So viel sehe ich wohl voraus, daß sich aus ei- ner solchen Vergleichung nicht so fast die Grösse als die Wirklichkeit dieser Verrückung genauer erörtern läßt. Denn diese Verrückung muß merklich grösser seyn, als daß man sie den fehlerhaften Observationen der ältesten Astronomen allein zuschreiben könnte, und dieses ist für sich betrachtet schon genug. Die astro- nomischen Instrumente sind dermalen in solcher Voll- kommenheit, daß man in viel kürzerer Zeit diese Ver- rückung genauer wird bestimmen können, als es aus der Vergleichung der alten und neuen Catalogen ge- schehen kann.
Ist sie aber einmal bestimmt, so läßt sich aller- dings die Rechnung darüber machen, die Sie, mein Herr, in einem ihrer vorhergehenden Schreiben als einen vorläufigen Ueberschlag angestellt haben. Sie nahmen z. E. an, der nächste Stern habe sich um 1/4. Grad verrückt, und daraus berechneten Sie die Ge- schwindigkeit seiner Bewegung, und schloßen, daß sie nicht von der Schwere desselben gegen unsere Sonnen herrühren könne. Grund genug, um einen andern Mittelpunct für unser Fixsternensystem zu suchen, und noch um desto mehr, weil die Verrückung allem Anse- hen nach grösser als 1/4. Grad seyn wird, welches ich aber inzwischen dahin gestellt seyn lasse, bis mir die Schrift des Herrn Prof. Mayers zu Gesichte kommt.
Sodann haben Sie, mein Herr, in eben dem Schreiben bereits angemerkt, daß diese Verrückung
nur
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
So viel ſehe ich wohl voraus, daß ſich aus ei- ner ſolchen Vergleichung nicht ſo faſt die Groͤſſe als die Wirklichkeit dieſer Verruͤckung genauer eroͤrtern laͤßt. Denn dieſe Verruͤckung muß merklich groͤſſer ſeyn, als daß man ſie den fehlerhaften Obſervationen der aͤlteſten Aſtronomen allein zuſchreiben koͤnnte, und dieſes iſt fuͤr ſich betrachtet ſchon genug. Die aſtro- nomiſchen Inſtrumente ſind dermalen in ſolcher Voll- kommenheit, daß man in viel kuͤrzerer Zeit dieſe Ver- ruͤckung genauer wird beſtimmen koͤnnen, als es aus der Vergleichung der alten und neuen Catalogen ge- ſchehen kann.
Iſt ſie aber einmal beſtimmt, ſo laͤßt ſich aller- dings die Rechnung daruͤber machen, die Sie, mein Herr, in einem ihrer vorhergehenden Schreiben als einen vorlaͤufigen Ueberſchlag angeſtellt haben. Sie nahmen z. E. an, der naͤchſte Stern habe ſich um ¼. Grad verruͤckt, und daraus berechneten Sie die Ge- ſchwindigkeit ſeiner Bewegung, und ſchloßen, daß ſie nicht von der Schwere deſſelben gegen unſere Sonnen herruͤhren koͤnne. Grund genug, um einen andern Mittelpunct fuͤr unſer Fixſternenſyſtem zu ſuchen, und noch um deſto mehr, weil die Verruͤckung allem Anſe- hen nach groͤſſer als ¼. Grad ſeyn wird, welches ich aber inzwiſchen dahin geſtellt ſeyn laſſe, bis mir die Schrift des Herrn Prof. Mayers zu Geſichte kommt.
Sodann haben Sie, mein Herr, in eben dem Schreiben bereits angemerkt, daß dieſe Verruͤckung
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
So viel ſehe ich wohl voraus, daß ſich aus ei-
ner ſolchen Vergleichung nicht ſo faſt die Groͤſſe als
die Wirklichkeit dieſer Verruͤckung genauer eroͤrtern
laͤßt. Denn dieſe Verruͤckung muß merklich groͤſſer
ſeyn, als daß man ſie den fehlerhaften Obſervationen
der aͤlteſten Aſtronomen allein zuſchreiben koͤnnte, und
dieſes iſt fuͤr ſich betrachtet ſchon genug. Die aſtro-
nomiſchen Inſtrumente ſind dermalen in ſolcher Voll-
kommenheit, daß man in viel kuͤrzerer Zeit dieſe Ver-
ruͤckung genauer wird beſtimmen koͤnnen, als es aus
der Vergleichung der alten und neuen Catalogen ge-
ſchehen kann.
Iſt ſie aber einmal beſtimmt, ſo laͤßt ſich aller-
dings die Rechnung daruͤber machen, die Sie, mein
Herr, in einem ihrer vorhergehenden Schreiben als
einen vorlaͤufigen Ueberſchlag angeſtellt haben. Sie
nahmen z. E. an, der naͤchſte Stern habe ſich um ¼.
Grad verruͤckt, und daraus berechneten Sie die Ge-
ſchwindigkeit ſeiner Bewegung, und ſchloßen, daß ſie
nicht von der Schwere deſſelben gegen unſere Sonnen
herruͤhren koͤnne. Grund genug, um einen andern
Mittelpunct fuͤr unſer Fixſternenſyſtem zu ſuchen, und
noch um deſto mehr, weil die Verruͤckung allem Anſe-
hen nach groͤſſer als ¼. Grad ſeyn wird, welches ich
aber inzwiſchen dahin geſtellt ſeyn laſſe, bis mir die
Schrift des Herrn Prof. Mayers zu Geſichte kommt.
Sodann haben Sie, mein Herr, in eben dem
Schreiben bereits angemerkt, daß dieſe Verruͤckung
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/248>, abgerufen am 16.07.2024.
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