bild gebracht haben. Alle übrigen Sterne faß- te ich in ein System zusammen, aber die Milchstrasse bliebe noch viele Tage uneingetheilt. Nachgehends wunderte ich mich, daß ich nicht gleich anfangs dar- auf gefallen, weil sich die Abtheilung von selbsten zeigt. Allein ausser, daß uns fast immer unbemerkte Sachen vor Augen schweben, so konnte hier noch ein anderer Grund seyn. Der Theil der Milchstrasse, der gespal- ten ist, stunde nicht dem Fenster gegenüber. Da mir aber doch die Begierde bliebe, zu sehen, ob ich diese Gedanken weiter würde fortsetzen können, so übersahe ich einmal die ganze Milchstrasse, und besonders ihre Figur. Und da schloße ich erst, daß ich dieselbe in einzele Theile absöndern sollte, und daß jeder Theil demjenigen, in welchem wir uns befinden, ähnlich zu achten seye. So entstunden also unvermerkt meine Fixsternen-Systemen. Es kann seyn, daß mir allmählich noch mehrere solchen K 4
uͤber die Einrichtung des Weltbaues. Etwas Zeit nachher fiel mir erſt in die Augen, daß dieMilchſtraſſe von den uͤbrigen Theilen des Himmels ſo ſtark unterſchieden ſeye, und da fieng ich an, dieſelbe weiter hinaus zu ruͤcken, und den leeren Raum zu laſſen, den Sie, mein Herr, ſo nett in ein ſinnli- ches Bild gebracht haben. Alle uͤbrigen Sterne faß- te ich in ein Syſtem zuſammen, aber die Milchſtraſſe bliebe noch viele Tage uneingetheilt. Nachgehends wunderte ich mich, daß ich nicht gleich anfangs dar- auf gefallen, weil ſich die Abtheilung von ſelbſten zeigt. Allein auſſer, daß uns faſt immer unbemerkte Sachen vor Augen ſchweben, ſo konnte hier noch ein anderer Grund ſeyn. Der Theil der Milchſtraſſe, der geſpal- ten iſt, ſtunde nicht dem Fenſter gegenuͤber. Da mir aber doch die Begierde bliebe, zu ſehen, ob ich dieſe Gedanken weiter wuͤrde fortſetzen koͤnnen, ſo uͤberſahe ich einmal die ganze Milchſtraſſe, und beſonders ihre Figur. Und da ſchloße ich erſt, daß ich dieſelbe in einzele Theile abſoͤndern ſollte, und daß jeder Theil demjenigen, in welchem wir uns befinden, aͤhnlich zu achten ſeye. So entſtunden alſo unvermerkt meine Fixſternen-Syſtemen. Es kann ſeyn, daß mir allmaͤhlich noch mehrere ſolchen K 4
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Etwas Zeit nachher fiel mir erſt in die Augen, daß die
Milchſtraſſe von den uͤbrigen Theilen des Himmels ſo
ſtark unterſchieden ſeye, und da fieng ich an, dieſelbe
weiter hinaus zu ruͤcken, und den leeren Raum zu
laſſen, den Sie, mein Herr, ſo nett in ein ſinnli-
ches Bild gebracht haben. Alle uͤbrigen Sterne faß-
te ich in ein Syſtem zuſammen, aber die Milchſtraſſe
bliebe noch viele Tage uneingetheilt. Nachgehends
wunderte ich mich, daß ich nicht gleich anfangs dar-
auf gefallen, weil ſich die Abtheilung von ſelbſten zeigt.
Allein auſſer, daß uns faſt immer unbemerkte Sachen
vor Augen ſchweben, ſo konnte hier noch ein anderer
Grund ſeyn. Der Theil der Milchſtraſſe, der geſpal-
ten iſt, ſtunde nicht dem Fenſter gegenuͤber. Da mir
aber doch die Begierde bliebe, zu ſehen, ob ich dieſe
Gedanken weiter wuͤrde fortſetzen koͤnnen, ſo uͤberſahe
ich einmal die ganze Milchſtraſſe, und beſonders ihre
Figur. Und da ſchloße ich erſt, daß ich dieſelbe in
einzele Theile abſoͤndern ſollte, und daß jeder Theil
demjenigen, in welchem wir uns befinden, aͤhnlich zu
achten ſeye. So entſtunden alſo unvermerkt meine
Fixſternen-Syſtemen.
Es kann ſeyn, daß mir allmaͤhlich noch mehrere
Betrachtungen daruͤber eingefallen waͤren, weil ich ſie
noch nicht aufgegeben hatte. Allein es waͤre allem
Vermuthen nach langſam geſchehen, weil wir uͤber un-
ſere Einfaͤlle nicht gebieten koͤnnen. Dieſe werden
vorzuͤglicher erweckt, wenn andere Anlaͤſſe dazu kom-
men, und Sie, mein Herr, haben mir unter allen
ſolchen
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