Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.Cosmologische Briefe ses freute mich um so mehr, da wir im verwichenenJahre die erste Rückkunft eines so ausserordentlichen Sterns haben feyern können. So weit muß ich Ih- nen gewonnen geben. Ich durchlase diese Lehrbegriffe mit größter Begierde, und es fällt mir nun nichts leichters, als den weiten Raum um die Sonne, alle Räume zwischen den Planeten, und noch weit über den Saturn hinaus, mit Ovallinien auszufüllen, und in jede einen Cometen, und wenn Sie wollen, einen mit Satelliten zu setzen. Jedem Fixstern gabe ich ei- ne ähnliche Menge von solchen Körpern, die von ih- me Licht und Wärme haben sollten, und auf allen stell- te ich mir unzählbare Einwohner von allen möglichen Arten und Gestalten vor. Ich habe mir dabey die Einbildungskraft zugleich mit den Weltgebäuden er- weitert, und es giebt mir nun keine Mühe, den Ab- stand von unserer Sonne bis zu einem Fixstern der fünfzigsten Grösse, als einen Maaßstab anzunehmen, und denselben Millionenweise umgeschlagen, gegen die Grenzen des Systems der Sterne zu messen, die wir noch durch Teloscopia sehen, und die noch weit hinter diesen stehen. Ich gebrauche nun keinen Amboß mehr, der zehn Tage zubringe, um aus dem Himmel auf die Erde zu fallen. Der Raum, durch den er fällt, ist mir nun nur ein Punct, und seine Geschwindigkeit vergleiche ich mit dem Kriechen eines Wurmes, oder mit dem Schleichen einer Schnecke. Solle ich Zeit und Raum vergleichen, so ist der Glanz, so der Blitz in Augenblicken über den Himmel ausbreitet, noch zu langsam. Das Licht und sein Weg dient mir nur zum
Coſmologiſche Briefe ſes freute mich um ſo mehr, da wir im verwichenenJahre die erſte Ruͤckkunft eines ſo auſſerordentlichen Sterns haben feyern koͤnnen. So weit muß ich Ih- nen gewonnen geben. Ich durchlaſe dieſe Lehrbegriffe mit groͤßter Begierde, und es faͤllt mir nun nichts leichters, als den weiten Raum um die Sonne, alle Raͤume zwiſchen den Planeten, und noch weit uͤber den Saturn hinaus, mit Ovallinien auszufuͤllen, und in jede einen Cometen, und wenn Sie wollen, einen mit Satelliten zu ſetzen. Jedem Fixſtern gabe ich ei- ne aͤhnliche Menge von ſolchen Koͤrpern, die von ih- me Licht und Waͤrme haben ſollten, und auf allen ſtell- te ich mir unzaͤhlbare Einwohner von allen moͤglichen Arten und Geſtalten vor. Ich habe mir dabey die Einbildungskraft zugleich mit den Weltgebaͤuden er- weitert, und es giebt mir nun keine Muͤhe, den Ab- ſtand von unſerer Sonne bis zu einem Fixſtern der fuͤnfzigſten Groͤſſe, als einen Maaßſtab anzunehmen, und denſelben Millionenweiſe umgeſchlagen, gegen die Grenzen des Syſtems der Sterne zu meſſen, die wir noch durch Teloſcopia ſehen, und die noch weit hinter dieſen ſtehen. Ich gebrauche nun keinen Amboß mehr, der zehn Tage zubringe, um aus dem Himmel auf die Erde zu fallen. Der Raum, durch den er faͤllt, iſt mir nun nur ein Punct, und ſeine Geſchwindigkeit vergleiche ich mit dem Kriechen eines Wurmes, oder mit dem Schleichen einer Schnecke. Solle ich Zeit und Raum vergleichen, ſo iſt der Glanz, ſo der Blitz in Augenblicken uͤber den Himmel ausbreitet, noch zu langſam. Das Licht und ſein Weg dient mir nur zum
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Coſmologiſche Briefe</hi></fw><lb/> ſes freute mich um ſo mehr, da wir im verwichenen<lb/> Jahre die erſte Ruͤckkunft eines ſo auſſerordentlichen<lb/> Sterns haben feyern koͤnnen. So weit muß ich Ih-<lb/> nen gewonnen geben. Ich durchlaſe dieſe Lehrbegriffe<lb/> mit groͤßter Begierde, und es faͤllt mir nun nichts<lb/> leichters, als den weiten Raum um die Sonne, alle<lb/> Raͤume zwiſchen den Planeten, und noch weit uͤber<lb/> den Saturn hinaus, mit Ovallinien auszufuͤllen, und<lb/> in jede einen Cometen, und wenn Sie wollen, einen<lb/> mit Satelliten zu ſetzen. Jedem Fixſtern gabe ich ei-<lb/> ne aͤhnliche Menge von ſolchen Koͤrpern, die von ih-<lb/> me Licht und Waͤrme haben ſollten, und auf allen ſtell-<lb/> te ich mir unzaͤhlbare Einwohner von allen moͤglichen<lb/> Arten und Geſtalten vor. Ich habe mir dabey die<lb/> Einbildungskraft zugleich mit den Weltgebaͤuden er-<lb/> weitert, und es giebt mir nun keine Muͤhe, den Ab-<lb/> ſtand von unſerer Sonne bis zu einem Fixſtern der<lb/> fuͤnfzigſten Groͤſſe, als einen Maaßſtab anzunehmen,<lb/> und denſelben Millionenweiſe umgeſchlagen, gegen die<lb/> Grenzen des Syſtems der Sterne zu meſſen, die wir<lb/> noch durch Teloſcopia ſehen, und die noch weit hinter<lb/> dieſen ſtehen. Ich gebrauche nun keinen Amboß mehr,<lb/> der zehn Tage zubringe, um aus dem Himmel auf die<lb/> Erde zu fallen. Der Raum, durch den er faͤllt, iſt<lb/> mir nun nur ein Punct, und ſeine Geſchwindigkeit<lb/> vergleiche ich mit dem Kriechen eines Wurmes, oder<lb/> mit dem Schleichen einer Schnecke. Solle ich Zeit<lb/> und Raum vergleichen, ſo iſt der Glanz, ſo der Blitz<lb/> in Augenblicken uͤber den Himmel ausbreitet, noch zu<lb/> langſam. Das Licht und ſein Weg dient mir nur<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zum</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0035]
Coſmologiſche Briefe
ſes freute mich um ſo mehr, da wir im verwichenen
Jahre die erſte Ruͤckkunft eines ſo auſſerordentlichen
Sterns haben feyern koͤnnen. So weit muß ich Ih-
nen gewonnen geben. Ich durchlaſe dieſe Lehrbegriffe
mit groͤßter Begierde, und es faͤllt mir nun nichts
leichters, als den weiten Raum um die Sonne, alle
Raͤume zwiſchen den Planeten, und noch weit uͤber
den Saturn hinaus, mit Ovallinien auszufuͤllen, und
in jede einen Cometen, und wenn Sie wollen, einen
mit Satelliten zu ſetzen. Jedem Fixſtern gabe ich ei-
ne aͤhnliche Menge von ſolchen Koͤrpern, die von ih-
me Licht und Waͤrme haben ſollten, und auf allen ſtell-
te ich mir unzaͤhlbare Einwohner von allen moͤglichen
Arten und Geſtalten vor. Ich habe mir dabey die
Einbildungskraft zugleich mit den Weltgebaͤuden er-
weitert, und es giebt mir nun keine Muͤhe, den Ab-
ſtand von unſerer Sonne bis zu einem Fixſtern der
fuͤnfzigſten Groͤſſe, als einen Maaßſtab anzunehmen,
und denſelben Millionenweiſe umgeſchlagen, gegen die
Grenzen des Syſtems der Sterne zu meſſen, die wir
noch durch Teloſcopia ſehen, und die noch weit hinter
dieſen ſtehen. Ich gebrauche nun keinen Amboß mehr,
der zehn Tage zubringe, um aus dem Himmel auf die
Erde zu fallen. Der Raum, durch den er faͤllt, iſt
mir nun nur ein Punct, und ſeine Geſchwindigkeit
vergleiche ich mit dem Kriechen eines Wurmes, oder
mit dem Schleichen einer Schnecke. Solle ich Zeit
und Raum vergleichen, ſo iſt der Glanz, ſo der Blitz
in Augenblicken uͤber den Himmel ausbreitet, noch zu
langſam. Das Licht und ſein Weg dient mir nur
zum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |